2012-06-02 09:12:38

Unser Buchtipp: Theologie der Kirchenväter


RealAudioMP3 Michael Fiedrowicz: Theologie der Kirchenväter – Grundlagen frühchristlicher Glaubensreflexion.
Ders.: Handbuch der Patristik – Quellentexte zur Theologie der Kirchenväter. Besprechungen von Stefan v. Kempis
Die Stadt Mailand, die Papst Benedikt an diesem Wochenende besucht, ist mit den Namen von zwei der vier großen Kirchenlehrer des Westens verbunden: Der heilige Ambrosius war hier Bischof, der heilige Augustinus arbeitete hier als Rhetor am Kaiserhof. Unter Benedikt XVI. erfahren die Kirchenväter wieder mehr Aufmerksamkeit: Streiter für den Glauben waren sie, Männer mit ausgesprochen spitzer Feder. Für die Kirche gehören sie zu den „gefährlichen Erinnerungen“, wie der Trierer Patrologe Michael Fiedrowicz formuliert. Gefährlich, weil man beim Blättern in diesen alten Texten begreift, „wie wenig das augenblicklich Geltende zugleich schon das allein Gültige sein muss“ und „wie sehr das Wissen der Vergangenheit tiefer und reicher als manches heute Erdachte sein kann.“

Der in Trier lehrende Fiedrowicz hat jetzt im Herder Verlag ein Grundlagenbuch der Patristik, der Kirchenväterkunde also, herausgebracht und ihm ein Buch mit mehr als 840 kurzen Quellentexten an die Seite gestellt. Das Gute daran ist: Beide Bücher sind aufeinander bezogen, man kann sie parallel studieren, kann also zunächst in den Originaltexten der frühen Denker zum Thema „Glaube und Vernunft“ schmökern und dann die fundierten Erklärungen Fiedrowiczens danebenhalten. Ein Konzept, das aufgeht. Hier kommt sowohl der neugierige Laie auf seine Kosten, der bisher noch nicht viel anzufangen wußte mit diesen alten Texten, als auch der Theologiestudent, der das alles noch einmal im Zusammenhang lesen will.

Die Explosivkraft, die geballte Formulierungskunst, aber auch der tiefe Ernst der Kirchenväter erschließen sich schnell. Wir begegnen hier Autoren mit Brüchen in ihren Lebensgeschichten, Meistern ätzender Polemik. Wer glaubt, das Streiten wäre erst im 20. Jahrhundert zu einer innerchristlichen Spezialität geworden, der sieht sich hier – und wie! – eines Besseren belehrt. Auch wenn es ganz schön nachdenklich stimmt, wieviel da gestritten, wieviel Tinte in innerchristlichen Auseinandersetzungeen verspritzt wird.

Wir lesen an der gediegen-spätantiken Ausbildung der Kirchenlehrer allerdings auch ab, dass sie alle aus einer gebildeten und materiell sorglosen Elite kamen, aus einer zahlenmäßig verschwindend kleinen Schicht. Hier wurden Spezialistenkriege um Begriffe ausgetragen, die manchem normalen Christenmenschen nicht viel sagen. Umso anrührender ist aber bei den Kirchenvätern praktisch durchgehend das Ringen um Einfachheit und Verständlichkeit. Alle Kirchenlehrer, das macht Fiedrowicz sehr klar, sehen sich in erster Linie als „praedicatores“, als Prediger. Auf ihre Kanzelreden verwenden sie größte Sorgfalt. Das Evangelium, so betonen sie, wurde nicht Philosophen und Denkern anvertraut, sondern Fischern und Geldeintreibern. „Docta ignorantia“, schreibt Augustinus und lobt „den höchsten Gott, der besser im Nichtwissen gewußt wird“. „Wenn du es nämlich begreifst, dann ist es nicht Gott.“ Und Johannes Chrysostomos formuliert mit einer Spitze gegen häretische Besserwisser: „Es gibt eine Erkenntnis im Unwissen, aber (leider) auch ein Unwissen in der Erkenntnis.“

Michael Fiedrowicz weist sehr deutlich auf die Grenze hin, an die die Väterspekulation über Gott irgendwann stößt, stoßen muss. Wo das Sprechen über Gott aufhört, da fängt das Sprechen mit Gott an, das Gebet – auch das ist ein Charakteristikum der Kirchenväter. Gott ist – so betont der Trierer Patrologe – kein bloßes Objekt unseres Sprechens, vielmehr ist Theologie die Rede von Gott im Angesicht Gottes. Auch das gehört zu den vielen Herausforderungen, vor die uns diese vermeintlich alten Texte stellen und die Fiedrowicz neu fruchtbar macht für unsere Epoche.

Beide Bücher sind im Herder Verlag erschienen und kosten 35 bzw 38 €.

(rv 02.06.2012 sk)







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