Nigeria: Boko Haram-Sympathisanten bis in höchste Regierungskreise
Erneut hat die Terrorsekte
Boko Haram in Nigeria am Wochenende christliche Einrichtungen angegriffen. Der Erzbischof
von Jos, Ignatius Kaigama, versteht, dass die Menschen nun Angst haben, zu den Gottesdiensten
in die Kirche zu gehen. Das sagte er im Interview mit Radio Vatikan. Die blutigen
Attentate vom Wochenende, bei denen mehrere Todesopfer und zahlreiche Verletzte (man
spricht von 8 Toten und 50 Verletzten) zu beklagen sind, seien von der Terrororganisation
Boko Haram in den Städten Biu und Jos ausgeführt worden. Die Kommissarin für Außen-
und Sicherheitspolitik der EU, Catherine Ashton, verurteilte das Vorgehen der Terroristen
und versicherte, die Zusammenarbeit mit Nigeria sei weiter sehr eng. Die christlichen
Minderheiten in den Subsahara-Ländern seien vor allem über die wachsenden Versuche
der Islamisierung, wie sie von Extremistengruppen in Ländern wie Niger, Mali und Nigeria
vorangetrieben wird, besorgt.
„Es herrscht nach wie vor große Sorge, denn
sobald wir denken, die Dinge beruhigten sich etwas, passiert wieder etwas Schreckliches.
Die zivilen Autoritäten sagen, dass die Probleme in Kürze gelöst werden, aber die
gleichen Dinge passieren immer wieder. Letzte Woche haben wir ein nationales Gebet
für alle Katholiken in Nigeria abgehalten. Wir denken, dass das Gebet das Stärkste
in diesem Moment sei. Wir haben auch Sicherheitsdienste, aber meiner Meinung nach
machen sie sehr wenig. Sie müssen herausfinden, wer diese Personen sind, woher sie
kommen, woher sie das Geld nehmen, welche Autos und Bomben sie nutzen. Bislang gab
es keine Fortschritte.“
Achim Brick lebt in Nigeria, er arbeitet für das
katholische Hilfswerk Misereor und sieht die Schwierigkeiten der Regierung, der Terrorgruppe
Herr zu werden, auch darin, dass sie keine homogene Bewegung sei:
„Die
Regierung kann die Sicherheit nicht gewährleisten. Ich schätze es so ein, dass die
Regierung mehr oder weniger hilflos ist, denn Boko Haram ist unsichtbar, spricht mit
verschiedenen Sprachen und hat verschiedene Sichtweisen. Der Regierung wurde von westlicher
Seite, insbesondere von den Amerikanern, geheimdienstliche Unterstützung angeboten,
und die Nigerianer haben das eher abgelehnt.“
Dabei spielen wohl recht
undurchsichtige Verflechtungen im nigerianischen Machtapparat eine nicht unbedeutende
Rolle:
„Die Vermutung ist auch, dass die Regierung und der Präsident selber,
der ja ein Teil des politischen Apparates ist, dort nicht so agieren kann, wie er
das vielleicht möchte, denn es gibt sich verdichtende Hinweise darauf, dass die Boko
Haram Unterstützung von nördlichen Politikern, sogar Gouverneuren, bekommen. In einem
komplexen Land wie Nigeria ist es nicht ohne weiteres möglich, diese anzugreifen.
Der Präsident kann zwar bellen, aber er kann nicht zubeißen. Vor nicht allzu langer
Zeit hat der Präsident gesagt, potentielle Boko Haram Anhänger und Sympathisanten
seien im engsten Kreis seiner Regierung und es ist zu vermuten, dass da Dinge im Sumpf
der Korruption und der unterschiedlichen Interessenslagen versickern und einfach aufweichen.“
Auch
die Sicherheitskräfte seien der Regierung gegenüber nicht immer loyal. Besonders besorgniserregend
sei aber, dass Boko Haram wohl immer mehr Sympathisanten um sich schare:
„Auf
dem letzten Sicherheitsmeeting der deutschen Botschaft wurde gesagt, dass Boko Haram
eine richtig große Bewegung werden könnte, denn sie hätten Zulauf. Viele Bürger des
Landes sind schwer verbittert darüber, dass die Regierung zu wenig tue, im Sinne von
Arbeitsplatzschaffung, Verbesserung der Infrastruktur und des Gesundheitswesens. Da
passiert nichts. Von daher hat Boko Haram durchaus Zulauf von potentiellen Sympathisanten,
auch wenn sie mit dem Bomben und Töten natürlich andererseits negative Gefühle hervorrufen.“