Kardinal Rainer Maria
Woelki hat am Samstag Abend seine römische Titelkirche, die ihm mit dem Kardinalsstand
zugewiesen wurde, in Besitz genommen. Es handelt sich um die Kirche San Giovanni Maria
Vianney in der östlichen Peripherie Roms. Die Kirche war bis auf den letzten Platz
besetzt, die Gläubigen der sehr aktiven Gemeinde wollten sich dieses Ereignis nicht
entgehen lassen. Wie uns Don Marco Gandolfo, der Pfarrer der Gemeinde, versichert
hat, lag es nur am langen Peter-und-Paul-Wochenende, dass die Menschen nicht bis auf
die Straße gestanden sind, um dem Gottesdienst beizuwohnen. Man konnte es denen, die
für das lange Wochenende aus der Hitze Roms ans Meer geflohen sind, allerdings nicht
übel nehmen: der Empfang, der Kardinal Woelki in seiner Titelkirche bereitet wurde,
war überaus warm, was nicht nur an der herzlichen Aufnahme durch die Gläubigen lag,
sondern auch an der Temperatur in der Kirche, die sogar den hitzegewohnten Römern
sichtlich zu schaffen machte.
In seiner Predigt, die der Kardinal zum Einstand
in der Pfarrei in italienischer Sprache gehalten hat, hat er Parallelen des Wirkens
des heiligen Johannes von Ars, dem die Kirche gewidmet ist, und den Herausforderungen,
vor denen die katholische Kirche heutzutage steht, gezogen. Die Initiative des Jahres
des Glaubens, das zeitgleich mit der 50-Jahrfeier zur Eröffnung des Zweiten Vatikanischen
Konzils am 11. Oktober beginnen wird, solle der gesamten Kirche zu einer geistlichen
Erneuerung, auch in Zeiten des teils religionsfernen Pluralismus verhelfen. Der heilige
Johannes von Ars hingegen habe durch seinen Lebenswandel und sein vollkommenes Aufgehen
in Gott das gelebte Glaubenszeugnis dargestellt und somit, allein durch sein Beispiel,
zur Missionierung in einem glaubensfernen Frankreich beigetragen. Lebe, was du glaubst!
Das sei die Aufforderung, die der Heilige in unsere Zeit hineinreichen lasse und die
jeden von uns betreffe. Die Hinwendung auf das „DU“, und in letzter Instanz auf Gott,
sei wesentlich für das Leben der Menschen, sei es im zwischenmenschlichen, oder sei
es im spirituellen Leben. Dabei dürfe es aber nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben,
sondern der Glaube müsse in einer Weise gelebt werden, dass die Botschaft des Evangeliums
aus jeder unserer Handlungen ablesbar sei. Nur so könne die Botschaft Christi tatsächlich
überzeugend überliefert werden. In deutscher Sprache gedachte er bei der Messe seines
am 30. Juni vor einem Jahr verstorbenen Vorgängers Georg Sterzinsky.
Nach der
Eucharistiefeier wurden Gastgeschenke ausgetauscht, und spätestens mit Kardinal Woelkis
kleiner frei gehaltener Rede auf Italienisch war die Gemeinde überzeugt, es hier mit
einem „Kardinal zum Anfassen“ zu tun zu haben. Dies bestätigte sich im Anschluss,
als die gesamte Gemeinde eingeladen war, im Pfarrsaal an einer Feier zu seinen Ehren
teilzunehmen. Gemeindemitglieder mischten sich mit den Gästen der deutschen Delegation,
und neue Kontakte und Freundschaften wurden angebahnt. Ich habe mit Chorleiterin Lia
gesprochen, deren Chor für die stimmungsvolle Untermalung des Gottesdienstes gesorgt
hat, und sie gefragt, was diese Aufführung für sie und ihren Chor bedeutet habe: „Es
war eine große Freude. Bei so einer wichtigen Gelegenheit, vielleicht der ersten,
die wir als Chor begleiten durften, geben wir wirklich alles. Wir waren mit Herz und
Seele dabei, um den Kardinal willkommen zu heißen.“ Auch die Messdiener vom Kölner
Dom haben es sich nicht nehmen lassen, ihrem ehemaligen Weihbischof hinterherzureisen
und bei der Inbesitznahme seiner Titelkirche dabei zu sein. Gereon Busch von der Gruppe
erzählte mir, warum sie hier seien: „Wir sind dem Kardinal Woelki noch aus seiner
Zeit als Weihbischof in Köln sehr verbunden, weil wir ihn sehr gemocht haben.“ Sie
hätten dabei fast ein wenig Mitgefühl mit dem Kardinal: „Weil es eine sehr große Aufgabe
ist, gerade in Berlin, in einem der wichtigsten Zentren…“ Don Marco hingegen ist
einfach nur stolz, dass gerade seine Kirche zur Titelkirche eines deutschen Kardinals
erhoben wurde. Er hofft, dass die Zusammenarbeit in Zukunft noch viel enger werde.
Um es mit den Worten der Chorleiterin Lia zu sagen: „Wir stehen bereit, um nach
Berlin zu kommen und diese Partnerschaft noch viel intensiver zu gestalten. Wir können
noch viel voneinander lernen!“ (rv 01.07.2012 cs)