Griechenland: „Es muss gerecht nachverhandelt werden“
Griechenland hat gewählt: Für die Griechen ging es um nicht weniger als um die Entscheidung,
den Euro zu behalten oder aus der Währungsunion auszusteigen – in beiden Fällen mit
allen dazugehörigen Konsequenzen. Mit einer hauchdünnen Mehrheit hat nun die konservative
Partei Nea Dimokratia die Wahl für sich entschieden, was ein großes Aufatmen bei der
„Pro-Euro“-Fraktion zur Folge hatte. Jörg Schill war lange Jahre Pfarrgemeinderatsmitglied
in Athen. Nach der Wahl warnt er im Interview mit dem Domradio vor allzu großer Euphorie:
Zunächst einmal sei der Kelch des unberechenbaren Sammelsuriums linker Parteien unter
der Leitung von Alexis Tsipras zwar an den Griechen vorbei gegangen. Aber es sei noch
lange nicht gesagt, ob überhaupt ein regierungsfähiges Bündnis zustande kommen werde:
„Der
Vertreter der Sozialisten sagte erst gestern Abend noch, er müsse für eine Regierung
auch Tsipras mit seiner Partei dabei haben und das wurde dann nachher etwas widerrufen.
Und zum Zweiten bleibt ja doch das von stolzen 27,5% der Wahlberechtigten ausgedrückte
Unbehagen über das mit der Troika, also der Europäischen Kommission, der Zentralbank
und dem Währungsfonds ausgehandelte Memorandum. Das ist ja nicht nur eine griechische
Erscheinung, sondern das hat man mittlerweile auch in Frankreich, Spanien und Italien.
Die Stimmen werden lauter, die sagen, Sparen ist zwar gut, aber es reicht nicht allein,
um die Wirtschaft wieder auf die Beine zu bekommen und das Volk zur Arbeit zu kriegen.
Insofern hat ja auch Frau Merkel angefangen, darüber nachzudenken, ob nicht parallel
zum Sparen auch ein Aufbauprogramm, fast schon ein Marshallplan, angebracht wäre.“
Große Erwartungen richteten sich dabei auf eine Nachverhandlung der
Sparauflagen, so Schill weiter:
„Das will die griechische Regierung
wie andere Regierungen auch. Ich finde das auch angemessen, und das sage ich nicht
als ein ,Linker‘. Vielmehr, wenn man sich die Maßnahmen in diesem Memorandum anschaut,
dann sind diese doch sehr zu Lasten der ärmeren Schichten getroffen worden, während
die sogenannten Reichen immer Möglichkeiten haben, sich diesen zu entziehen.“
Die
Nachverhandlungen müssten also auch Gesellschaftsschichten, die bislang davon gekommen
seien, betreffen, um einen Rückhalt in der Bevölkerung zu erzielen:
„Die
Bevölkerung erwartet sich ein Nachverhandeln dieses Memorandums, damit nicht nur die
kleinen Leute mit Renten getroffen sind und deren Gehälter zusammengestrichen werden.
Sie erwarten, dass andere Formen gefunden werden, ein Sparprogramm durchzusetzen.
Da ist ja auch das immer noch sehr große Militärprogramm. Man fragt sich zurecht,
warum Griechenland ein Militärprogramm braucht, das fast so groß ist wie das im deutschen
Bundeshaushalt. Diese Themen müssen auf den Tisch und nachverhandelt werden.“