2012-05-11 14:31:27

D: Arabischer Frühling oder christlicher Winter?


Es ist gegenwärtig „kaum einzuschätzen, ob der ‚Arabische Frühling’ zu einem ‚christlichen Winter’ zu werden droht“. Das sagte der Menschenrechts-Experte Otmar Oehring am Donnerstag bei einer öffentlichen Anhörung im Menschenrechte-Ausschuß des Deutschen Bundestags in Berlin. In Syrien habe es in den letzten Monaten eine Zunahme an Verletzten und Toten aus der christlichen Minderheit gegeben. Es sei nicht auszuschließen, dass es zu einem Bürgerkrieg komme, der auch Elemente eines Religionskrieges in sich trage. Christen könnten dabei zu Opfern der muslimischen Mehrheit werden.
Der Leiterin des Instituts für Islamfragen der Deutschen Evangelischen Allianz, Christine Schirrmacher, zufolge hat der Einsatz für Toleranz und Religionsfreiheit im Nahen Ost momentan wenig Anhänger. Eigentlich müsste sich eine positive Begründung der Religionsfreiheit aus der islamischen Theologie selbst entwickeln; dies sei aber nicht sehr wahrscheinlich. Vielmehr sei eine Verhärtung der Fronten gegenüber religiösen Minderheiten zu beobachten und für die Zukunft ein dramatischer Rückgang des christlichen Bevölkerungsanteils zu befürchten. Schirrmacher forderte die westliche Welt dazu auf, ihre Solidarität mit den Minderheiten klarzustellen und dabei auch Konflikte mit arabischen Ländern nicht zu meiden.
Die Regionalreferentin Nordafrika und Naher Osten des Bischöflichen Hilfswerkes Misereor, Maria Haarmann, informierte über Reaktionen auf einen Religionswechsel von Muslimen. In islamischen Gesellschaften werde dies meist als Verrat angesehen. Das Werben für andere Religionen gelte als Störung der öffentlichen Ordnung. Wenn ein Muslim Christ werde, so werde dabei häufig Zwang oder Täuschung unterstellt. Hingegen stünden Übertritte zum Islam in aller Regel unter staatlichem Schutz. Deutschland müsse deutlichere Worte für Menschenrechtsverletzungen in arabischen Staaten finden, so Haarmann. Sie forderte auch mehr „sichtbare Solidarität“ der Kirchen: „Christen im Orient fühlen sich häufig alleingelassen von ihren westlichen Glaubensbrüdern und -schwestern.“ Gefragt seien Einzelinitiativen und Gemeindepatenschaften.
Der palästinensische evangelisch-lutherische Pfarrer Mitri Raheb aus Bethlehem ging auf die Lage von Christen im Heiligen Land ein. Nach seiner Einschätzung genießen Christen in Palästina mehr Freiheiten als in Israel. Im Nahen Osten gebe es drei Staaten mit einem problematischen Verhältnis von Staat und Religion: Der Iran verstehe sich als islamische Republik, Saudi-Arabien orientiere sich an einem salafistischen Verständnis des Islam, und Israel sehe sich mehr und mehr als jüdischen Staat. Christen würden als Bürger zweiter oder dritter Klasse behandelt. Raheb: „Jeder, der nicht jüdisch ist, wird systematisch benachteiligt.“
(idea 11.05.2012 sk)








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