Der chaldäisch-katholische
Erzbischof von Erbil im Irak, Bashar Warda, hat an den Westen appelliert, die Regierung
der autonomen irakischen Provinz Kurdistan stärker in die Pflicht zu nehmen, damit
sie die Rechte der christlichen Minderheit respektiert. Im irakischen Machtkampf zwischen
Kurden, Sunniten und Schiiten würden die Christen aufgerieben.
„Es gibt
keine Versicherungen, denn wir befinden uns mitten in einer politischen Umwälzung,
die noch nicht zur Ende ist. Dieser politische Prozess betrifft vor allem die Beziehungen
zwischen Kurdistan und der Zentralregierung. Die Christen sind dabei zwischen den
Fronten, denn sie haben keine starke politische Repräsentanz oder Lobby, sondern sie
sind immer nur alliiert, beispielsweise mit Schiiten, oder mit Sunniten oder Kurden.“
Erzbischof
Warda verweist auf die Ausschreitungen gegen christliche Geschäfte in der Diözese
Duhok-Zakho im vergangenen Dezember. Rund 30 christliche Lokale hätten wütende Muslime
damals verwüstet. Sie folgten dem Aufruf eines Imams, der den Alkoholhandel der Christen
geißelte. Der Mob zerstörte allerdings nicht nur Läden, in denen Alkohol verkauft
wurde, sondern auch Cafeterien oder Frisörläden, berichtet Warda. Bis heute hätten
die betroffenen Christen keine Entschädigung erhalten.
„Wenn die Dinge so
bleiben, wie sie sind, wird es keine Zukunft geben. Wenn wir jetzt etwas tun und die
Aufmerksamkeit der Menschen auf diese realen Fälle lenken, könnten wir etwas bewirken.
Wenn es aber bei den Versprechungen bleibt, dann gibt es auch keine Zukunft für die
Christen in Kurdistan.“
Damit es erst gar nicht so weit kommt, sollten
westliche Regierungsvertreter bei den kurdischen Behörden auf ganz konkrete Missstände
hinweisen und Druck machen. Als Beispiel nannte der Erzbischof die ungelöste Landfrage
in einigen christlichen Dörfern im Norden Kurdistans.
„Ich denke die letzte
Hoffnung, die die Christen innerhalb dieses Landes haben, ist die Tatsache, dass Kurdistan
sehr auf seinen Ruf bei den Europäern oder Amerikanern bedacht ist. Wir müssen einen
Weg finden, diese Fälle vorzubringen. Anstatt immer generell auf die Situation der
Christen zu verweisen und schöne Versprechungen zu erhalten, sollten wir lieber auf
konkrete Fälle hinweisen, die das tägliche Leben der Christen betreffen und später
ihr Hierbleiben, oder zumindest ihr Vertrauen in dieses Land, beeinflussen können.“
In
den 1970er-Jahren wurden die Christen vom Saddam-Regime vertrieben und Kurden und
Jesiden angesiedelt. Nach dem Sturz des Regimes 2003 kamen viele Christen - mit Unterstützung
der kurdischen Autonomiebehörden - zurück in ihre ursprüngliche Heimat. Doch nach
wie vor werde ein Großteil ihrer Ländereien von Kurden und Jesiden bewirtschaftet,
so der Erzbischof. Die Behörden hätten zwar versprochen, für die Rückgabe an die rechtmäßigen
Besitzer zu sorgen, den Worten seien bisher aber kaum Taten gefolgt. Das sei ein klassischer
Fall, bei dem Druck aus dem Westen hilfreich wäre.
Für das Bistum kündigte
der Erzbischof ein Sozialprogramm an. Weiters sei eine eigene Fabrik für Schuleinrichtungen
geplant. Im Irak fehlen nach Schätzung des Erzbischofs 5.000 Schulen; es gebe also
genug zu tun, so Warda.
Hintergrund
Erzbischof Bashar
Warda steht der Diözese Duhok-Zakho als Administrator vor. Schon im Oktober 2010 war
der letzte Bischof, Patros Harboli, verstorben. Seither wurde noch kein Nachfolger
bestellt. Er hoffe allerdings, so Warda, dass dies bald der Fall sein werde.
Die
Erzdiözese Erbil liegt in der sicheren irakischen autonomen Region Kurdistan. Die
Zahl der Christen ist hier seit 2003 von 5.000 auf 28.000 gestiegen, weil zahllose
Flüchtlinge aus unsicheren Landesteilen kamen. In der Erzdiözese seien Christen nicht
in Lebensgefahr, es fehle aber an sozialer und wirtschaftlicher Sicherheit, so Warda.
Die Kirche setzt sich nach Kräften für die Menschen ein. Der Erzbischof verwies
auf das jüngste Schulprojekt der Erzdiözese Erbil. Vor kurzem wurde in Ankawa, einer
christlichen Kleinstadt in unmittelbarer Nähe zu Erbil, eine Schule für 6- bis 18-jährige
eröffnet, die nach internationalem Lehrplan geführt wird. Dies sei eine Investition
in die Zukunft des Landes, so der Erzbischof. Die Errichtung eines internationalen
Kollegs sei in Planung.
Warda, 1969 in Bagdad geboren, wurde 1993 zum Priester
geweiht. Zwei Jahre später trat er dem Redemptoristen-Orden bei und schloss seine
Ordensausbildung im irischen Dundalk ab. 1999 promovierte er an der belgischen Katholischen
Universität Löwen in Moraltheologie.
Vor seiner 2010 erfolgten Bestellung
zum Erzbischof war Warda Regens des zentralen chaldäischen Priesterseminars. Das Seminar
befand sich bis 2006 in Bagdad, wurde dann aber aus Sicherheitsgründen nach Ankawa
verlegt. 22 Studenten aus dem gesamten Irak, aber auch aus der Türkei, Frankreich,
Ägypten, Australien und dem Iran, besuchen das Seminar. Für heuer stehen drei Neupriesterweihen
an: zwei für die Erzdiözese Erbil und eine für die Erzdiözese Bagdad.