2012-06-18 14:53:06

Griechenland/Ägypten: Nach den Schicksalswahlen


RealAudioMP3 Mindestens zwei „Schicksalswahlen“ hatten wir an diesem Wochenende: Während die Wahlen in Frankreich ein zwar beachtliches Ergebnis für Hollande und seine Sozialisten brachten, war es doch im Grunde keine große Überraschung für die Wahlbeobachter, was hier passierte. Anders sieht es in zwei südlichen Ländern aus: Griechen und Ägypter waren aufgerufen, ihr neues Parlament bzw. ihren neuen Präsidenten zu wählen. Für die Griechen ging es um nichts weniger als um die Entscheidung, den Euro zu behalten oder aus der Währungsunion auszusteigen – in beiden Fällen mit allen dazugehörigen Konsequenzen. In Ägypten hingegen wurde zum ersten Mal demokratisch ein Staatsoberhaupt gewählt, und das in einem Klima eines enttäuschten arabischen Frühlings, der Angst vor der Rückkehr des Regimes oder der Etablierung eines Gottesstaates, und unter den wachsamen Augen des Militärs, das mittlerweile weitreichende Befugnisse des aufgelösten Parlaments übernommen hat.

Jörg Schill war lange Jahre Pfarrgemeinderatsmitglied in Athen. Nach der Wahl warnt er im Interview mit dem Domradio aber vor allzu großer Euphorie: Zunächst einmal sei der Kelch des unberechenbaren Sammelsuriums linker Parteien unter der Leitung von Alexis Tsipras zwar an den Griechen vorbei gegangen, aber es sei noch lange nicht gesagt, ob überhaupt ein regierungsfähiges Bündnis zustande kommen werde:

„Der Vertreter der Sozialisten sagte erst gestern Abend noch, er müsse für eine Regierung auch Tsipras mit seiner Partei dabei haben und das wurde dann nachher etwas widerrufen. Und zum Zweiten bleibt ja doch das von stolzen 27,5% der Wahlberechtigten ausgedrückte Unbehagen über das mit der Troika, also der Europäischen Kommission, der Zentralbank und dem Währungsfonds ausgehandelte Memorandum. Das ist ja nicht nur eine griechische Erscheinung, sondern das hat man mittlerweile auch in Frankreich, Spanien und Italien. Die Stimmen werden lauter, die sagen, Sparen ist zwar gut, aber es reicht nicht allein, um die Wirtschaft wieder auf die Beine zu bekommen und das Volk zur Arbeit zu kriegen. Insofern hat ja auch Frau Merkel angefangen, darüber nachzudenken, ob nicht parallel zum Sparen auch ein Aufbauprogramm, fast schon ein Marshallplan, angebracht wäre.“

Große Erwartungen richteten sich dabei auf eine Nachverhandlung der Sparauflagen, so Schill weiter:

„Das will die griechische Regierung wie andere Regierungen auch. Ich finde das auch angemessen, und das sage ich nicht als ein ,Linker‘. Vielmehr, wenn man sich die Maßnahmen in diesem Memorandum anschaut, dann sind diese doch sehr zu Lasten der ärmeren Schichten getroffen worden, während die sogenannten Reichen immer Möglichkeiten haben, sich diesen zu entziehen.“

In Ägypten stellt sich die Situation vielleicht noch komplizierter dar: Zwar scheint der Muslimbruder Mursi die Wahl zum Präsidenten gewonnen zu haben, unabhängige Wahlbeobachter sprechen aber von Unregelmäßigkeiten, und es ist noch lange nicht gesagt, ob das Militär wie versprochen die Macht abgeben wird. Die christliche Gemeinschaft hatte eher auf einen Sieg des Herausforderers Schafik gehofft, da die Befürchtungen groß sind, der „Wolf, der Kreide gefressen hat“ – wie es Pfarrer Schrödel von deutschsprachigen Gemeinde Kairo ausdrückte – , werde letztlich doch einen Gottesstaat mit weitreichenden Konsequenzen für die christliche Minderheit einrichten.
Der Bischof von Assiut und Administrator des Patriarchats von Alexandrien, Kyrillos William, ist im Gespräch mit Radio Vatikan noch vorsichtig: man müsse erst einmal abwarten, wie sich der vermeintliche neue Präsident äußern werde, bevor man Schlüsse ziehen könne. Diie endgültigen Wahlergebnisse werden für Donnerstag erwartet.

(rv 18.06.2012 cs)









All the contents on this site are copyrighted ©.