Österreich: Theologie-Dekanin für europaweite Diplom-Anerkennung
Die theologische Fakultät
der Universität Wien erhält erstmals eine Dekanin: Ab kommenden Herbst leitet die
deutsche Moraltheologin Sigrid Müller die Fakultät. In diesen Tagen war Müller in
Rom zu Besuch, da sie dem Wissenschaftlichen Beirat der Agentur Avepro des Heiligen
Stuhls angehört, die sich um die Qualitätssicherung der theologischen Fakultäten in
Europa kümmert. Im Gespräch mit Radio Vatikan bekundet die Moraltheologin ihren Willen,
die Theologie als Wissenschaft zu fördern:
„Das Interessante daran ist
für mich, dass es darum geht, einen Geist des Nachdenkens über das, was man an den
Fakultäten tut, gemeinsam zu erörtern und dadurch auch die Kreativität zu fördern,
wie man mit Ressourcen verantwortlich umgehen und die Lehre verbessern kann. Das Ziel
sollte sein, der Theologie als Wissenschaft in Europa einen hohen Stellenwert zu geben.“
Es
gebe viele Länder in Europa, in denen es keine theologischen Fakultäten an staatlichen
Universitäten gibt und in denen deshalb die Theologie-Abschlüsse nicht anerkannt werden.
Hier müsse es von Seiten der katholischen Kirche auch politische Initiativen geben,
die auf Europa-Ebene in Richtung allgemeine Anerkennung gingen, so Müller.
„Gerade
im Bildungskontext ist es für mich ein großes Anliegen, dass Bildung an den Universitäten
eben nicht nur Ausbildung für die Wirtschaft sein soll – so wichtig es ja auch ist
– sondern dass wir gebildete und kulturinteressierte Menschen für unsere Gesellschaft
brauchen, damit sie auch in Zukunft ein sinnvolles Leben ermöglichen. Und da kann
die Theologie einen wesentlichen Beitrag leisten. Deshalb ist aber auch die europäische
Dimension so wichtig.“
Österreich ist internationaler Standort
Die
theologische Fakultät an der Universität Wien ist vor allem in den Ostkirchen-Studien
gut aufgestellt, da sie – auch aus geographischen Gründen – ein Treffpunkt vieler
Studierender und Lehrender aus dem Osten ist. Aber auch der Blick auf die Situation
der katholische Kirche in Österreich geht an der Fakultät nicht verloren, so die designierte
Dekanin Müller. So ist auch die Pfarrer-Initiative ein Thema unter Studenten und Professoren.
„Es
gibt bei uns auch sehr lebhafte Diskussionen dazu. Die Fakultät versucht diesbezüglich
ein Forum anzubieten, bei dem man offen und auch mit unterschiedlichen Positionen
vertreten sein kann, um den wahren Dingen auf die Spur zu kommen. Das ist ja die Suche
nach den guten Gründen und nach der Wahrheit, die die Theologie eigentlich anstreben
sollte, und da versuchen wir für den Dialog in der Kirche ein Forum zu bieten.“
Durch
die zahlreichen Ausländer an der Fakultät gebe es eine internationale Ausrichtung
und bereichernde Diskussionen. Müller:
„Ich würde auch sagen, dass es
in Österreich eine sehr große Breite an theologischen Überzeugungen und Formen des
Christseins und des Katholischseins gibt, da hier aus historischen Gründen eine Mischung
von Kulturen zu finden ist. Das hat sicherlich mit der Zuwanderung vieler Migranten
aus benachbarten Ländern zu tun. Da gibt es eine besonders breite Mischung, die sich
eindeutig von der in Deutschland oder der Schweiz unterscheidet.“
Die
Rolle der Theologinnen
Die katholisch-theologische Fakultät an der
Universität Wien ist eine der ältesten theologischen Fakultäten im deutschsprachigen
Raum. Nur die Fakultät in Prag ist älter. 1384 erfolgte die kirchliche Anerkennung
durch Papst Urban VI.. 628 Jahre später wird nun erstmals eine Frau die Fakultät leiten.
„46
Prozent der Studierenden sind Frauen. Bei den 15 Dozierenden haben wir drei Professorinnen.
Wir sind somit ein leuchtendes Vorbild für andere theologische Fakultäten.“
Wissenschaftliches
Arbeiten hänge zwar nicht vom Geschlecht ab, betont Müller. Aber:
„...ich
glaube, dass der Blick auf die Welt und auf den Alltag manchmal einfach anders geprägt
ist. Dadurch können wir einfach eine Stimme mehr einbringen. Es gibt natürlich spezielle
wissenschaftliche Methoden, um beispielsweise aus feministischer Sicht an die Dinge
heranzugehen, aber bei mir ist es eher ein Ansatz der Hermeneutik, dass wir die Alltagserfahrung
einbringen – und in der Theologie vor allem den Glaubensalltag reflektieren. Da ist
es wichtig, dass auch die Frauen darin vorkommen.“