lexander Kluge über Benedikt XVI.: „Nicht Dompteur, sondern Gärtner“
Der deutsche Intellektuelle Alexander Kluge lobt den „Vorhof der Völker“. Im Gespräch
mit Radio Vatikan begrüßte der Schriftsteller und Filmemacher die Initiative, mit
der der Päpstliche Kulturrat im Auftrag von Papst Benedikt seit einem guten Jahr das
Gespräch mit Nichtglaubenden sucht.
„Ich finde sie sehr weise. Denn ich
glaube nicht, dass wir nur mit den wenigen Glücklichen, die die Wahrheit besitzen,
in der Welt auskommen, sondern dass der Irrtum auch etwas ist, aus dem wir dauernd
lernen. Insofern glaube ich, dass Dialog, der hier angedeutet ist, überhaupt ein Grundprinzip
ist, das seit der Antike heilsam war. Der Dialog und nicht das Geschlossene ist etwas
Positives.“
Kluge äußerte sich in dem Gespräch auch über Papst Benedikt
XVI.: Er habe „sehr gestaunt, wie ein 85 Jahre alter Mann die Kirche sehr würdig und
auch körperlich sehr vital vertritt“.
„Er ist eine starke spirituelle Erscheinung.
Ich finde, der Vorwurf, der oft erhoben wird, er sei zu konservativ, ist kein Vorwurf:
Man soll bewahrend sein! Man soll nicht Dompteur sein, aber man soll Gärtner sein.
Er ist in diesem Sinne ein guter Gärtner des Glaubens.“
Der Autor, der
vor ein paar Tagen achtzig Jahre alt wurde, würde sich mit dem Papst gerne einmal
unterhalten.
„Vieles verbindet mich mit seinem Lebenslauf. Ich bin zwar
fünf Jahre jünger als er, aber wir haben sehr viel gesehen in diesem 20. und beginnenden
21. Jahrhundert. Und ich würde ihn schon auch nach seinen Einschätzungen über das
21. Jahrhundert befragen wollen. Ich könnte mit ihm zum Beispiel sprechen über seine
Sicht auf die Gegenwart, und das würde unwillkürlich bei mir die Frage auslösen, dass
er sich mit mir über die Antike unterhält. Über die Geschehnisse aus der Zeit Jesu.“
Der
Historiker Kluge hat sich einmal filmisch mit den sogenannten apokryphen Evangelien
auseinandergesetzt; darum würde er mit Benedikt XVI. gerne einmal über das „Pilatus-Evangelium“
sprechen, das nicht in den Kanon des Neuen Testaments aufgenommen wurde.
„Das
ist ein sehr eigenartiges Buch, nach dem Pilatus – nach dem Tode Jesu – zu Kaiser
Tiberius berufen wird. Kaiser Tiberius will ihn strafen und verurteilt ihn zum Tode.
Da bekehrt sich Pilatus in der Nacht vor seinem Tod. Und sein Haupt wird von einem
Engel emporgetragen. Eine solche Phanthasie! Keine ketzerische, sondern eine gläubige
Phantasie. Ich würde versuchen, mich mit ihm über so einen antiken Text zu unterhalten.“
Auf
die Frage, wie überzeugend er die Kirche von Rom finde, antwortete Alexander Kluge:
„Ich
wünschte mir von Herzen, dass das Augsburger Konkordat – also bevor die Reformation
kam – zu einem Religionsfrieden geführt hätte. Das ist hinterher jetzt nicht mehr
künstlich herzustellen. Aber dass es keine Spaltung gegeben hätte, wenn die Kräfte
der Reformation und Gegenreformation sich vereinigt hätten, so wie in der Oper von
Palästrina, dass also die Kirchenreform allseitig gelungen wäre, ist etwas, was ich
sehr schön fände. Ich glaube an die Universalität der Kirche.“
Das vollständige
Interview mit Alexander Kluge hören Sie am Sonntagabend bei uns – in Aldo Parmeggianis
Sendung: „Menschen in der Zeit“.