Tibet/Österreich: „Verliert nicht euren Enthusiasmus“
Bei einer gemeinsamen
Pressekonferenz am Sonntagmorgen haben Kardinal Christoph Schönborn und der Dalai
Lama den hohen Wert einer Verständigung zwischen den Religionen hervorgehoben. In
jedem Menschen sei eine tiefe religiöse Sehnsucht verwurzelt, sagte der Wiener Erzbischof.
Neben dem Übereinstimmenden zwischen den Religionen gebe es aber auch „Fermente des
Unterschiedes und der Konflikte“. Der erste Weg, solche Konflikte zu überwinden, sei
die „Umkehr im Herzen jedes einzelnen Gläubigen“, so der Kardinal:
„Seine
Heiligkeit [der Dalai Lama] hat auch von den Spannungen und den Konflikten gesprochen,
bis hin zu den Kriegen, und nach der biblischen Tradition hat das sehr viel damit
zu tun, dass vor allem unser Herz in Gefahr ist, hart zu werden, und dass deshalb
Jesus als erstes zur Umkehr, also zur Metanoia, eingeladen hat: Verändert euer Denken
und euer Herz, dass ein Herz aus Stein zu einem Herz aus Fleisch wird. Das ist der
Dienst, den die Religionen an den Menschen tun sollen, zuerst einmal bei sich selber
zu beginnen mit der Umkehr des Herzens.“
Schönborn erinnerte zudem daran,
dass er mit dem Dalai Lama die gemeinsame Erfahrung des klösterlichen Lebens teile;
darüber habe man auch der halbstündigen Unterredung zuvor gesprochen. Als Dominikaner
habe er 30 Jahre in einem Kloster gelebt. Die monastischen Traditionen des Buddhismus
und des Christentums verfügten über eine große gemeinsam Basis, die für ein friedliches
Zusammenleben und gegenseitige Verständigung fruchtbar gemacht werden können.
„Wir
haben uns mit dem Dalai Lama auch über die Erfahrungen und Gemeinsamkeiten, die wir
in unserer monastischen Erziehung und in den Lebensformen der Klöster erlebt haben,
ausgetauscht. Das zeigt durchaus einen gemeinsamen Grund. Dieser gemeinsame Nenner
aller Religionen ist die tiefe religiöse Sehnsucht, die in jedem Menschen verwurzelt
ist.“
Der Dalai Lama nannte Indien als positives Beispiel des Zusammenlebens
vieler verschiedener Religionen bereits über Jahrtausende. Es gehe auch dort nicht
ohne Probleme ab, aber es funktioniere. Religiöse Harmonie sei möglich, unterstrich
er. Daher habe er 1975 seine Pilgerfahrt an verschiedene religiöse Orte in aller Welt
gestartet, um diese zu fördern. Wichtig sei für ein glückliches Leben aber der unermüdliche
Einsatz des Einzelnen, so der Dalai Lama:
„Ich sage immer, was auch meiner
eigenen Erfahrung entspricht: auch wenn es Schwierigkeiten gibt, behalte die Hoffnung
und den Enthusiasmus, und versuche es immer wieder! Auch wenn du neun Mal scheiterst,
versuche es neun Mal aufs Neue! Es gibt immer wieder eine Möglichkeit, denn wir sind
in einer menschlichen Welt. Kein menschliches Wesen ist schlecht, wenn du deine Determination
nicht verlierst, und hart arbeitest und es weiter versuchst, dann werden die Dinge
sich ändern.“