In der Affäre um die Weitergabe vertraulicher Vatikan-Dokumente ist der Kammerdiener
von Papst Benedikt XVI. festgenommen worden. Vatikansprecher Federico Lombardi bestätigte
die Verhaftung des 46-jährigen Paolo Gabriele am Samstag in einer Mitteilung. Der
Hausangestellte befindet sich wegen „schweren Diebstahls" bereits seit vergangenem
Mittwochabend in Haft. Er habe zwei Anwälte benannt und sich mit diesen beraten, so
der Vatikansprecher.
Die erste Phase der Erhebungen gegen Gabriele ist nach
Angaben von Lombardi bereits abgeschlossen. Durchgeführt wurde sie vom vatikanischen
Generalstaatsanwalt Nicola Picardi. Derzeit sei der Untersuchungsrichter Piero Antonio
Bonnet am Zug. Die Ermittlungsphase diene dazu, ein Gesamtbild der Lage zu erhalten.
Danach werde der Untersuchungsrichter den Kammerdiener entweder freilassen oder ein
Hauptverfahren gegen ihn eröffnen.
Vor Journalisten erklärte Vatikansprecher
Lombardi, bei den Nachforschungen sei nicht von „kurzen Fristen“ auszugehen. Welche
weiteren Fragen dabei auftauchten, sei ungewiss. So fragen sich beispielsweise etliche
Beobachter, ob es noch weitere Verdächtige in der Affäre um die Weitergabe vertraulicher
Vatikan-Dokumente gibt. Lombardi ließ anklingen, dass mit der Verhaftung des Kammerdieners
noch nicht der Abschluss der Affäre erreicht sei. Bisher sei ausschließlich die vatikanische
Justiz mit dem Fall befasst. Der tatverdächtige Kammerdiener wohne auf vatikanischem
Staatsgebiet, daher unterliege er „vollständig den vatikanischen Justiznormen“.
Der
Vatikan habe die Verhaftung erst nach Abschluss der Vorermittlungen bestätigten wollen,
erläuterte der Vatikansprecher. Die Festnahme Gabrieles habe im Vatikan „Erstaunen
und Schmerz“ ausgelöst. „Alle im Vatikan kannten ihn, es gibt großes Mitgefühl mit
seiner Familie“, betonte Lombardi. Er hoffe, dass die Familie des Mannes „diese Prüfung
überstehen“ könne.
Der 46-jährige lebte mit seiner Frau und den drei Kindern
in einer Wohnung im Vatikanstaat. Er arbeitete seit 2006 als Kammerdiener für Benedikt
XVI. Neben vier Ordensfrauen und den beiden Privatsekretären Georg Gänswein und Alfred
Xuereb war Gabriele einer der wenigen Vertrauten, die Zugang zu den Privaträumen des
Papstes hatten.
In den vergangenen Monaten waren immer wieder interne Dokumente
an italienische Medien weitergegeben worden, in denen es unter anderem um Korruptionsvorwürfe
ging. Einige davon sind in dem Buch „Sua Santità" („Seine Heiligkeit") von Gianluigi
Nuzzi abgedruckt, das vor einer Woche in Italien erschien. Unter den Dokumenten, die
dem Autor zugespielt wurden, sind unter anderem streng geheime und private Briefe
des Papstes. Der Vatikan bezeichnete die Veröffentlichung als kriminellen Akt.
Nach
ersten Enthüllungen im Januar hatte Benedikt XVI. im April eine Untersuchung der „Vatileaks"-Affäre
angeordnet und eine Kommission von Kardinälen unter der Leitung des „Innenministers“
des Heiligen Stuhles, Erzbischof Angelo Becciu, mit den Ermittlungen betraut. Im Fokus
der Korruptionsvorwürfe stand zumeist das vatikanische Geldinstitut IOR, dessen Präsident
Ettore Gotti Tedeschi am Donnerstag zurücktrat. Zuvor hatte ihm der Aufsichtsrat einstimmig
das Misstrauen ausgesprochen. Der Vatikan teilte mit, Gotti Tedeschi habe nicht den
„grundlegenden Anforderungen" seines Amts genügt. Als Interimschef wurde sein bisheriger
Stellvertreter, der Deutsche Ronaldo Hermann Schmitz ernannt. (rv/afp/kna/apic
26.05.2012 gs)