Michael Fiedrowicz:
Theologie der Kirchenväter – Grundlagen frühchristlicher Glaubensreflexion. Ders.:
Handbuch der Patristik – Quellentexte zur Theologie der Kirchenväter. Besprechungen
von Stefan v. Kempis Die Stadt Mailand, die Papst Benedikt an diesem Wochenende
besucht, ist mit den Namen von zwei der vier großen Kirchenlehrer des Westens verbunden:
Der heilige Ambrosius war hier Bischof, der heilige Augustinus arbeitete hier als
Rhetor am Kaiserhof. Unter Benedikt XVI. erfahren die Kirchenväter wieder mehr Aufmerksamkeit:
Streiter für den Glauben waren sie, Männer mit ausgesprochen spitzer Feder. Für die
Kirche gehören sie zu den „gefährlichen Erinnerungen“, wie der Trierer Patrologe Michael
Fiedrowicz formuliert. Gefährlich, weil man beim Blättern in diesen alten Texten begreift,
„wie wenig das augenblicklich Geltende zugleich schon das allein Gültige sein muss“
und „wie sehr das Wissen der Vergangenheit tiefer und reicher als manches heute Erdachte
sein kann.“
Der in Trier lehrende Fiedrowicz hat jetzt im Herder Verlag ein
Grundlagenbuch der Patristik, der Kirchenväterkunde also, herausgebracht und ihm ein
Buch mit mehr als 840 kurzen Quellentexten an die Seite gestellt. Das Gute daran ist:
Beide Bücher sind aufeinander bezogen, man kann sie parallel studieren, kann also
zunächst in den Originaltexten der frühen Denker zum Thema „Glaube und Vernunft“ schmökern
und dann die fundierten Erklärungen Fiedrowiczens danebenhalten. Ein Konzept, das
aufgeht. Hier kommt sowohl der neugierige Laie auf seine Kosten, der bisher noch nicht
viel anzufangen wußte mit diesen alten Texten, als auch der Theologiestudent, der
das alles noch einmal im Zusammenhang lesen will.
Die Explosivkraft, die geballte
Formulierungskunst, aber auch der tiefe Ernst der Kirchenväter erschließen sich schnell.
Wir begegnen hier Autoren mit Brüchen in ihren Lebensgeschichten, Meistern ätzender
Polemik. Wer glaubt, das Streiten wäre erst im 20. Jahrhundert zu einer innerchristlichen
Spezialität geworden, der sieht sich hier – und wie! – eines Besseren belehrt. Auch
wenn es ganz schön nachdenklich stimmt, wieviel da gestritten, wieviel Tinte in innerchristlichen
Auseinandersetzungeen verspritzt wird.
Wir lesen an der gediegen-spätantiken
Ausbildung der Kirchenlehrer allerdings auch ab, dass sie alle aus einer gebildeten
und materiell sorglosen Elite kamen, aus einer zahlenmäßig verschwindend kleinen Schicht.
Hier wurden Spezialistenkriege um Begriffe ausgetragen, die manchem normalen Christenmenschen
nicht viel sagen. Umso anrührender ist aber bei den Kirchenvätern praktisch durchgehend
das Ringen um Einfachheit und Verständlichkeit. Alle Kirchenlehrer, das macht Fiedrowicz
sehr klar, sehen sich in erster Linie als „praedicatores“, als Prediger. Auf ihre
Kanzelreden verwenden sie größte Sorgfalt. Das Evangelium, so betonen sie, wurde nicht
Philosophen und Denkern anvertraut, sondern Fischern und Geldeintreibern. „Docta ignorantia“,
schreibt Augustinus und lobt „den höchsten Gott, der besser im Nichtwissen
gewußt wird“. „Wenn du es nämlich begreifst, dann ist es nicht Gott.“
Und Johannes Chrysostomos formuliert mit einer Spitze gegen häretische Besserwisser:
„Es gibt eine Erkenntnis im Unwissen, aber (leider) auch ein Unwissen in der Erkenntnis.“
Michael Fiedrowicz weist sehr deutlich auf die Grenze hin, an die die Väterspekulation
über Gott irgendwann stößt, stoßen muss. Wo das Sprechen über Gott aufhört, da fängt
das Sprechen mit Gott an, das Gebet – auch das ist ein Charakteristikum der
Kirchenväter. Gott ist – so betont der Trierer Patrologe – kein bloßes Objekt unseres
Sprechens, vielmehr ist Theologie die Rede von Gott im Angesicht Gottes. Auch
das gehört zu den vielen Herausforderungen, vor die uns diese vermeintlich alten Texte
stellen und die Fiedrowicz neu fruchtbar macht für unsere Epoche.
Beide Bücher
sind im Herder Verlag erschienen und kosten 35 bzw 38 €.