Von einer „beginnenden
Höllenfahrt“ spricht der Vatikanvertreter in Syrien, Erzbischof Mario Zenari, mit
Blick auf die jüngste Eskalation der Gewalt in Syrien. Die Vereinten Nationen veröffentlichten
in dieser Woche einen neuen Bericht zur Lage, in dem von Misshandlungen an Kindern
die Rede ist: Armee, Geheimdienste und die regimetreuen Schabiha-Milizen missbrauchten
Kinder als menschliche Schutzschilde, von körperlichen und sexuellen Übergriffen wird
berichtet, ein „beispielloses Maß“ habe die Gewalt gegen Kinder in Syrien erreicht.
In der vergangenen Woche war es in Hama erneut zu einem Massaker an Zivilisten gekommen,
bei dem auch viele Frauen und Kinder starben. Nuntius Zenari sagte im Gespräch mit
Radio Vatikan:
„Leider ist der Eindruck, den wir in diesem Moment haben
– ohne entscheiden zu wollen, ob man im technischen Sinn von einem Bürgerkrieg sprechen
kann – dass man vom menschlichen Gesichtspunkt aus durchaus von einer beginnenden
Höllenfahrt sprechen kann. Unser Schicksal liegt in der Hand Gottes, in den Händen
der Vorsehung.“
Die Internationale Gemeinschaft ringt derweil um einen
Ausweg aus der Krise; nach langer Zurückhaltung hatte Russland in dieser Woche im
Syrien-Konflikt die Initiative ergriffen und eine internationale Syrien-Konferenz
in Moskau angekündigt. Kritisch sehen das die USA, will Russland doch auch Syriens
Nachbar Iran mit am Verhandlungstisch wissen. Um den Syrien-Konflikt anzugehen, braucht
es Einheit, mahnt einmal mehr der Vatikan. Das ist die Internationale Gemeinschaft
den leidenden Menschen in Syrien schuldig, meint Erzbischof Zenari:
„Wenn
man beobachtet, was hier passiert, ist es schwierig, optimistisch zu bleiben. Wir
hoffen, dass die Internationale Gemeinschaft – wie es ja auch Kofi Annan häufig sagt
– mit einer Stimme sprechen kann. Dass sie jede der Konfliktparteien in die Defensive
drängen kann und dass es ihr gelingt, ich sage das nochmals, diese Höllenfahrt zu
bremsen.“
Die Situation in Syrien ist komplex, umso wichtiger ist genaues
Hinschauen und exakte Schilderung der Lage, so Zenari weiter. Zu Berichten, dass nun
Christen verstärkt zu Angriffszielen würden, sagte der Vatikanvertreter:
„Man
weiß nicht, was die Zukunft Syrien bringen wird, den verschiedenen Ethnien und insbesondere
den Christen. Wir müssen sehr sehr wachsam sein. Bis zum heutigen Tage würde ich sagen,
dass die Christen das traurige Schicksal aller syrischen Bürger teilen: Sie sind unter
Beschuss wie alle anderen auch, besonders in Homs und anderen Hochburgen. Ich würde
nicht sagen, dass es ihnen gegenüber eine besondere Diskriminierung oder sogar Verfolgung
gibt. Man muss darauf achten, die wahren Tatsachen zu betrachten. Ich wäre vorsichtig,
die Situation der Christen zum jetzigen Zeitpunkt mit der der Christen in den umliegenden
Ländern zu vergleichen. Manchmal wird sie auch mit dem Irak verglichen, aber da gibt
es wenig zu vergleichen.“
Dabei sei es gerade die Mission der Christen,
zu versuchen, eine Brücke zu schlagen und so ein irreparablen Bruch zwischen den Parteien
zu verhindern. Zenari:
„In diesem Moment agieren sie unter sehr widrigen
Umständen, wie beispielsweise in Homs und in anderen Orten, wo wir Priester und Ordensleute
haben, die sich beispielhaft benehmen und sogar ihr Leben aufs Spiel setzen. Sie versuchen
zu vermitteln, um einen Waffenstillstand zu erreichen und Menschen aus der Stadt zu
schaffen: Frauen, Kinder, alte Menschen. Wir haben sehr schöne und leuchtende Beispiele.
Sollte es ein Morgen mit einer Öffnung der Demokratie gegenüber geben, muss die Gelegenheit
beim Schopf gepackt werden, um mit politisch und kulturell gebildeten Menschen etwas
auf Grundlage der Soziallehre der Kirche, deren Prinzipien sehr geschätzt sind, aufzubauen:
Die Menschenwürde, die grundlegenden Freiheiten, die Menschenrechte… Das wird die
Gelegenheit sein, ein neues Syrien zu gestalten, und die Gelegenheit für die Christen,
einen wichtigen Beitrag zu leisten. Ohne diesen Beitrag wäre Syrien wesentlich ärmer.“