2012-06-07 11:13:57

Kardinal Sodano: „Verfälschende Optik“


Der Dekan des Kardinalskollegiums, Angelo Sodano, weist Berichte über angebliche Machtkämpfe an der Kirchenspitze zurück. Die Vatikanzeitung „Osservatore Romano“ druckt an diesem Donnerstag auf ihrer Titelseite ein ausführliches Interview mit dem Kardinal ab, der 16 Jahre lang vatikanischer Staatssekretär gewesen ist. In dem Gespräch rügt der 84-Jährige die Medien, die manchmal „Desinformation statt Information“ böten. Von „negativen Phänomenen ausgehend“ werde derzeit alles im Vatikan in einer „verfälschenden Optik“ gesehen, so Sodano. „Aus persönlicher Erfahrung“ könne er nur versichern, „dass es im allgemeinen wirklichen Einsatz dafür gibt, eine echte Arbeitsgemeinschaft im Dienst des Papstes zu sein“. An der Kurie arbeiteten 2.843 Personen und in der vatikanischen Staatsverwaltung weitere 2.001 vertrauensvoll zusammen. Natürlich gebe es immer einige, „die ihren Aufgaben nicht ganz genügen“. Der Kardinal wörtlich: „Perfekt sind nur die Engel und Heiligen des Paradieses!“

Über Berichte, dass es „Spaltungen unter Kurienkardinälen“ gebe, könne er sich nur „wundern“, so Sodano. Meinungsverschiedenheiten bedeuteten doch nicht Spaltung. „Wie oft habe ich in Kardinalsversammlungen abgestimmt und war nicht erstaunt, wenn ein Mitbruder dafür und ein anderer dagegen stimmte! Freunde waren und blieben wir trotzdem. Am Ende konnte dann der Heilige Vater im Wissen um die verschiedenen Abstimmungen frei entscheiden, weil er alle Elemente für ein Urteil hatte.“ Unterschiedliche Ansichten seien bei Persönlichkeiten aus verschiedenen Nationen, Kulturen und Gesellschaftsformen durchaus normal. „Wer erinnert sich nicht daran, dass es schon in den ersten Tagen der Kirche Diskussionen gab?“

Alle Kardinäle bildeten eine enge Gemeinschaft um den Papst, betonte Kardinal Sodano.
Mit seinem Nachfolger als Kardinalstaatssekretär, Tarcisio Bertone, verbinde ihn eine gute Zusammenarbeit und alte Freundschaft. - Sodano war zwischen 1990 und 2006 Kardinalsstaatssekretär, nach der Wahl von Benedikt XVI. wurde er dessen Nachfolger als Dekan und damit Ehrenvorsitzender des Kardinalskollegiums.

Auch der argentinische Kurienkardinal Leonardo Sandri bekräftigte am Donnerstag, es gebe keinesfalls „einen Bandenkrieg“ im Vatikan. Was Kardinal Sodano sage, sei „wirklich eine der weisesten Sachen“, die er in diesen Tagen gehört habe, so Sandri. Und wörtlich: „Wir sind alle auf seiten des Papstes – gemeinsame Front, wie auch Kardinal Bertone gesagt hat.“ Über die Affäre Vatileaks und die Berichterstattung dazu fühle er „eher Sättigung als Ärger“. Die Medien sollten „ein gewisses Maß wahren“, statt Dinge „zu erfinden oder aufzublasen“. Sandri, ein langjähriger Mitarbeiter Sodanos im Staatssekretariat, ist heute Präfekt der Ostkirchen-Kongregation des Vatikans.

Die italienische Tageszeitung „La Stampa“ berichtet an diesem Donnerstag, Ettore Gotti Tedeschi habe ein Dossier über seine drei Jahre als Leiter der „Vatikanbank“ IOR angefertigt. Darin lege er seine Sicht dieser Jahre dar. Das Dossier sei bei einer Hausdurchsuchung bei dem Banker in die Hände der Staatsanwaltschaft gelangt. Gotti Tedeschi, der nicht angeklagt ist, habe Mailänder Staatsanwälten Auskunft gegeben über einen Fall von vermuteter Geldwäsche, der mit dem IOR zusammenhängt. Der Aufsichtsrat des IOR hatte dem Banker vor zwei Wochen für viele überraschend das Vertrauen entzogen. Die Staatsanwaltschaft Rom ermittelt seit September 2010 gegen Gotti Tedeschi und das IOR wegen des Verdachts auf Verstoss gegen europäische Anti-Geldwäsche-Vorschriften. Sie hatte im September 2010 vorübergehend 23 Millionen Euro auf einem Konto des IOR bei einer italienischen Bank wegen unklarer Herkunft und Bestimmung des Geldes vorübergehend gesperrt.


(or/stampa/ansa 07.06.2012 sk)








All the contents on this site are copyrighted ©.