D: “Zusammenarbeit zwischen Priestern und Laien entwickelt sich gut“
Priester sind unersetzlich
– und sie sind rar, gerade in Europa. Die vatikanische Bildungskongregation hat in
dieser Woche ein Dokument über Berufungspastoral für Priester veröffentlicht. In Europa
ist diese Berufungspastoral strukturiert, kreativ und aufwändig, aber „die erzielten
Ergebnisse entsprechen keineswegs dem enormen Einsatz“, heißt es in dem Dokument.
Dennoch sind auch Wachstumssignale vorhanden. Das bestätigt im Gespräch mit uns Franz
Joseph Baur, Regens des Münchner Priesterseminars und Vorsitzender der Regentenkonferenz
in Deutschland.
„Es wird viel getan, aber mit unterschiedlichem Erfolg. Auf
die Fläche hin zeigt die Statistik in Deutschland einen Rückgang, teilweise einen
Besorgnis erregenden Rückgang der Priesterberufungen. Aber wir übersehen auch nicht,
dass es hie und da interessante Ansätze gibt, wo Leute mit großer Begeisterung dabei
sind, kleine Kreise von Interessierten am Theologiestudium etwa, wo einige einen Schritt
weitergehen und auch ans Priesteramt denken. Was mir auch sehr gut gefällt an dem
Dokument und was ich bestätigen kann: Berufungen kommen auch aus den Missionar-auf-Zeit-Initiativen,
aus dem karitativen Engagement oder - meiner Erfahrung nach - aus der Kirchenmusik.“
Wieviele junge Männer in Deutschland, die eine Priesterausbildung beginnen,
werden heute Priester?
„Gut die Hälfte. Überraschend ist, dass die Quote
in etwa gleich bleibt. In meiner eigenen Studentenzeit in den 80er Jahren war es auch
so. Man könnte eigentlich denken, damals hätten manche Leute noch gewissermaßen mehr
ausprobiert, während heute die Anforderungen an die Professionalität sehr hoch sind,
und wer schon älter ist und noch keinen Beruf hat, hat Schwierigkeit auf dem Arbeitsmarkt
– und trotzdem ist es so, dass viele es einfach unternehmen und schauen, ob es passt.
Und diesen Spielraum, diese Freiheit, tut der ganzen Sache auch sehr gut. Deshalb
ist es nicht unbedingt ein Scheitern, wenn die kleinere Hälfte der Priestseramtskandidaten
am Ende doch etwas anders macht.“
In dem Dokument heißt es: Berufungsüberlegungen
sind an jene zu vermeiden, die von grundlegender menschlicher Schwäche gekennzeichnet
sind. Wie ist jemand, der grundlegende menschliche Schwächen hat, der sich also nicht
eignet für das Priesteramt?
„Da ist alles mögliche denkbar. Wenn es danach
aussieht, es brauche jemand das Amt, zum Beispiel die Autorität, die mit dem Amt verbunden
ist, um etwas zu überspielen, was er an natürlicher Autorität nicht hat; oder er braucht
das Amt, um einen Zugang zu den Menschen zu finden, die er von sich aus nicht finden
würde, weil er nicht so kontaktfreudig ist. Immer wenn es in diese Richtung läuft,
dass einer das Amt missbraucht, möchte ich sagen, um eine persönliche Schwäche zu
überspielen oder auszugleichen, dann wird es schief.“
Es sind u.a. gute
Priester, die quasi von selbst für Priesterberufungen sorgen, heißt es sinngemäß in
dem Dokument. Was müssen das für Priester sein, was tun sie, was sind sie, dass sie
Priesterberufungen unter jungen Männern quasi von selbst fördern?
„Das
müssen authentische und ehrliche Priester sein. Das ist das erste. Priester, die sich
nicht verstellen und verstecken, sondern, wie es auch im Dokument heißt: die Entwicklung
der Person in ihrer Ganzheit, also wirklich vollständige runde Persönlichkeiten. Das
ist nicht jemand, der irgendwo seine Nische gefunden hat und speziell in eine bestimmte
Frömmigkeit hineingeht, sondern es sind Persönlichkeiten, die vielseitig sind, die
menschlich überzeugen und natürlich auch eine gute Frömmigkeit an den Tag legen.“
Andererseits sind es überlastete Priester, die die Attraktivität des Priesteramtes
schmälern. Inwiefern können Sie das bestätigen?
„Wenn Priester überlastet
sind, merkt man das daran, dass sie schlecht reden von ihrem Arbeitsumfeld und den
Bedingungen, unter denen sie arbeiten müssen. Aber die allertüchtigsten Priester,
die noch mehr arbeiten, die reden nicht schlecht. Da gibt es auch eine Menge toller
Beispiele: Pfarrer, die große Pfarrverbände leiten oder andere sehr anspruchsvolle
Aufgaben haben, die dann aber trotzdem noch Gelegenheit haben, tiefe geistliche Vorträge
zu halten oder in ein Gespräch einzusteigen, vielleicht sogar ein Büchlein zu schreiben.
Arbeitslast und das Charisma des Priesterlichen widersprechen sich nicht unbedingt.”
Aus vielen Ortskirchen heißt es, junge Männer fühlen sich zwar manchmal
berufen, verschieben die Berufung aber auf eine unbestimmte Zukunft. Dafür gibt es
mehrere Gründe. Einer davon ist der Zölibat. Was genau ist das Problem: Dass die jungen
Männer glauben, dem nicht gewachsen zu sein? Oder dass der Zölibat heutzutage unter
Generalverdacht steht, Missbrauch durch Priester zu fördern?
„Das sind
sicher alles Faktoren. Nach meiner Erfahrung ist die Verschiebung die, dass die Leute
erst einmal unter dem Einfluss ihres Elternhauses sind und doch viele, auch christliche
Familien leider sagen, Junge, mach doch erst was Anständiges, was Vernünftiges, mach
doch was Sicheres. Dann trauen sich viele erst einmal nicht, den doch als groß empfundenen
Schritt ins Priesterseminar zu gehen. Aber zwei drei Jahre später, wenn sie etwas
studiert und sich ein wenig freigeschwommen haben von dem ersten Kreis der Familie,
zu dem sie gehören, und etwas selbständiger geworden sind, treffen sie auch eine selbständigere
Entscheidung, gehen nochmal zurück auf ihren Lebenstraum und melden sich doch noch
einmal im Priesterseminar.“
Und welche Rolle spielt heute der Zölibat bei
der Frage: soll ich Priester werden, ja oder nein?
„Wenn schon Priester,
dann richtig, und dann auch mit Zölibat. So würde ich die Mentalität der Seminaristen
heute beschreiben. Auf den Zölibat wird man immer als erstes angesprochen, und das
Stichwort ist einem manchmal lästig, oft aber kommt es einem gerade recht, um das
Nicht-Alltägliche, das ganz Besondere des Priesterberufs herauszustellen. Dass das
Thema aber mit solchen plakativen Positionierungen nicht erledigt ist, wissen alle.
Deshalb ist ein ehrlicher und großer Wunsch da, Hilfen für die persönliche Ausgestaltung
des zölibatären Lebens zu bekommen, geistliche Anleitung, auch psychologische Anhaltspunkte,
und, ganz wichtig, ein tragendes, solidarisches Umfeld. Die persönliche existentielle
Entscheidung für den Zölibat ist ein langer Prozess, auch nach der Priesterweihe noch.“
Das
Amtspriestertum ist der neuralgische und vitale Punkt für das Bestehen der Kirche.
Ist das nicht ein geradezu abschreckend großer Auftrag für einen jungen Mann, der
sich eventuell zum Priester berufen fühlt?
„Es steht aber genauso drin,
dass das Ganze in einer großen kirchlichen Gemeinschaft stattfindet. Das ist eine
der starken Seiten des Dokuments, dass die Kirchlichkeit der Berufung vom Anfang bis
zum Ende immer wieder aufscheint. Der Amtspriester steht nicht allein. Er ist unersetzlich,
ganz bestimmt, dafür gibt es den theologischen Grund der Christus-Repräsentanz, er
selbst leitet seine Kirche durch den geweihten Priester. Aber der Priester macht nicht
die Arbeit ganz allein – das soll und darf er gar nicht. Sondern er nimmt Teil an
der Sendung der ganzen Kirche, und die ist allen übertragen.“
Die Sendung
der Kirche ist allen übertragen: Nun betont aber das Dokument die Unterschiede zwischen
Priester und Laien und sagt, wo diese Unterschiede nicht gewahrt werden, da gehen
Berufungen zurück. Können Sie das bestätigen?
„Ich weiß, wie darüber gesprochen
wird, halte das aber für eine Sache, die vielleicht vor zehn Jahren [aktuell war];
man hat damals aktive Versuche unternommen zu sagen, nun, wenn wir keine Priester
haben, dann nehmen wir eben andere her und bringen die in Amt und Würden, dann machen
sie die Arbeit. Inzwischen habe ich den Eindruck, dass das besser austariert ist zwischen
den einzelnen pastoralen Diensten. Es ist heute eine bessere Zusammenarbeit da, sodass
etwa die Laientheologen, die wir zahlreich haben - aber auch wieder nicht so zahlreich,
wie wir sie brauchen könnten und haben wollten in der Kirche in Deutschland – zusammen
mit den anderen sehen, dann macht die Arbeit Spaß, dann geht es gut und dann ist es
wirklich kirchlich, wenn wir es zusammen mit den Priestern machen und wenn ein Pfarrer
da ist, der auch wirklich vorn steht, und wenn die Eucharistie in der Mitte des kirchlichen
Lebens steht. Diese Art von Zusammenarbeit hat sich meines Erachtens in den letzten
Jahren gut entwickelt.“
Ein Ausblick: Wie werden wir in zehn, 15 oder 20
Jahren dastehen mit den Priesterberufungen?
„Das Dokument spricht einmal
davon, dass neue kirchliche Situationen entstehen und eine neue kirchliche Struktur
sich bildet. Ich denke, das wird das Zukunftsszenario sein. Nicht, dass wir die gleichen
kirchlichen Strukturen haben und noch weniger Priester als jetzt, und dass wir ächzen
und sagen, der Priestermangel ist noch drückender geworden. Sondern bis dahin werden
auch verschiedene Maßnahmen gegriffen haben. Natürlich werden sich größere Einheiten
gebildet haben, aber diese größeren Einheiten werden auch ihre Art von Vitalität des
kirchlichen Lebens entwickelt haben, sodass also geistliche Zentren da sind, die auf
einmal auch wieder Wachstumspunkte sind, und um die herum sich Leute sammeln und für
den Glauben begeistern lassen. Das sind kirchliche Kristallisationspunkte, wo der
Glaube Freude macht und man gern dabei ist. Und dafür werden wir auch genug Priester
haben.“ (rv 29.06.2012 gs)