Erzbischof Robert Zollitsch warnt davor, in der katholischen Kirche auf Reformen zu
verzichten. „Es wäre falsch, den Aufbruch nur aus der Angst heraus nicht zu wagen,
er könnte zu weit oder nicht weit genug gehen.“ Das sagte der Vorsitzende der Deutschen
Bischofskonferenz und Gastgeber des Mannheimer Katholikentags kurz vor dessen Beginn
im Interview mit dem „Mannheimer Morgen“. Es gebe „Leute, die sich schwer tun mit
Veränderungen, aber dies gehört zum Leben. Sicher werden manche enttäuscht sein, weil
nicht alle Wünsche erfüllbar sind.“ Zu Fragen nach Streitthemen wie Zölibat, der Rolle
von Frauen oder konfessionsverschiedenen Ehen sagte Zollitsch: „Katholikentage
können keine Entscheidungen treffen, aber solche Themen ansprechen. Wir werden viele
Fragen im Dialogprozess thematisieren – auch die Bischofskonferenz wird Antworten
suchen.“ Mit Blick auf die parallel zum Katholikentag stattfindenden Veranstaltungen
von Reformgruppen meinte Zollitsch: „Im offiziellen Programm kommt die ganze katholische
Kirche zu Wort. Ich kann aber keinem verbieten, sich außerhalb des Programms eigenständig
zu Wort zu melden.“
Der frühere Präsident des Zentralkomitees der Deutschen
Katholiken, Hans Maier, warnt mit Blick auf den Katholikentag vor einem Rückzug
der Kirche aus der Welt. In der „Frankfurter Allgemeinen“ vom Montag schreibt Maier,
der von Papst Benedikt XVI. während seines Deutschlandbesuchs gebrauchte Begriff der
„Entweltlichung“ habe eine „Schlagseite“: „Wenn das Wort an die alte Unterscheidung
erinnern soll, dass die Christen in der Welt leben, sich aber von ihr nicht gefangen
nehmen lassen sollen, so ist es gewiss nützlich und hilfreich.“ Aber eine „entweltlichte
Kirche“ dürfe nicht den Bezug zur Gesellschaft verlieren, mahnt Maier. Er warnt vor
der Tendenz, die Gesamtheit der Gläubigen auf eine kleine Schar von Überzeugten zu
reduzieren. Zudem könne eine solchermaßen verstandene Kirche auch ihren Widerpart
hervorrufen, eine „entkirchlichte Welt“. An Papst und Bischöfe appellierte der langjährige
bayrische Kultusminister, den Spielraum von katholischen Laien in der öffentlichen
Debatte nicht zu beschneiden.
Der 98. Deutsche Katholikentag beginnt am Mittwoch
in Mannheim mit einem Straßenfest. Rund 60.000 Christen aus ganz Deutschland werden
bis Sonntag auf dem Katholikentag erwartet. Auch Bundespräsident Joachim Gauck,
Kanzlerin Angela Merkel sowie mehrere Bundesminister und Ministerpräsidenten
haben ihr Kommen zugesagt. Geplant sind mehr als 1.200 Einzelveranstaltungen: von
Gebeten, biblischen Impulsen und Konzerten bis zu Podiumsdiskussionen und Fachvorträgen.
Binnenkirchlich will der Katholikentag eine wichtige Wegmarke auf dem von der Bischofskonferenz
angestoßenen Dialogprozess zur Zukunft der katholischen Kirche werden.