Benedikt XVI. zum 46. Welttag sozialer Kommunikationsmittel
Authentische Kommunikation
speist sich auch aus Stille. Daran hat Papst Benedikt XVI. anlässlich des 46. Welttages
der sozialen Kommunikationsmittel an diesem Sonntag erinnert.
„Die Stille
ist integrativer Teil unserer Kommunikation, sie ist ein privilegierter Ort der Begegnung
mit Gottes Wort und mit unseren Brüdern und Schwestern. Ich lade alle dazu ein, dafür
zu beten, dass die Kommunikation in all ihren Formen immer dazu dienen möge, mit dem
Nächsten einen authentischen Dialog aufzubauen, der auf gegenseitigen Respekt, Zuhören
und das Teilen gründet.“
Für eine „erneuerte Verkündigung Christi in der
Welt von heute“ braucht es das richtige Verhältnis von „Stille“ und „Wort“. Das ist
einer der Kernsätze der Papstbotschaft zum 46. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel.
Benedikt XVI. beschreibt in seiner Botschaft „Stille“ und „Wort“ als wesentliche Elemente
der Kommunikation, die „sich ausgleichen, aufeinander folgen und ergänzen müssen,
um einen echten Dialog und eine tiefe Nähe unter den Menschen zu ermöglichen“. Das
gelte sowohl in der Medienwelt und im Bereich des Journalismus als auch für das „kommunikative
Handeln der Kirche“, führt der Papst aus: „Sich zur Kommunikation erziehen heißt nicht
nur reden, sondern auch hören und betrachten lernen.“
Wir dokumentieren hier
die Papstbotschaft zum 46. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, die den Titel
„Stille und Wort: Weg der Evangelisierung“ trägt. Der Vatikan veröffentlichte die
Botschaft bereits am 24. Januar.
Liebe Brüder und Schwestern!
Im
Hinblick auf den kommenden Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel möchte ich euch
einige Überlegungen bezüglich eines Aspektes des menschlichen Kommunikationsprozesses
unterbreiten, der – obwohl er sehr wichtig ist – bisweilen übersehen wird und an den
zu erinnern heute besonders notwendig erscheint. Es handelt sich um das Verhältnis
von Stille und Wort: zwei Momente der Kommunikation, die sich ausgleichen, aufeinander
folgen und sich ergänzen müssen, um einen echten Dialog und eine tiefe Nähe unter
den Menschen zu ermöglichen. Wenn Stille und Wort sich gegenseitig ausschließen, verschlechtert
sich die Kommunikation, entweder weil sie eine gewisse Betäubung hervorruft oder weil
sie, im Gegenteil, eine Atmosphäre der Kälte schafft; wenn sie jedoch einander ergänzen,
gewinnt die Kommunikation an Wert und Bedeutung.
Die Stille ist ein wesentliches
Element der Kommunikation, und ohne sie gibt es keine inhaltsreichen Worte. In der
Stille hören und erkennen wir uns besser, entwickelt und vertieft sich das Denken,
verstehen wir mit größerer Klarheit, was wir sagen wollen oder was wir vom anderen
erwarten, entscheiden wir, wie wir uns ausdrücken. Wenn man schweigt, erlaubt man
dem Gegenüber, sich mitzuteilen, und auch wir selbst bleiben so nicht nur unseren
eigenen Worten und Ideen verhaftet ohne einen angemessenen Austausch. Auf diese Weise
eröffnet sich ein Raum gegenseitigen Zuhörens, und eine engere menschliche Beziehung
wird möglich. In der Stille erfaßt man zum Beispiel die typischen Momente der Kommunikation
unter Liebenden: die Geste, der Gesichtsausdruck und der Leib als Zeichen, die die
Person erkennen lassen. In der Stille sprechen Freude, Sorgen und Leid, die gerade
in ihr eine besonders intensive Ausdrucksform finden. Aus der Stille also entsteht
eine noch anspruchsvollere Kommunikation, die die Sensibilität und jene Fähigkeit
des Hörens ins Spiel bringt, die oft das Ausmaß und das Wesen der Beziehungen offenbart.
Wo es eine Fülle von Nachrichten und Informationen gibt, wird die Stille unentbehrlich,
um das, was wichtig ist, von dem, was unnütz oder nebensächlich ist, zu unterscheiden.
Eine gründliche Reflexion hilft uns, die Beziehung zu erkennen, die zwischen Ereignissen
besteht, die auf den ersten Blick nicht miteinander in Zusammenhang zu stehen scheinen;
sie hilft uns, die Nachrichten zu bewerten und zu analysieren; und so kann man ausgewogene
und sachbezogene Meinungen teilen und zu echter, gemeinsamer Erkenntnis gelangen.
Daher ist es notwendig, ein förderliches Umfeld zu schaffen, gewissermaßen eine Art
„Ökosystem“, das Stille, Wort, Bilder und Töne in Gleichgewicht zu bringen weiß.
Die
aktuelle Dynamik der Kommunikation verläuft großenteils in einem Prozeß von Fragen
auf der Suche nach Antworten. Die Suchmaschinen und die sozialen Netzwerke sind der
Ausgangspunkt der Kommunikation für viele Menschen, die Rat, Anregungen, Informationen,
Antworten suchen. Das Netz wird heutzutage immer mehr der Ort von Fragen und Antworten;
mehr noch, der Mensch von heute wird von Antworten auf Fragen bombardiert, die er
sich nie gestellt hat, und auf Bedürfnisse, die er nicht empfindet. Die Stille ist
kostbar, um das nötige Unterscheidungsvermögen zu fördern im Hinblick auf die vielen
Umweltreize und die vielen Antworten, die wir erhalten, gerade um die wirklich wichtigen
Fragen zu erkennen und klar zu formulieren. In der komplexen und bunten Welt der Kommunikation
taucht jedenfalls das Interesse von vielen für die letzten Fragen der menschlichen
Existenz auf: Wer bin ich? Was kann ich wissen? Was muß ich tun? Was darf ich hoffen?
Es ist wichtig, sich der Menschen, die diese Fragen stellen, anzunehmen und die Möglichkeit
für ein tiefes Gespräch zu eröffnen, das aus Argumenten und Meinungsaustausch besteht,
das aber auch zum Nachdenken und zur Stille einlädt, die mitunter beredter sein kann
als eine übereilte Antwort und es dem Fragenden erlaubt, in sich zu gehen und sich
für jenen Weg der Antwort zu öffnen, die Gott in das Herz des Menschen eingeschrieben
hat.
Diese unaufhörliche Flut von Antworten macht letztlich die Unruhe des
Menschen deutlich, der stets auf der Suche nach Wahrheit ist, im kleinen wie im großen,
die seiner Existenz Sinn und Hoffnung verleiht. Der Mensch kann sich nicht mit einem
bloßen unverbindlichen Austausch von kritischen Meinungen und Lebenserfahrungen zufriedengeben:
Wir alle sind auf der Suche nach Wahrheit und teilen diese tiefe Sehnsucht, erst recht
in unserer Zeit, denn „beim Austausch von Informationen teilen Menschen bereits sich
selbst mit, ihre Sicht der Welt, ihre Hoffnungen, ihre Ideale“ (Botschaft zum Welttag
der Sozialen Kommunikationsmittel 2011).
Mit Interesse sind die verschiedenen
Websites, Anwendungen und sozialen Netzwerke zu betrachten, die dem Menschen von heute
behilflich sein können, Momente des Nachdenkens und echten Fragens zu erleben, aber
auch Räume der Stille und Gelegenheit zu Gebet, Meditation oder Austausch über das
Wort Gottes zu finden. In der auf das Wesentliche konzentrierten Form kurzer Botschaften,
oft nicht länger als ein Bibelvers, kann man tiefe Gedanken zum Ausdruck bringen,
wenn man es nicht versäumt, das eigene innere Leben zu pflegen. Es ist nicht verwunderlich,
wenn in den verschiedenen religiösen Traditionen die Einsamkeit und die Stille privilegierte
Räume sind, um den Menschen zu helfen, sich selbst und jene Wahrheit wiederzufinden,
die allen Dingen Sinn verleiht. Der Gott der biblischen Offenbarung spricht auch ohne
Worte: „Wie das Kreuz Christi zeigt, spricht Gott auch durch sein Schweigen: Das Schweigen
Gottes, die Erfahrung der Ferne des allmächtigen Vaters, ist ein entscheidender Abschnitt
auf dem irdischen Weg des Sohnes Gottes, des fleischgewordenen Wortes. (…) Das Schweigen
Gottes ist wie eine Verlängerung der Worte, die er zuvor gesprochen hat. In diesen
dunklen Augenblicken spricht Er im Geheimnis seines Schweigens“ (Nachsynodales Apostolisches
Schreiben Verbum Domini, 30. September 2010, 21). Im Schweigen des Kreuzes spricht
die beredte Liebe Gottes, die bis zur äußersten Hingabe gelebt wurde. Nach dem Tod
Christi verharrt die Erde im Schweigen, und am Karsamstag, als „der König ruht“ und
„Gott – als Mensch – in Schlaf gesunken ist und Menschen auferweckt hat, die seit
unvordenklicher Zeit schlafen“ (vgl. Lesehore am Karsamstag), ertönt die Stimme Gottes
voller Liebe zur Menschheit.
Wenn Gott zum Menschen auch im Schweigen spricht,
entdeckt ebenfalls der Mensch im Schweigen die Möglichkeit, mit und von Gott zu sprechen.
„Wir [brauchen] jenes Schweigen, das Kontemplation wird, die uns in das Schweigen
Gottes eintreten und so dorthin gelangen läßt, wo das Wort, das erlösende Wort geboren
wird“ (Predigt in der Eucharistiefeier mit dem Mitgliedern der Internationalen Theologischen
Kommission, 6. Oktober 2006). Wenn wir von der Größe Gottes reden, bleibt unser Sprechen
stets unangemessen; und so öffnet sich der Raum der stillen Betrachtung. Aus dieser
Betrachtung erwächst in all seiner inneren Kraft die Dringlichkeit der Mission, die
gebieterische Notwendigkeit, das, „was wir gesehen und gehört haben“, mitzuteilen,
damit alle in Gemeinschaft mit Gott seien (vgl. 1 Joh 1,3). Die stille Betrachtung
läßt uns eintauchen in die Quelle der Liebe, die uns zu unserem Nächsten hinführt,
um seinen Schmerz zu empfinden und um das Licht Christi anzubieten, seine Botschaft
des Lebens, seine Gabe totaler Liebe, die rettet.
In der stillen Betrachtung
wird das ewige Wort, durch das die Welt erschaffen wurde, noch deutlicher, und man
erkennt den Heilsplan, den Gott durch Worte und Taten in der ganzen Geschichte der
Menschheit verwirklicht. Wie das Zweite Vatikanische Konzil in Erinnerung ruft, ereignet
sich die göttliche Offenbarung in „Tat und Wort, die innerlich miteinander verknüpft
sind: die Werke nämlich, die Gott im Verlauf der Heilsgeschichte wirkt, offenbaren
und bekräftigen die Lehre und die durch die Worte bezeichneten Wirklichkeiten; die
Worte verkündigen die Werke und lassen das Geheimnis, das sie enthalten, ans Licht
treten“ (Dei Verbum, 2). Dieser Heilsplan gipfelt in der Person des Jesus von Nazareth,
dem Mittler und der Fülle der ganzen Offenbarung. Er hat uns das wahre Antlitz von
Gott Vater erkennen lassen, und durch sein Kreuz und seine Auferstehung hat er uns
aus der Knechtschaft der Sünde und des Todes in die Freiheit der Kinder Gottes geführt.
Die Grundfrage über den Sinn des Menschen findet im Geheimnis Christi die Antwort,
die der Unruhe des menschlichen Herzens Friede geben kann. Eben aus diesem Geheimnis
entsteht die Mission der Kirche, und eben dieses Geheimnis drängt die Christen dazu,
Verkünder der Hoffnung und des Heils zu werden, Zeugen jener Liebe, die die Würde
des Menschen stärkt und Gerechtigkeit und Friede schafft.
Wort und Stille.
Sich zur Kommunikation erziehen heißt nicht nur reden, sondern auch hören und betrachten
lernen; das ist besonders wichtig für diejenigen, die das Wort Gottes verkünden: Stille
und Wort sind beide wesentliche und integrierende Elemente des kommunikativen Handelns
der Kirche für eine erneuerte Verkündigung Christi in der Welt von heute. Das ganze
Werk der Evangelisierung, das die Kirche durch die Kommunikationsmittel ausübt, vertraue
ich Maria an, deren Schweigen hört und das Wort Gottes aufblühen läßt (vgl. Gebet
für die Agorà der Jugendlichen in Loreto, 1.-2. September 2007).
Aus dem Vatikan,
am 24. Januar 2012, dem Gedenktag des heiligen Franz von Sales Benedictus PP XVI