Notifikation zum Buch
Just Love. A Framework for Christian Sexual Ethics von Sr.
Margaret A. Farley RSM Einleitung Nach Abschluss einer Vorprüfung
des Buches Just Love. A Framework for Christian Sexual Ethics (New York: Continuum,
2006) von Sr. Margaret A. Farley RSM wandte sich die Kongregation für die Glaubenslehre
am 29. März 2010 durch Sr. Mary Waskowiak – damals Generaloberin der Sisters of
Mercy of the Americas – an die Autorin, legte eine erste Bewertung des Buches
bei und verwies auf die lehrmäßigen Probleme, die in dem Text enthalten sind. Die
Antwort von Sr. Farley vom 28. Oktober 2010 klärte diese Probleme nicht in zufriedenstellender
Weise. Weil die Angelegenheit lehrmäßige Irrtümer betraf und die Veröffentlichung
des Buches unter den Gläubigen Verwirrung stiftete, beschloss die Kongregation, eine
Überprüfung gemäß dem dringlichen Lehrprüfungsverfahren durchzuführen, wie
es in der Ordnung der Kongregation für die Lehrüberprüfung vorgesehen
ist (vgl. Kapitel IV, Art. 23-27).
Im Anschluss an die Prüfung durch eine Kommission
von Fachleuten (vgl. Art. 24) bestätigte die Ordentliche Versammlung der Kongregation
am 8. Juni 2011, dass das oben genannte Buch irrige Auffassungen beinhaltet, deren
Verbreitung den Gläubigen schweren Schaden zuzufügen droht. Am 5. Juli 2011 wurde
Sr. Waskowiak ein Schreiben übermittelt, das eine Auflistung dieser irrigen Auffassungen
enthielt und in dem sie gebeten wurde, Sr. Farley einzuladen, die in ihrem Buch enthaltenen
unannehmbaren Thesen zu korrigieren (vgl. Art. 25-26).
Am 3. Oktober 2011 sandte
Sr. Patricia McDermott, die inzwischen Sr. Mary Waskowiak als Generaloberin der Sisters
of Mercy of the Americas nachgefolgt war, der Kongregation gemäß Art. 27 der Ordnung
für die Lehrüberprüfung die Antwort von Sr. Farley und fügte ihre eigene Stellungnahme
sowie jene von Sr. Waskowiak bei. Diese Antwort wurde nach einer Prüfung durch die
Kommission von Fachleuten am 14. Dezember 2011 der Ordentlichen Versammlung zur
Beurteilung vorgelegt. Da die Antwort von Sr. Farley die schwerwiegenden Probleme,
die in ihrem Buch enthalten sind, nicht angemessen klärte, beschlossen die Mitglieder
der Kongregation bei dieser Versammlung, die vorliegende Notifikation zu veröffentlichen.
1.
Allgemeine Probleme
Die Autorin zeigt kein richtiges Verständnis von der
Rolle des Lehramts der Kirche als der Lehrautorität der mit dem Nachfolger Petri geeinten
Bischöfe, welche das stets tiefere Eindringen der Kirche in das Wort Gottes leitet,
das in der Heiligen Schrift enthalten ist und in der lebendigen Tradition der Kirche
getreu überliefert wird. In der Erörterung verschiedener moralischer Fragen ignoriert
Sr. Farley die beständigen Äußerungen des Lehramts oder behandelt diese, wenn sie
gelegentlich davon spricht, als eine Meinung unter anderen. Eine solche Einstellung
ist in keiner Weise gerechtfertigt, auch nicht im Bereich der Ökumene, die sie fördern
möchte. Sr. Farley bekundet zudem ein unzulängliches Verständnis für den objektiven
Charakter des natürlichen Sittengesetzes. Sie entscheidet sich stattdessen dafür,
auf der Basis von Folgerungen zu argumentieren, die sie aus gewissen philosophischen
Strömungen oder aus ihrem eigenen Verständnis der „zeitgenössischen Erfahrung“ auswählt.
Ein solcher Ansatz ist nicht mit echt katholischer Theologie vereinbar.
2.
Besondere Probleme
Zu den vielen Irrtümern und Zweideutigkeiten dieses
Buches gehören die darin enthaltenen Aussagen über Masturbation, homosexuelle Handlungen,
homosexuelle Lebensgemeinschaften, die Unauflöslichkeit der Ehe und das Problem von
Scheidung und Wiederverheiratung.
Masturbation Sr. Farley schreibt:
„Masturbation... wirft gewöhnlich überhaupt keine moralischen Fragen auf. ... Es kommt
gewiss vor, dass viele Frauen... ein großes Gut in der Selbstbefriedigung gefunden
haben – vielleicht besonders in der Entdeckung ihrer eigenen Möglichkeiten zur Lust
–, was viele in ihren normalen geschlechtlichen Beziehungen mit Männern oder Liebhabern
nicht erfahren oder wovon sie nichts gewusst haben. In diesem Sinn könnte man sagen,
dass Masturbation tatsächlich den Beziehungen eher nützt als sie behindert. Meine
abschließende Anmerkung ist also, dass die Normen der Gerechtigkeit, wie ich sie dargelegt
habe, für die Wahl zur Selbstbefriedigung nur insofern anwendbar erscheinen, als diese
Handlung das Wohlergehen und die Freiheit des Geistes fördern oder schädigen, sie
unterstützen oder begrenzen. Das bleibt weithin eine empirische Frage, nicht eine
moralische“ (S. 236).
Diese Behauptung stimmt nicht mit der katholischen Lehre
überein: „Tatsache ist, dass sowohl das kirchliche Lehramt in seiner langen und stets
gleichbleibenden Überlieferung als auch das sittliche Empfinden der Gläubigen niemals
gezögert haben, die Masturbation als eine in sich schwere ordnungswidrige Handlung
zu brandmarken, weil der frei gewollte Gebrauch der Geschlechtskraft, aus welchem
Motiv er auch immer geschieht, außerhalb der normalen ehelichen Beziehungen seiner
Zielsetzung wesentlich widerspricht. Der um ihrer selbst willen gesuchten geschlechtlichen
Lust fehlt die von der sittlichen Ordnung geforderte geschlechtliche Beziehung, jene
nämlich, die den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen
Zeugung in wirklicher Liebe realisiert. Um ein ausgewogenes Urteil über die sittliche
Verantwortung jener, die sich hierin verfehlen, zu bilden und um die Seelsorge danach
auszurichten, soll man affektive Unreife, die Macht eingefleischter Gewohnheiten,
Angstzustände und weitere psychische oder gesellschaftliche Faktoren berücksichtigen,
welche die moralische Schuld vermindern oder sogar auf ein Minimum einschränken können“.
Homosexuelle
Handlungen Sr. Farley schreibt: „Meine eigene Ansicht... ist, dass gleichgeschlechtliche
Beziehungen und Handlungen aufgrund derselben Sexualethik wie heterosexuelle Beziehungen
und Handlungen gerechtfertigt sein können. Deshalb können und sollen gleichgeschlechtlich
orientierte Personen und deren Handlungen respektiert werden, ob sie die Wahl haben,
anders zu sein, oder nicht“ (S. 295).
Diese Meinung ist nicht annehmbar. Die
katholische Kirche unterscheidet zwischen Personen mit homosexuellen Tendenzen und
homosexuellen Handlungen. Bezüglich der Personen mit homosexuellen Tendenzen lehrt
der Katechismus der Katholischen Kirche, dass „ihnen mit Achtung, Mitgefühl
und Takt zu begegnen (ist). Man hüte sich, sie in irgend einer Weise ungerecht zurückzusetzen“.
Bezüglich der homosexuellen Handlungen sagt der Katechismus: „Gestützt auf die Heilige
Schrift, die sie als schlimme Abirrung bezeichnet, hat die kirchliche Überlieferung
stets erklärt, dass die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind. Sie
verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim
Geschlechtsakt ausgeschlossen. Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen
Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem Fall zu billigen“.
Homosexuelle
Lebensgemeinschaften Sr. Farley schreibt: „Gesetze über die Nichtdiskriminierung
von Homosexuellen, aber auch über Lebenspartnerschaften, zivile Lebensgemeinschaften
und die Ehe von Homosexuellen können auch wichtig sein für die Transformierung des
Hasses, der Zurückweisung und der Stigmatisierung schwuler Männer und lesbischer Frauen,
die noch immer durch die Lehren über ‚unnatürlichen’ Sex, ungeordnetes Verlangen und
gefährliche Liebe eingeschärft werden. ... Eine der dringendsten Angelegenheiten in
der Öffentlichkeit der Vereinigten Staaten ist gegenwärtig die Ehe von gleichgeschlechtlichen
Partnern – d.h. die Gewährung der gesellschaftlichen Anerkennung und der gesetzlichen
Gutheißung von Partnerschaften zwischen lesbischen Frauen bzw. homosexuellen Männern,
vergleichbar den Partnerschaften zwischen Heterosexuellen“ (S. 293).
Diese
Position ist nicht mit den Aussagen des Lehramts vereinbar: „Nach der Lehre der Kirche
kann die Achtung gegenüber homosexuellen Personen in keiner Weise zur Billigung des
homosexuellen Verhaltens oder zur rechtlichen Anerkennung der homosexuellen Lebensgemeinschaften
führen. Das Gemeinwohl verlangt, dass die Gesetze die eheliche Gemeinschaft als Fundament
der Familie, der Grundzelle der Gesellschaft, anerkennen, fördern und schützen. Die
rechtliche Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften oder deren Gleichsetzung
mit der Ehe würde bedeuten, nicht nur ein abwegiges Verhalten zu billigen und zu einem
Modell in der gegenwärtigen Gesellschaft zu machen, sondern auch grundlegende Werte
zu verdunkeln, die zum gemeinsamen Erbe der Menschheit gehören. Die Kirche kann nicht
anders, als diese Werte zu verteidigen, für das Wohl der Menschen und der ganzen Gesellschaft“.
„Um die Legalisierung der homosexuellen Lebensgemeinschaften zu stützen, kann man
sich nicht auf das Prinzip der Achtung und der Nicht-Diskriminierung jeder Person
berufen. Eine Unterscheidung unter Personen oder die Ablehnung einer sozialen Anerkennung
oder Leistung sind nämlich nur dann unannehmbar, wenn sie der Gerechtigkeit widersprechen.
Wenn man den Lebensformen, die weder ehelich sind noch sein können, den sozialen und
rechtlichen Status der Ehe nicht zuerkennt, widerspricht dies nicht der Gerechtigkeit,
sondern wird im Gegenteil von ihr gefordert“.
Unauflöslichkeit der Ehe Sr.
Farley schreibt: „Meine eigene Position ist, dass die eheliche Bindung aufgelöst werden
kann aus denselben ultimativen Gründen wie jede äußerst ernsthafte, nahezu unbedingte,
dauerhafte Beziehung aufhören kann, bindend zu sein. Dies schließt ein, dass es in
der Tat Situationen geben kann, in denen sich zu viel verändert hat – ein oder beide
Partner haben sich verändert, die Beziehung hat sich verändert, der ursprüngliche
Grund für die Bindung scheint völlig abwesend zu sein. Der wesentliche Punkt einer
dauerhaften Beziehung besteht natürlich darin, für jene, die sie eingehen, trotz aller
möglicherweise kommenden Veränderungen bindend zu sein. Kann sie immer halten? Kann
sie angesichts einer radikalen und unerwarteten Veränderung absolut halten? Meine
Antwort: Manchmal nicht. Manchmal muss die Verpflichtung aufgelöst und kann die Bindung
berechtigterweise verändert werden“ (S. 304-305). Diese Auffassung widerspricht
der katholischen Lehre über die Unauflöslichkeit der Ehe: „Die eheliche Liebe verlangt
von Natur aus von den Gatten unverletzliche Treue. Das ergibt sich aus der gegenseitigen
Hingabe, in der die beiden Gatten sich einander schenken. Liebe will endgültig sein.
Sie kann nicht bloß ‚bis auf weiteres’ gelten. Diese innige Vereinigung als gegenseitiges
Sichschenken zweier Personen wie auch das Wohl der Kinder verlangen die unbedingte
Treue der Gatten und fordern ihre unauflösliche Einheit. Der tiefste Grund liegt in
der Treue Gottes zu seinem Bund und in der Treue Christi zu seiner Kirche. Durch das
Sakrament der Ehe werden die Gatten fähig, diese Treue zu leben und sie zu bezeugen.
Durch das Sakrament erhält die Unauflöslichkeit der Ehe einen neuen, tieferen Sinn.
Jesus betonte die ursprüngliche Absicht des Schöpfers, der wollte, dass die Ehe unauflöslich
sei. Er hob die Duldungen auf, die sich in das alte Gesetz eingeschlichen hatten.
Die gültig geschlossene und vollzogene Ehe zwischen Getauften kann durch keine menschliche
Gewalt und aus keinem Grunde, außer durch den Tod, aufgelöst werden“.
Scheidung
und Wiederverheiratung Sr. Farley schreibt: „Wenn die Ehe zu Kindern geführt
hat, werden ehemalige Eheleute im bleibenden Auftrag der Elternschaft über Jahre hinweg
zusammengehalten, vielleicht sogar ein Leben lang. Auf jeden Fall ist das Leben zweier
einmal verheirateter Personen für immer durch die Erfahrung dieser Ehe geprägt. Die
Tiefe dessen, was bleibt, kennt Grade, doch etwas bleibt. Aber verbietet das, was
bleibt, eine zweite Ehe? Nach meiner eigenen Auffassung ist das nicht der Fall. Welche
anhaltende Verpflichtung ein verbleibendes Band auch beinhaltet, es muss nicht das
Verbot einer Wiederverheiratung einschließen – jedenfalls nicht mehr als das bleibende
Band zwischen Eheleuten nach dem Tod eines der beiden Partner der Person, die noch
am Leben ist, eine zweite Ehe verbietet“ (S. 310).
Diese Sicht widerspricht
der katholischen Lehre, welche die Möglichkeit der Wiederverheiratung nach einer Scheidung
ausschließt: „In vielen Ländern gibt es heute zahlreiche Katholiken, die sich nach
den zivilen Gesetzen scheiden lassen und eine neue, zivile Ehe schließen. Die Kirche
fühlt sich dem Wort Jesu Christi verpflichtet: ‚Wer seine Frau aus der Ehe entlässt
und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch. Auch eine Frau begeht Ehebruch,
wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet’ (Mk 10,11-12).
Die Kirche hält deshalb daran fest, dass sie, falls die Ehe gültig war, eine neue
Verbindung nicht als gültig anerkennen kann. Falls Geschiedene zivil wiederverheiratet
sind, befinden sie sich in einer Situation, die dem Gesetze Gottes objektiv widerspricht.
Darum dürfen sie, solange diese Situation andauert, nicht die Kommunion empfangen.
Aus dem gleichen Grund können sie gewisse kirchliche Aufgaben nicht ausüben. Die Aussöhnung
durch das Bußsakrament kann nur solchen gewährt werden, die es bereuen, das Zeichen
des Bundes und der Treue zu Christus verletzt zu haben, und sich verpflichten, in
vollständiger Enthaltsamkeit zu leben”. Schluss Mit dieser Notifikation
bringt die Kongregation für die Glaubenslehre ihr tiefes Bedauern darüber zum Ausdruck,
dass ein Mitglied eines Institutes des geweihten Lebens, Sr. Margaret A. Farley RSM,
Positionen vertritt, die in direktem Widerspruch zur katholischen Lehre auf dem Gebiet
der Sexualmoral stehen. Die Kongregation warnt die Gläubigen, dass ihr Buch Just
Love. A Framework for Christian Sexual Ethics nicht mit der Lehre der Kirche übereinstimmt.
Deshalb kann es weder in der Beratung und Ausbildung noch im ökumenischen und interreligiösen
Dialog als zulässige Darlegung der katholischen Lehre verwendet werden. Darüber hinaus
möchte die Kongregation die Theologen ermutigen, die Moraltheologie weiter in voller
Übereinstimmung mit den Prinzipien der katholischen Lehre zu studieren und zu lehren.
Papst
Benedikt XVI. hat in der dem unterzeichneten Kardinalpräfekten am 16. März 2012 gewährten
Audienz die vorliegende Notifikation, die in der Ordentlichen Versammlung dieser
Kongregation am 14. März 2012 beschlossen worden war, gutgeheißen und deren Veröffentlichung
angeordnet.
Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, am 30.
März 2012.
William Kardinal Levada, Präfekt Luis F. Ladaria,
S.I., Sekretär