In Norwegen geht die jahrhundertealte Tradition der evangelisch-lutherischen Staatskirche
zu Ende. Am Montag will das Parlament über eine Verfassungsänderung abstimmen, die
Voraussetzung für ein neues Kirchengesetz ist. Dabei wird mit einer breiten Zustimmung
gerechnet. Bereits vergangenen Dienstag hatte der zuständige parlamentarische Ausschuss
für Kirche, Ausbildung und Forschung den Gesetzentwurf einstimmig gutgeheißen. Die
neuen Regelungen sehen unter anderem vor, dass anstelle des Staates künftig die norwegische
Kirche Bischöfe und Pröpste ernennen kann. Der Staat ist nicht mehr „konfessionsgebunden“;
der Status des lutherischen Bekenntnisses als „öffentliche Religion“ wird abgeschafft.
Auch die Kirchensteuer in ihrer heutigen Form wird abgeschafft. Minister müssen nicht
mehr Kirchenmitglieder sein.
Kirchenvertreter befürworten die Entwicklung Die
norwegische Kirche befürwortet die Entwicklung. Trude Evenshaug, Sprecherin des Kirchenrats,
erklärte, man habe lange auf dieses Ziel hingearbeitet. „Wir wollten diese Änderungen,
denn wir leben in einer vielfältigen Gesellschaft, und viele Einwohner dieses Landes
sind keine Kirchenmitglieder. Das neue Gesetz ist ein Zeichen für die Gleichberechtigung
aller Glaubensgemeinschaften“, sagte sie im norwegischen öffentlich-rechtlichen Fernsehen.
Für die Menschen selbst seien dadurch keine großen Veränderungen zu erwarten, und
auch an der Feiertagsregelung ändere sich nichts. Laut dem Leiter des Kirchenrats,
Jens-Petter Johnsen, ermöglicht es die künftige Rechtslage der Kirche, sich eigenständig
zu entwickeln. „Das ist das Beste sowohl für den Staat als auch für die Kirche und
die Bevölkerung“, sagte Johnsen. Der Staat könne sich international mit mehr Glaubwürdigkeit
für Menschenrechte einsetzen, und die Kirche erhalte mehr Raum für ihre eigenen Züge.
In einer gemeinsamen Mitteilung des parlamentarischen Ausschusses und der Kirche hieß
es, was man bislang als „Staatskirche“ gekannt habe, werde zu einer offeneren und
demokratischeren Volkskirche. Svein Harberg, Vorsitzender des Ausschusses, sprach
von einem „historischen“ Schritt. „Die norwegische Kirche wird damit eine Glaubensgemeinschaft
wie andere auch“, sagte er.
Das neue Gesetz unterstreicht, die Wertegrundlage
Norwegens ruhe auf dem christlichen und humanistischen Erbe. Die religiöse Tätigkeit
der Kirche sei zwar nicht länger Sache des Staates, doch habe dieser die Aufgabe,
die Kirche als Glaubensgemeinschaft zu unterstützen.