Pakistan: Keine staatliche Verfolgung, aber Intoleranz gegen Christen
Ein differenziertes Bild der Situation in Pakistan hat der Erzbischof von Karachi,
Erzbischof Joseph Coutts, bei einem Vortrag in Wien gezeichnet. In seinem Land gebe
es zwar keine staatlich organisierte Verfolgung der christlichen Minderheit, aber
wachsende Intoleranz, sagte der Erzbischof, der zugleich der Vorsitzende der Pakistanischen
Bischofskonferenz ist. Die Christen müssten in einem ständigen „Zustand der Spannung"
leben, insbesondere im Hinblick auf die sogenannten "Blasphemie-Gesetze".
Als
Britisch-Indien 1947 in die Unabhängigkeit entlassen und geteilt wurde, habe Staatsgründer
Mohammed Ali Jinnah für das neue Pakistan eine moderne Demokratie mit einer Verfassung
gewollt, die Religionsfreiheit und Gleichheit für alle Bürger vorsieht. Die islamistischen
Parteien dagegen würden jetzt einen theokratischen Staat anstreben, in dem die Christen
auf den Status von Bürgern zweiter Klasse herabgestuft werden, als „Dhimmis" (Schutzbefohlene),
die eine Sondersteuer zahlen müssen, wie es der Scharia entspricht. „Aber wir verteidigen
unsere Rechte", betonte der Vorsitzende der Pakistanischen Bischofskonferenz.
Der
entscheidende Islamisierungsschub sei während der Militärdiktatur von 1977 bis 1988
erfolgt, unterstrich Erzbischof Coutts. Die damalige Politik habe sich das Wohlwollen
der islamistischen Gruppen durch die Einführung entsprechender Gesetze erkauft. Auch
wenn Pakistan jetzt keine Rechtsordnung wie Saudiarabien habe, seien seit damals einige
islamische Gesetze eingeführt worden, die Christen und andere Angehörige religiöser
Minderheiten, aber auch die Frauen benachteiligen. Vor Gericht gelte etwa das Zeugnis
eines Christen oder einer Frau weniger als das Zeugnis eines muslimischen Mannes.
Im Pass werde das Religionsbekenntnis vermerkt.
Insbesondere aber seien die
sogenannten „Blasphemie-Gesetze" eingeführt worden, denen zufolge auf Beleidigung
des Propheten Mohammed die Todesstrafe steht, während Schändung des Korans mit lebenslanger
Haft bestraft wird. Das derzeit bekannteste Beispiel des Missbrauchs dieser Gesetze
sei der Fall der Landarbeiterin und fünffachen Mutter Asia Bibi, die auf Grund der
Beschuldigungen durch Arbeitskolleginnen in erster Instanz zum Tod verurteilt wurde.
Die Kommission für Gerechtigkeit und Frieden der katholischen Kirche in Pakistan
bemühe sich derzeit, in der nächsten Instanz eine Aufhebung des Urteils zu erreichen.
Pakistanische Offizielle versicherten zwar immer wieder, es sei noch niemand wegen
des Blasphemie-Paragraphen hingerichtet worden. Allerdings wurden bisher rund 30 Beschuldigte
auf der Straße oder auf dem Transport vom Gefängnis zum Gericht von „Unbekannten"
ermordet, erinnerte Erzbischof Coutts.
Islamisten: Von Saudiarabien und USA
ausgebildet
Wesentlichen Anteil an der Islamisierungswelle hätten die Ereignisse
ab dem Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan 1980 gehabt. Damals sei der Westen
entschlossen gewesen, „auch mit dem Teufel zu paktieren", um den Vormarsch des Kommunismus
zum Persischen Golf zu stoppen. Tausende junge Muslime aus Pakistan seien damals mit
saudiarabischem Geld und amerikanischen Waffen zum Kampf gegen die Rote Armee ausgebildet
worden. Als diese Glaubenskämpfer nach Pakistan zurückkehrten, hätten sie auch dort
eine islamistische Ordnung durchsetzen wollen.
In Pakistan gibt es rund drei
Millionen Christen, je rund 50 Prozen Katholiken und Angehörige der United Church
of Pakistan. Christlie Gotteshäuser, Seminare, Schulen, Krankenhäuser und karitative
Einrichtungen sind in Pakistan zahlreich vorhanden, betonte der Erzbischof von Karachi.
Der Nachwuchs an geistlichen Berufungen sei gut. Die christlichen Schulen hätten einen
hervorragenden Ruf, viele Muslime schickten ihre Kinder in diese Einrichtungen; so
habe auch Ministerpräsident Youzef Gilani seine Schullaufbahn bei den Schulbrüdern
absolviert.
Allerdings gebe es jetzt zunehmend auch Moschee-Schulen und einen
Trend zum Studium in Saudiarabien, von wo die jungen Leute mit „wahabitischen Vorstellungen"
zurückkommen, also beispielsweise ein Bildungsverbot für Frauen fodern oder Musik
und Tanz verbieten. Die belaste das Miteinander zwischen muslimischer Mehrheit und
den Minderheiten weiter, berichtete der Erzbischof.
Ein belastender Faktor
sei auch die in Pakistan - wie in anderen muslimisch geprägten Gesellschaften - selbstverständliche
Gleichsetzung zwischen dem Westen und dem Christentum, betonte Erzbischof Coutts.
Da gebe es dann etwa die Idee, „die Christen" hätten den Irak oder Afghanistan angegriffen
oder sie würden „gemeinsam mit den Zionisten" die Palästinenser unterdrücken. Muslimische
Pakistani, die in den Westen reisen, hätten zudem den Eindruck, die Christen hätten
„keine Moral mehr". All dies führe zu vielen Missverständnissen und Vorurteilen auf
muslimischer Seite. (kap 10.06.2012 gs)