Mehr Autonomie und
Gleichstellung erhofft sich die katholische Diaspora-Kirche in Norwegen von der Trennung
von Kirche und Staat in ihrem Land. Nach fast 40-jähriger Debatte haben sich am Montag
alle Parteien im Parlament auf den Schritt geeinigt. Die neue Regelung sieht unter
anderem vor, dass anstelle des Staates künftig die norwegische Kirche Bischöfe und
Pröpste ernennen kann. Der Staat ist nicht mehr „konfessionsgebunden“; der Status
des lutherischen Bekenntnisses als „öffentliche Religion“ wird abgeschafft. Auch die
Kirchensteuer in ihrer heutigen Form soll fallen. Pater Arne Marco Kirsebom, katholischer
Pfarrer in Oslo, sieht den Schritt in eine „moderne Zukunft“ des norwegischen Glaubenslebens
getan. Er sagte im Gespräch mit dem Domradio Köln:
„Ich denke, auf Dauer
wird das den positiven Effekt haben, dass alle Religionen und Kirchen in Norwegen
mehr gleichgestellt werden, dass keine Kirche eine Art Vorteil hat und dass der Staat
religionsunabhängiger wird. Es gab ja schon lange den Wunsch, mehr Freiheit für die
Kirche zu bekommen – es ist hauptsächlich ein positiver Schritt in die Zukunft. Und
mein Eindruck ist, wenn ich mit die Nachrichten und Reaktionen ansehe, dass dieser
Schritt überwiegend geschätzt wird.“
Als Zeichen für die Gleichberechtigung
aller Glaubensgemeinschaften interpretiert das neue Gesetz auch der norwegische Kirchenrat.
„Wir wollten diese Änderungen, denn wir leben in einer vielfältigen Gesellschaft,
und viele Einwohner dieses Landes sind keine Kirchenmitglieder“, sagte dazu Trude
Evenshaug, Sprecherin des Kirchenrats, im norwegischen öffentlich-rechtlichen Fernsehen.
Rund 85 Prozent der norwegischen Bevölkerung ist protestantisch, nur zwei Prozent
sind Katholiken. Welche Auswirkungen wird die Entscheidung insbesondere auf die katholische
Kirche haben? Dazu Pfarrer Kirsebom:
„Zunächst einmal wird sie völlig abhängig
bleiben, sie hat ja keinen eigenen, ausreichenden Einkünfte, um unabhängig sein zu
können. Das heißt, dass die Kirche weiterhin über den Jahreshaushalt gefördert wird.
Heute ist es ja so, dass jede andere Kirche und auch jede andere Religion außerhalb
der Staatskirche nach einem Verteilerschlüssel Geld pro Kopf bekommt, eine Art ,Kopfpauschale‘.
Ich denke, dass das zunächst einmal so bleibt. Aber es kann ja gut sein, wenn die
wirtschaftlichen Strukturen sich ändern zwischen Kirche und Staat oder der Staatskirche,
dass das auch für uns eine Veränderung bedeuten wird – ob das ein mehr oder weniger
heißen wird, ist im Moment noch völlig unklar.“
Laut dem Leiter des Kirchenrats
der norwegischen Kirche, Jens-Petter Johnsen, ermöglicht die künftige Rechtslage der
Kirche, sich eigenständig zu entwickeln: „Das ist das Beste sowohl für den Staat als
auch für die Kirche und die Bevölkerung“, so Johnsen. Der Staat könne sich international
mit mehr Glaubwürdigkeit für Menschenrechte einsetzen, und die Kirche erhalte mehr
Raum für ihre eigenen Züge. In einer gemeinsamen Mitteilung des parlamentarischen
Ausschusses und der Kirche hieß es, was man bislang als „Staatskirche“ gekannt habe,
werde zu einer offeneren und demokratischeren Volkskirche. Svein Harberg, Vorsitzender
des Ausschusses, sprach von einem „historischen“ Schritt: „Die norwegische Kirche
wird damit eine Glaubensgemeinschaft wie andere auch“, sagte er. Für die Gläubigen
selbst sind durch das Gesetz keine großen Veränderungen zu erwarten, ist zu hören,
auch an der Feiertagsregelung wolle man festhalten.
Die norwegische Kirche
ist eine der letzten Staatskirchen; 1537 wurde das Bekenntnis zum evangelisch-lutherischen
Glauben zur Staatsreligion. Ähnlich wie bis vor wenigen Jahren in Schweden und Dänemark
war in Norwegen der amtierende König auch Oberhaupt der Glaubensgemeinschaft.