Heute Abend möchte ich mit euch
über zwei miteinander verbundene Aspekte des eucharistischen Geheimnisses meditieren:
Der eucharistische Verehrung und seine Sakralität. Es ist wichtig, diese beiden Aspekte
zu überdenken, um sie vor einem unvollständigen Verständnis des eigentlichen Mysteriums
zu bewahren, so wie es in letzter Zeit beobachtet werden konnte.
Zunächst
eine Reflexion über den Wert der eucharistischen Verehrung, besonders der Anbetung
des allerheiligsten Altarsakraments. Wir werden sie auch an diesem Abend wieder erleben
nach der Messe und bei der Prozession, vor ihrem Beginn, bei ihrem Vollzug und an
ihrem Ende. Eine einseitige Interpretation des II. Vatikanischen Konzils hat die Dimension
der Verehrung vernachlässigt und die Eucharistie praktisch auf den eigentlichen Vollzug
in der Feier reduziert. Tatsächlich ist es sehr wichtig gewesen, die Zentralität des
Vollzugs der Feier anzuerkennen, in der der Herr sein Volk ruft und es um den zweifachen
Tisch des Wortes und des Brot des Lebens versammelt, es nährt und mit sich vereint
in der Opfergabe. Diese Wertschätzung der liturgischen Feiergemeinschaft, in der der
Herr wirkt und sein Geheimnis der Gemeinschaft verwirklicht, bleibt natürlich gültig,
aber sie muss wieder in das rechte Gleichgewicht gerückt werden. Denn um einen Aspekt
zu betonen wird – wie so oft – ein anderer aufgegeben. In diesem Fall ist die Betonung
des Feiervollzugs der Eucharistie auf Kosten der Anbetung gegangen, die ein Akt des
Glaubens ist und ein Akt des Gebets zum Herrn Jesus, der wirklich gegenwärtig ist
im Sakrament des Altars. Dieses Ungleichgewicht hat auch Rückwirkungen auf das geistliche
Leben der Gläubigen. Indem die ganze Beziehung mit dem eucharistischen Jesus allein
auf den Augenblick der Heiligen Messe konzentriert wurde, riskiert man die restliche
Zeit und die existenziellen Räume seiner Gegenwart zu entleeren. Und so nimmt man
weniger die ständige Gegenwart Jesu mitten unter uns und mit uns wahr, eine konkrete,
nahe Präsenz, in unsern Häusern, als „pulsierendes Herz“ der Stadt, des Landes, der
Region mit ihren verschiedenen Vollzügen und Aktivitäten. Das Sakrament der Liebe
Christi muss unser ganzes Leben durchdringen.
In Wirklichkeit ist es falsch,
die Feier und die Anbetung als Gegensätze anzusehen als würden beide in Konkurrenz
zueinander stehen. Es ist genau andersherum: Die Verehrung des Allerheiligsten Sakraments
schafft gleichsam das geistliche „Ambiente“ in dem eine Gemeinde gut und in wahrhaftiger
Weise die Eucharistie feiern kann. Nur wenn ihr diese innere Haltung des Gebets und
der Anbetung vorangeht, sie begleitet und ihr folgt, kann die liturgische Handlung
ihren vollen Sinn und Wert ausdrücken. Die Begegnung mit Jesus in der Heiligen Messe
vollzieht sich wahrhaftig und in vollständiger Weise, wenn die Gemeinschaft erkennt,
dass Er im Sakrament gegenwärtig ist in seinem Haus, dass er uns erwartet, dass er
uns an seinen Tisch einlädt und – wenn die Versammlung sich aufgelöst hat – Er bei
uns bleibt mit seiner diskreten und stillen Präsenz und uns begleitet durch seine
Fürsprache und auch weiterhin unsere geistlichen Opfer sammelt, um sie dem Vater darzubringen.
In
diesem Zusammenhang möchte ich auf die Erfahrung hinweisen, die wir auch heute Abend
gemeinsam machen werden. Im Augenblick der Anbetung stehen wir alle auf derselben
Stufe, auf Knien vor dem Sakrament der Liebe. Das allgemeine Priestertum und das Amtspriestertum
sind miteinander vereint bei der Verehrung der Eucharistie. Es ist eine sehr schöne
und bezeichnende Erfahrung, die wir mehrfach in der Petersbasilika erlebt haben, aber
auch in den unvergesslichen Vigilfeiern mit Jugendlichen – ich erinnere beispielsweise
an die in Köln, London, Zagreb, Madrid. Es ist für alle offensichtlich, dass diese
eucharistischen Vigilfeiern auf die Feier der Heiligen Messe vorbereiten: sie bereiten
die Herzen vor auf die Begegnung, damit diese fruchtbarer sei. Gemeinsam für eine
längere Zeit in Stille vor dem im seinen Sakrament gegenwärtigen Herrn zu verharren,
ist eine der authentischsten Erfahrungen unseres Kircheseins. Diese wird begleitet
und ergänzt durch die Feier der Eucharistie, durch das Hören auf das Wort Gottes,
singend und gemeinsam an den Tisch des Brot des Lebens tretend. Kommunion und Kontemplation
können nicht getrennt werden, sie gehören zusammen. Um wirklich mit einer anderen
Person zu kommunizieren, muss ich sie kennen, muss ich in Stille bei ihr bleiben können,
auf sie hören und in Liebe anschauen können. Die wahre Liebe und die wahre Freundschaft
leben immer von diesem wechselseitigen Blick, von intensivem Schweigen, das zugleich
beredt ist und mit großem Respekt und in Verehrung, sodass die Begegnung in tiefgehender
Weise erlebt werden kann, persönlich und nicht oberflächlich. Wenn diese Dimension
fehlt, kann leider auch der eigentliche sakramentale Kommunionempfang unsererseits
eine oberflächliche Geste werden. In der wahren Kommunion hingegen, die vorbereitet
worden ist durch das Zwiegespräch des Gebets und des Lebens, können wir dem Herrn
Worte des Vertrauens sagen, wie sie eben im Antwortspsalm erklungen sind: „Ich Herr,
ich bin doch dein Knecht, dein Knecht bin ich, der Sohn deiner Magd. Du hast meine
Fesseln gelöst. Ich will dir ein Opfer des Dankes bringen und anrufen den Namen des
Herrn.“ (Ps 116 (115), 16-17)
Nun würde ich gerne kurz auf den zweiten Aspekt
zu sprechen kommen: Die Sakralität der Eucharistie. Auch hier haben wir in jüngster
Vergangenheit ein gewisse Fehldeutung der authentischen Botschaft der Heiligen Schrift
erlebt. Die Neuheit des Christentums bezüglich der kultischen Verehrung ist beeinflusst
worden von einer gewissen verweltlichten Mentalität der sechziger und siebziger Jahre
des vergangenen Jahrhunderts. Es ist wahr und es wird immer wahr bleiben, dass die
Mitte des Kultes nicht mehr die Riten und die Opfer der Vorzeit sind, sondern Christus
selbst, mit seiner Person, mit seinem Leben, mit seinem österlichen Geheimnis. Gleichwohl
darf man von dieser fundamentalen Neuheit nicht schließen, dass es das Heilige nicht
mehr gibt, sondern dass es seine Erfüllung in Christus gefunden hat, der fleischgewordenen
göttlichen Liebe. Der Brief an die Hebräer, den wir heute Abend in der zweiten Lesung
gehört haben, spricht zu uns von eben dieser Neuheit des Priestertums Christi, des
„Hohenpriesters der künftigen Güter“ (Hebr 9,11), aber er sagt nicht, dass das Priestertum
zu Ende wäre. Christus ist „Mittler eines neuen Bundes“ (Hebr 9,15), geschlossen in
seinem Blut, das „unser Gewissen von toten Werken reinigt“ (Hebr 9,14). Er hat den
das Heilige nicht abgeschafft, sondern er hat es zur Vollendung geführt und einen
neuen Kult errichtet, der vollends geistlich ist, der sich aber dennoch der Zeichen
und Riten bedient, solange wir noch unterwegs sind in der Zeit, und der erst an eine
Ende kommen wird im himmlischen Jerusalem, wo es keinen Tempel mehr geben wird (vgl.
Offb 21,22). Christus sei Dank ist die Sakralität wahrer, intensiver und – wie bei
den Geboten – auch fordernder! Es reicht nicht, die Riten zu beachten, sondern es
ist eine Reinigung des Herzens nötig und die Miteinbeziehung des ganzen Lebens.
Ich
möchte auch unterstreichen, dass das Heilige eine erzieherische Funktion hat und dass
sein Verschwinden unvermeidlich auch die Kultur verarmen lässt, besonders bei der
Heranbildung der neuen Generationen. Wenn beispielsweise im Namen eines verweltlichten
Glaubens, der keine heiligen Zeichen mehr zu brauchen meint, diese städtische Fronleichnamsprozession
abgeschafft würde, das spirituelle Profil Roms wäre verflacht und unser persönliches
und gemeinschaftliches Gewissen würde geschwächt sein. Oder denken wir an eine Mutter
oder einen Vater, die im Namen eines entsakralisierten Glaubens ihre Kinder jeglicher
religiöser Ritualität berauben würden: In Wahrheit würde das dazuführen, das Feld
den vielfältigen Surrogaten zu überlassen, die es in der Konsumgesellschaft gibt,
anderen Riten und anderen Zeichen, die leicht zu Götzen werden können. Gott unser
Vater hat die Menschheit nicht so geschaffen: Er hat seinen Sohn in die Welt gesandt,
nicht um das Heilige abzuschaffen, sondern auch ihm seine Erfüllung zu schenken. Auf
dem Höhepunkt dieser Sendung, beim letzten Abendmahl, hat Jesus das Sakrament seines
Leibes und seines Blutes eingesetzt, die Gedächtnisfeier seines österlichen Opfers.
In dem er dies getan hat, hat er sich an dies Stelle der alten Opfer gesetzt, aber
er tat dies im Rahmen eines Ritus, den zu wiederholen er seinen Aposteln aufgetragen
hat als höchstes Zeichen des wahrhaft Heiligen, der er selber ist. In diesem Glauben,
liebe Brüder und Schwestern, feiern wir heute und jeden Tag das eucharistische Geheimnis
und wir beten es an als die Mitte unseres Lebens und als Herz der Welt. Amen.
Arbeitsübersetzung
des italienischen Originals durch Radio Vatikan.