Welttreffen der Familien in Mailand: „Es hat zu tun mit Verbindlichkeit“
Etwa eine Million
Menschen nimmt in diesen Tagen in der norditalienischen Metropole Mailand am VII.
katholischen Welttreffen der Familien teil. Von Freitag bis Sonntag stößt auch Papst
Benedikt XVI. dazu. Das Großereignis soll für das kirchliche Bild von Ehe und Familie
werben – auch wenn Mailand nicht unbedingt der logischste Ort dafür ist. Walter Brand,
Vorsitzender des Pfarrgemeinderates der deutschen Gemeinde, ist in Mailand aufgewachsen
und sagt:
„Patchwork-Familien haben wir sehr viele – wahrscheinlich auch
deshalb, weil die Stadt eine sehr weltliche ist. Viel Finanz, viele Familien, bei
denen der Mann viel in der Welt herumarbeitet und nur zum Wochenende heimkommt.“
Immerhin,
auf dem Mailänder Messegelände geben jetzt die Familien den Ton an. Franz-Peter Tebartz-van
Elst ist der Familienbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz; er sagte in Mailand
unserem Korrespondenten Mario Galgano:
„Es vermittelt sich hier die Katholizität
der Kirche: Familien aus allen Kontinenten der Erde, das ist ein sehr vitales und
sehr lebendiges Zeugnis. Familien, die unter unterschiedlichen Konstellationen doch
das Zeugnis geben, dass Familie Hauskirche ist, Kirche im kleinen. Kardinal Ravasi
hat das heute morgen in einem sehr bewegenden Vortrag ja entfaltet, was das heißt:
Familie als Haus, die Eheleute als Fundament, die Kinder als lebendige Steine, die
vielen Räume, die es zu bewohnen und zu beleben gibt.“
Kardinal Gianfranco
Ravasi leitet den Päpstlichen Kulturrat. Er stammt aus der Lombardei und hat das Mailänder
Treffen eröffnet, zusammen mit dem Erzbischof der Stadt, Kardinal Angelo Scola. Beim
Weltfamilientreffen muss Bischof Tebartz-van Elst aus Limburg seine Sprachkenntnisse
aufpolieren, denn:
„Es fällt auf, dass Familien vor allem aus den spanischsprechenden
Ländern, aus Latein- und Mittelamerika, hier vertreten sind. Das macht mir bewußt,
dass ein so großartiges Treffen wie dieses auch bei uns in Deutschland noch mehr Aufmerksamkeit
finden muss, um in den kommenden Jahren mehr Familien dort hinzuführen, denen eine
solche Stärkung durch gegenseitigen Austausch sehr gut tun würde.“
Aber
immerhin seien ja die Familien-Verantwortlichen der deutschen Ordinariate und Generalvikariate
in Mailand dabei, die trügen ja die Ergebnisse dann in die deutschen Bistümer hinein.
Bischof Tebartz-van Elst:
„Es gibt ja bei jungen Menschen eine große Sehnsucht
danach, gelingende und stabile Ehe und Familie zu erleben; in diesem Sinne ist es,
glaube ich, gut, wenn man von Familien und Eheleuten mitbekommt, wie sie eben diese
Berufung leben und wie sie Schwierigkeiten überwinden aus der Kraft des Glaubens heraus.
Nichts trägt und belebt so sehr wie das gelebte Zeugnis! Das braucht mehr Raum, das
muss sich mehr entfalten können.“
Das Gastgeberland Italien ist schon seit
vielen Jahren ein Schlußlicht in der EU-Geburtenstatistik. Das liegt vor allem an
der Wirtschaftskrise, die hier schon länger spürbar ist als anderswo und jetzt mit
neuer Härte zuschlägt, so der Deutsch-Mailänder Walter Brand:
„Besonders
diese letzte Krise ist nicht nur für die ärmeren Schichten sehr schwer: Viele steuerliche
Maßnahmen zielen auf die Mittelschicht, die eigentlich so eine Stadt wie Mailand aufrechterhalten
hat, diese Mittelschicht ist jetzt betroffen. Diese Schicht war nicht wohlhabend,
hat aber einigermaßen gut gelebt; plötzlich sind einer oder zwei aus der Familie arbeitslos,
und da geht es wirklich an die Reserven.“
Der 52-jährige Brand, heute Vater
von fünf Kindern zwischen 15 und 26 Jahren, weiß, dass viele junge Paare in italienischen
Großstädten sich heute Kinder schlicht nicht leisten können. Überhaupt sei es anstrengend,
Kinder in einem solchen Moloch großzuziehen:
„Mailand als Großstadt hat
natürlich die ganzen Hindernisse und Gefahren der Großstädte: Viele Menschen, viel
Verkehr. Andererseits gibt es durchaus guten Service für Familien, also Schulen, Freizeitmöglichkeiten,
Sport, da wird sehr viel angeboten. Wahrscheinlich mehr als in anderen Städten.“
Zurück
aufs Messegelände: Der Bischof von Limburg hat den Eindruck, dass die Krise von Ehe
und Familie heute vielleicht auch zusammenhängt mit der Krise der Berufungen, die
die Kirche in den meisten Teilen Europas erlebt.
„Es hat zu tun mit der
Verbindlichkeit. Wir beobachten da, wo es Familien gibt, die wirklich in dieser inneren
Gebundenheit an Gott Verbindung untereinander gestalten und damit Verbindlichkeit
leben, dass aus solchen Keimzellen des Glaubens auch Priesterberufungen und Berufungen
fürs gottgeweihte Leben erwachsen. Das hängt zusammen. Insofern ist die Sorge für
Ehe und Familie so wichtig – auch im Hinblick auf den geistlichen Nachwuchs.“
Der
Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco, beklagte
an diesem Donnerstag bei einem Vortrag in Mailand den „demographischen Winter in Europa“.
Die Euro-Retter müßten längerfristig mehr auf Familien setzen, denn „mit mehr Konsum
und weniger Kindern lassen sich unsere Länder auf Dauer nicht retten“, so der Kardinal.
Die Kirche sei keineswegs „monothematisch auf das Thema Familie fixiert“. Sie mache
aber darauf aufmerksam, dass die Familie „die einzige anthropologische Struktur ist,
die uns sowas wie Zukunftspläne erlaubt“.