2012-05-05 15:32:06

lexander Kluge über Benedikt XVI.: „Nicht Dompteur, sondern Gärtner“


Der deutsche Intellektuelle Alexander Kluge lobt den „Vorhof der Völker“. Im Gespräch mit Radio Vatikan begrüßte der Schriftsteller und Filmemacher die Initiative, mit der der Päpstliche Kulturrat im Auftrag von Papst Benedikt seit einem guten Jahr das Gespräch mit Nichtglaubenden sucht.

„Ich finde sie sehr weise. Denn ich glaube nicht, dass wir nur mit den wenigen Glücklichen, die die Wahrheit besitzen, in der Welt auskommen, sondern dass der Irrtum auch etwas ist, aus dem wir dauernd lernen. Insofern glaube ich, dass Dialog, der hier angedeutet ist, überhaupt ein Grundprinzip ist, das seit der Antike heilsam war. Der Dialog und nicht das Geschlossene ist etwas Positives.“

Kluge äußerte sich in dem Gespräch auch über Papst Benedikt XVI.: Er habe „sehr gestaunt, wie ein 85 Jahre alter Mann die Kirche sehr würdig und auch körperlich sehr vital vertritt“.

„Er ist eine starke spirituelle Erscheinung. Ich finde, der Vorwurf, der oft erhoben wird, er sei zu konservativ, ist kein Vorwurf: Man soll bewahrend sein! Man soll nicht Dompteur sein, aber man soll Gärtner sein. Er ist in diesem Sinne ein guter Gärtner des Glaubens.“

Der Autor, der vor ein paar Tagen achtzig Jahre alt wurde, würde sich mit dem Papst gerne einmal unterhalten.

„Vieles verbindet mich mit seinem Lebenslauf. Ich bin zwar fünf Jahre jünger als er, aber wir haben sehr viel gesehen in diesem 20. und beginnenden 21. Jahrhundert. Und ich würde ihn schon auch nach seinen Einschätzungen über das 21. Jahrhundert befragen wollen. Ich könnte mit ihm zum Beispiel sprechen über seine Sicht auf die Gegenwart, und das würde unwillkürlich bei mir die Frage auslösen, dass er sich mit mir über die Antike unterhält. Über die Geschehnisse aus der Zeit Jesu.“

Der Historiker Kluge hat sich einmal filmisch mit den sogenannten apokryphen Evangelien auseinandergesetzt; darum würde er mit Benedikt XVI. gerne einmal über das „Pilatus-Evangelium“ sprechen, das nicht in den Kanon des Neuen Testaments aufgenommen wurde.

„Das ist ein sehr eigenartiges Buch, nach dem Pilatus – nach dem Tode Jesu – zu Kaiser Tiberius berufen wird. Kaiser Tiberius will ihn strafen und verurteilt ihn zum Tode. Da bekehrt sich Pilatus in der Nacht vor seinem Tod. Und sein Haupt wird von einem Engel emporgetragen. Eine solche Phanthasie! Keine ketzerische, sondern eine gläubige Phantasie. Ich würde versuchen, mich mit ihm über so einen antiken Text zu unterhalten.“

Auf die Frage, wie überzeugend er die Kirche von Rom finde, antwortete Alexander Kluge:


„Ich wünschte mir von Herzen, dass das Augsburger Konkordat – also bevor die Reformation kam – zu einem Religionsfrieden geführt hätte. Das ist hinterher jetzt nicht mehr künstlich herzustellen. Aber dass es keine Spaltung gegeben hätte, wenn die Kräfte der Reformation und Gegenreformation sich vereinigt hätten, so wie in der Oper von Palästrina, dass also die Kirchenreform allseitig gelungen wäre, ist etwas, was ich sehr schön fände. Ich glaube an die Universalität der Kirche.“

Das vollständige Interview mit Alexander Kluge hören Sie am Sonntagabend bei uns – in Aldo Parmeggianis Sendung: „Menschen in der Zeit“.

(rv 01.05.2012 ap/sk)








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