Auch der politisch
instabile Libanon ist ein beliebtes Ziel von Arbeitsmigranten. Als „moderne Sklaverei“
bezeichnet die Caritas die dort gängige Praxis, Hausmädchen aus den ärmsten Ländern
der Welt in das Land zu locken, die dort dann unter schrecklichen Arbeitsbedingungen
ausgenutzt werden. Rund 200.000 Arbeitsmigranten halten sich derzeit im Libanon auf,
die meisten von ihnen sind Frauen aus Afrika und Asien. Vom Schicksal dieser Frauen
berichtet Stefan Maier von der Caritas Salzburg, die ein Frauenhaus der Caritas Libanon
bei Beirut unterstützt, im Interview mit Radio Vatikan:
„Diese Frauen werden
vielfach, man kann es nicht anders sagen, wie Sklaven gehalten, sie werden in den
schlimmsten Fällen missbraucht, auch sexuell, sie werden ausgebeutet und dürfen oft
keinerlei Kontakt aufnehmen zum Beispiel zu Landsleuten, die im gleichen Wohnblock
arbeiten, sie bekommen keinen Urlaub… Es gibt natürlich auch positive Ausnahmen, aber
das ist wirklich ein schwerwiegendes Problem im Libanon, und das Schicksal dieser
Frauen ist erschütternd. Die Caritas versucht hier durch vielfältige Maßnahmen, diese
Frauen zu unterstützen.“
Das Flüchtlingsbüro der Caritas Libanon betreut
seit 2007 das Frauenhaus Rayfoun, das in einem ehemaligen Kloster 45 Kilometer nördlich
von Beirut untergebracht ist. Zur Verfügung gestellt wurden die Gebäude von der Ordensgemeinschaft
der Barmherzigen Schwestern. Über 60 Frauen und oftmals auch Kinder bekommen hier
Essen und eine Unterkunft sowie medizinische und rechtliche Unterstützung. Die libanesische
Regierung hat die Genfer Flüchtlingskonvention nicht unterzeichnet, die Arbeitsmigrantinnen
haben keinerlei gesetzlichen Schutz und werden nicht selten als „Freiwild behandelt“.
Maier zeigt das am Beispiel der Arbeitsvermittlung auf:
„Es gibt Arbeitsvermittlungsagenturen.
Eine libanesische Familie, die eine Haushälterin haben will, geht dorthin, sucht die
sich im Katalog aus, wahrscheinlich auch noch mit Foto. Die Frau wird dann von der
Agentur in den Libanon geholt, kommt an am Flughafen von Beirut, und schon bei der
Ankunft wird ihr von den libanesischen Behörden der Pass abgenommen und dem libanesischen
Arbeitgeber ausgehändigt. Und der behält dann den Pass bei sich und hat diese Frau
dann praktisch völlig in der Hand.“
Ein Selbstmord pro Woche Auch
in der libanesischen Mittelschicht sei es inzwischen normal, dass viele Familien ein
Hausmädchen hätten, so Maier. Beim Bau der Wohnungen würden sogar Schlafkammern für
die Frauen mit eingeplant. Je nach Nationalität der Arbeitsmigrantinnen würden diese
unterschiedlich behandelt. So würden Philippinas aufgrund ihrer Englischkenntnisse
zumeist noch besser behandelt als etwa Frauen aus Bangladesh oder Nepal, die in der
Rangordnung „ganz unten“ stünden. Was aber passiert mit den Frauen, wenn sie es bei
ihren Gasthaushalten nicht mehr aushalten? Dazu Maier:
„Wenn dann so etwas
passiert, dass die Frauen ihren Lohn nicht bekommen oder geschlagen werden oder ausbeuterisch
behandelt oder im schlimmsten Fall missbraucht werden, es also nicht mehr aushalten
und davonlaufen, dann haben sie eben ihren Pass nicht, und ab diesem Zeitpunkt sind
sie dann illegal und riskieren, dass sie jederzeit bei einem Checkpoint oder bei einer
Kontrolle aufgegriffen werden.“
Nach Angaben von „Human Rights Watch“ verliert
im Libanon jede Woche mindestens eine „Maid“, wie die Hausmädchen dort genannt werden,
bei der Flucht oder durch Suizid ihr Leben. „Sie trinken Spülmittel oder stürzen sich
vom Balkon“, fügt Maier von der Caritas Salzburg an. Oder sie werden aufgegriffen
und landen im Gefängnis:
„Dann kommen sie in der Regel nach Adlya, das
ist ein unterirdisches, absolut unmenschliches Schubhaftgefängnis, eine umgebaute
ehemalige Tiefgarage, mehrere Stockwerke unter der Erde unter einer Autobahnbrücke.
Dort sitzen sie in großen Zellen, wo 50, 60 Personen in einer Zelle sind, ohne Frischluft,
ohne Sonnenlicht werden diese Frauen dann, die sich eigentlich gar nichts zu schulden
kommen haben lassen und die ja die Opfer in dieser ganzen Sache sind, oft monatelang
gefangen gehalten, bis sie dann abgeschoben werden.“
Die Dauer des Abschiebeprozesses
richte sich danach, wie „kooperativ“ das jeweilige Herkunftsland sei, um die Ersatzdokumente
auszustellen, so Maier weiter. Manchmal würden die Frauen lange Zeit nicht als Staatsbürger
des jeweiligen Staates anerkannt, weil sie eben keine Papiere mehr hätten. Ein Lichtblick:
Seit kurzer Zeit erspare eine Vereinbarung der Caritas mit der Sicherheitsdirektion
den Frauen den Gefängnisaufenthalt, fügt Maier an: Sie würden direkt in das Frauenhaus
von Rayfoun geschickt, wo sie bis zu ihrer Abschiebung bleiben könnten. Maier würde
sich mehr Sensibilisierung für das Problem der Arbeitsmigrantinnen im Land wünschen,
auch noch auf Seiten der Kirche:
„Was die Frage der Unterstützung durch
die Kirchen angeht: Hier wäre noch viel mehr Initiative und Engagement möglich. Man
könnte das Thema zum Beispiel während einer Messe ansprechen und auf diese Ungerechtigkeiten
hinweisen. Da wäre sicher hilfsreich, wenn die Kirche hier noch stärker in die Aufklärungsarbeit
einsteigen würde.“
Benedikt XVI. besucht den Libanon im kommenden September.
Der Papst wird in Beirut das postsynodale Schreiben zur Nahostsynode übergeben.
Den
ausführlichen Beitrag über das Frauenhaus von Rayfoun hören Sie am kommenden Donnerstag
in unserem Abendprogramm.