„Getauftsein ist kein Akt des Ich, sondern Verbundensein mit anderen”
Durch die Taufe werden
wir „in den Namen Gottes mit hineingeschrieben“: Das sagte Papst Benedikt XVI. am
Montag Abend in einer frei gehaltenen Betrachtung. In seiner Bischofskirche, San Giovanni
in Laterano, eröffnete er einen Pastoralkongress des Bistums Rom. Dabei kreiste seine
„Lectio divina“ um das Thema Taufe.
„Wenn die Taufe bedeutet, dass wir
mit Gott verbunden werden, dass wir mit einer einzigen, neuen Existenz zu ihm gehören,
dann bedeutet das: Gott ist für uns nicht weit entfernt, wir brauchen nicht darüber
zu diskutieren, ob es ihn gibt oder nicht. Wir sind in Gott, und Gott ist in uns.
Der Vorrang, die Zentralität Gottes in unserem Leben ist eine erste Konsequenz der
Taufe. Auf die Frage „Gibt es Gott?“ lautet die Antwort: „Es gibt ihn, er ist mit
uns, er ist der Mittelpunkt unseres Lebens – kein ferner Stern, sondern das Ambiente
meines Lebens.“
Das heiße dann gleichzeitig: „Wir machen uns nicht selbst
zu Christen“, so der Papst. „Christwerden ist nicht eine Entscheidung, die ich treffe
– auch wenn natürlich meine Entscheidung mit dazukommen muss.“ Stattdessen sei es
„ein Handeln Gottes mit mir“, bei dem der Mensch „sozusagen passiv“ bleibe – genauso
wie der Mensch sich ja auch nicht selbst zur Welt bringe, sondern das Leben als Geschenk
empfange.
„Ein weiteres Element, das sich in dieser Vision gleich auftut,
ist dass wir durch unser Eintauchen in Gott auch mit unseren Brüdern und Schwestern
verbunden sind. Denn in Gott sind auch alle anderen, und wenn ich aus meiner Isolation
herausgezogen und in Gott eingetaucht werde, dann werde ich in die Gemeinschaft mit
den anderen eingetaucht. Getauft sein ist niemals ein einsamer Akt des Ich, sondern
immer ein Verbundensein mit allen anderen.“
Die erste Etappe
der Auferstehung Verbundensein mit allen – das meine die Verbundenheit
mit den Lebenden und den Verstorbenen. /*Wer bei der Taufe in Gottes Namen hineingeschrieben
worden sei, der habe Anteil am ewigen Leben. Taufe sei in dieser Sicht „eine erste
Etappe der Auferstehung“, so Benedikt XVI., ein „Hineingehen in das unzerstörbare
Leben Gottes“. Die Weite, die sich durch die Taufe öffne, werde durch etwas Materielles
symbolisiert, durch Wasser nämlich. Das sei „sehr wichtig“:
„Das Christentum
ist nicht etwas rein Spirituelles, nur Subjektiv-Gefühlsmäßiges, sondern eine kosmische
Realität. Gott ist der Schöpfer der ganzen Materie, die Materie gehört also zu unserem
Glauben: Der Körper gehört zu unserem Glauben, weil Gott uns in die Realität des ganzen
Kosmos hineinfügt. Mit dem Wasser, einem materiellen Element, kommt nicht nur ein
Stück Kosmos (in die Taufe) hinein, sondern auch die Symbolik der Religionen. In allen
Religionen nämlich hat das Wasser etwas zu sagen. Der Weg der Religionen, diese Suche
nach Gott, die auf verschiedene Arten verläuft – auch auf verkehrte Art und Weise,
aber das bleibt dann doch eine Suche nach Gott – wird im Sakrament angenommen. Die
anderen Religionen mit ihrem Weg zu Gott hin sind präsent, werden angenommen, und
so wird eine Weltsumme gezogen. Die ganze Suche nach Gott, die sich in den Symbolen
der Religionen ausdrückt, wird da anwesend.“
Wider die Kultur
des Scheins Neben dem Wasser, so Benedikt XVI. weiter, spielt auch das
Wort eine große Rolle beim Sakrament der Taufe. Zunächst die sogenannten Widersagungen:
Widersagst du dem Bösen und all seinen Verlockungen? In der Urkirche habe die entsprechende
Formel lange gelautet „Widersage dem Pomp des Teufels“, so der Papst. Das sei einerseits
auf grausame Spektakel wie etwa im Kolosseum gemünzt gewesen, andererseits aber auch
„auf eine Art Kultur, von Lebensstil, bei dem nicht die Wahrheit zählt, sondern der
Schein, wo man nicht die Wahrheit sucht, sondern den Effekt, die Sensation, und wo
man unter dem Alibi der Wahrheit in Wirklichkeit Menschen zerstört und selbst als
Sieger erscheinen will“.
„Ich lasse jeden von euch jetzt einmal nachdenken
über diesen Pomp des Teufels, über diese Kultur, zu der wir Nein sagen. Getauft sein
heißt vor allem, sich emanzipieren, sich befreien von dieser Kultur. Wir kennen auch
heute eine Art Kultur, in der die Wahrheit nicht zählt, auch wenn man sich auf sie
beruft; nur die Sensation zählt, die Verleumdung und die Zerstörung. Eine Kultur,
die nicht das Gute sucht, deren Moralismus nur eine Maske ist, in der die Lüge als
Wahrheit und Information verkleidet auftritt. Zu dieser Kultur sagen wir Nein! Die
Taufe und ihr Weg, der unser ganzes Leben dauert, ist genau dieses Nein, das jeden
Tag erneuert wird, auch unter Opfern.“
Glauben ist eine Art zu
leben Eine weitere Frage aus dem Taufritus, über die der Papst laut nachdachte:
Widersagt ihr der Sünde, um in der Freiheit der Kinder Gottes leben zu können? In
unserer heutigen Kultur gelte das Christentum vielen als eine Religion der Regeln;
Freiheit bedeute dann, sich von diesen Regeln zu lösen. Aber das sei keine wirkliche
Freiheit, so Benedikt XVI., vielmehr sei es das Eingehen von „Sklaverei, Abhängigkeit
von so vielen Diktaturen unserer Zeit, denen man sich unterwerfen muss, um auf der
Höhe der Zeit zu gelten“. Neben den Widersagungen kenne der Taufritus aber auch die
positive Kehrseite: das Bekenntnis zum Glauben, und zwar in Frage-Antwort-Form.
„Die
positive Formel der Taufe ist auch ein Dialog, nicht nur eine Formel. Vor allem aber
ist das Bekenntnis des Glaubens nicht nur etwas Verstandesmäßiges, etwas, das man
auswendig lernt – es rührt vor allem an unsere Art zu leben. Und das scheint mir sehr
wichtig. Es ist nicht eine intellektuelle Sache, sondern ein Gespräch Gottes mit uns,
sein Handeln an uns, und unsere Antwort; es ist ein Weg. Erst wenn wir Christus wirklich
als Weg begreifen, können wir auch seine Wahrheit verstehen. Eine Wahrheit, die man
nicht lebt, erschließt sich nicht. Erst als Lebensstil ist sie wirklich Wahrheit in
all ihrem Reichtum und ihrer Tiefe.“
Benedikt ging in seiner Meditation
auch auf die Frage der Kindstaufe ein: Ist es denn wirklich richtig, so fragte er,
schon Neugeborene zu taufen „und ihnen damit unsere Religion aufzuerlegen“? „Sollten
wir diese Entscheidung nicht unserem Kind selbst überlassen?“
„Diese Fragen
zeigen, dass wir im christlichen Glauben nicht mehr das neue Leben, den neuen Weg
sehen, sondern eine Entscheidung unter anderen, sogar eine Last, die man einem anderen
nicht ohne dessen Zustimmung auferlegen möchte. Die Realität ist eine andere. Das
Leben selbst wird uns geschenkt, ohne dass man uns groß um unsere Erlaubnis fragen
würde. Und wenn wir da mal fragen „Ist das eigentlich gerecht, so Kinder auf die Welt
zu bringen, ohne dass sie vorher Ja oder Nein dazu sagen können“ – dann antworte ich:
Es ist möglich und gerecht nur dann, wenn wir zusammen mit dem Leben auch die Garantie
geben, dass das Leben trotz aller Probleme auf der Welt gut ist, lebenswert ist, von
Gott beschützt wird. Nur ein Vorschuß an Sinn rechtfertigt den Vorschuß an Leben.
Und es ist die Taufe, die diese Garantie bietet. Nur das Leben, das in den Händen
Gottes ruht und eingeschrieben ist in seinen Namen, ist wirklich ein Gut, das man
einem anderen ohne Skrupel geben kann.“