Weltflüchtlingstag am 20. Juni: „Wir dürfen uns nicht abschotten“
Die Finanz- und Wirtschaftskrise
darf nicht auf Kosten der Flüchtlinge und Migranten gehen. Daran erinnert im Interview
mit Radio Vatikan der Leiter des Internationalen Jesuitenflüchtlingsdienstes (JRS),
der Jesuit Pater Peter Balleis. Der diesjährige Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen,
der am 20. Juni begangen wird, ist politisch besonders brisant, so Pater Balleis.
Denn:
„Der Weltflüchtlingstag fällt dieses Jahr mit dem Treffen der
G-20-Gruppe, die aus den wohlhabenderen Ländern der Welt besteht, zusammen. Diese
Länder haben mit der Finanzkrise und all den anderen großen Themen natürlich ihre
eigenen Probleme. Und unsere Sorge ist nun die, dass, wenn die Mittel knapp werden
und Arbeitslosigkeit in den Geberländer herrscht, es dann die Ärmsten trifft, Migranten,
die ohne Papiere und besonders schutzlos und hilfsbedürftig sind. Unser Anliegen ist
es also, daran zu erinnern, dass diese Flüchtlinge nicht vergessen werden dürfen!“
Der
menschlichen Reaktion, sich in schwierigen Zeiten gegen das Leid anderer abzuschotten,
müsse entgegen gesteuert werden:
„Wenn die Mittel geringer und die Krisen
größer werden, ist die normale menschliche Tendenz, sich abzuschotten und die Grenzen
dicht zu machen. Man schaut zuerst auf sich selber und lässt dabei gewisse Werte durch
das Raster fallen. Am Ende löst man die Krise aber nicht mit dieser nur auf sich
bezogenen Haltung, weder als Land noch als Mensch. Wir lösen die Themen und großen
Probleme nur zusammen, indem wir eine menschliche Lösung finden. Dazu gehört auch,
dass wir nicht unsere Offenheit oder Gastfreundschaft denen gegenüber verlieren, die
Schutz brauchen. Das setzt man dann um in politischen Programmen wie Umsiedlungsprogrammen,
der Bereitschaft, den Flüchtlingen einen Status zu geben und so weiter.“
Der Jesuitenflüchtlingsdienst setze dabei darauf, eine „Kultur der Gastfreundschaft“
wiederzubeleben, so Pater Balleis weiter. Eine solche Kultur sei in den östlichen
– und ärmeren – Ländern durchaus vorhanden, so der Jesuit:
„Vor allem
Syrien hat im Zuge der Irakkrise vor sechs Jahren über eine Million irakische Flüchtlinge
aufgenommen, und die sind heute noch da. Es handelt sich hierbei um ein Land, das
selbst sicherlich nicht reich ist. Wir dürfen uns also manchmal ein Beispiel an anderen
Ländern nehmen, die ärmer sind und die nicht zu den G-20 gehören, die aber kulturell
– von ihrem Verständnis her – offensichtlich eine größere Offenheit gegenüber ihren
leidenden Mitmenschen haben. Das kann man beispielsweise im Irak und in Syrien beobachten.“
Deutschland
habe im Vergleich sicherlich eine Vorreiterrolle bei der Aufnahme von Flüchtlingen,
anerkennt Balleis. Er geht aber auch auf Probleme ein, die es in der deutschen Flüchtlingspolitik
nach wie vor gibt:
„Nicht alles ist in Ordnung, es gibt Menschen in
Abschiebehaft, es gibt Flüchtlinge, die mit normalen Strafgefangenen zusammen in Abschiebehaft
sind und die dort eigentlich nicht hingehören. Es gibt sicherlich einiges zu verbessern.
Dennoch muss man diese Großzügigkeit auch würdigen. Viele Flüchtlinge gehen eher von
den Süden in den Norden, wenn sie die Möglichkeit haben, da sie dort eher einen Status
erlangen werden und dann Hilfe bekommen.“
Der weltweite „Jesuit
Refugee Service“ wurde 1980 angesichts des Elends der vietnamesischen Bootsflüchtlinge
als internationale Hilfsorganisation gegründet; heute ist er mit etwa 1.200 Mitarbeitern
in über 50 Ländern vertreten. Der JRS begleitet und unterstützt Flüchtlinge und Migranten
und tritt für ihre Rechte ein. Der Weltflüchtlingstag wurde von Papst Benedikt XV.
angesichts des Flüchtlingselends des Ersten Weltkrieges im Jahr 1914 eingerichtet
und im Jahr 2000 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen auf das Datum
des 20. Juni festgelegt.