2012-05-04 15:13:01

Ukraine: Die Mitverantwortung der EU


Aus Protest gegen die Politik von Präsident Viktor Janukowitsch wird die gesamte EU-Kommission Spielen der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine fernbleiben. Die EU-Delegation in der ukrainischen Hauptstadt erklärte, die Haltung von Kommissionspräsident Manuel Barroso werde von allen EU-Kommissaren geteilt. Für den deutschen Politologen Andreas Umland von der ukrainischen Nationaluniversität „Mohyla-Akademie“ in Kiew trägt aber ist die Europäische Union nicht ganz unschuldig an der Lage in der Ukraine. Der Dozent und Lektor des DAAD begründete dies im Gespräch mit RV folgendermaßen:

„Ich denke, dass die EU doch eine gewisse Mitverantwortung für die Ereignisse in der Ukraine trägt, einerseits wegen dieser sehr verspäteten Reaktion auf die antidemokratischen Tendenzen – eine Delegation des Europaparlaments hatte sogar im Frühjahr 2010 kurz nach dem Machtantritt Janukowitschs diesem einen Besuch abgestattet, womit diese Delegation im Grunde die Machtkonzentration unterstützt hat und hier sozusagen ein Signal gab, das Janukowitsch offenbar so verstanden hat, dass es in Ordnung sei, die Macht derart in seinem Amt zu konzentrieren.“

Eine zweite Tatsache sei, dass die EU sich nach wie vor weigere, der Ukraine eine Beitrittsperspektive zu eröffnen. Damit verstoße sie gegen wichtige Erkenntnisse aus früheren Demokratisierungsprozessen in Osteuropa, meint Umland:

„Die Forschung ist sich darüber einig, dass eine Mitgliedschaftsperspektive für Länder wie Rumänien, Bulgarien, die Slowakei oder nun auch Serbien oder sogar die Türkei eine wichtige Rolle für die innenpolitischen Entwicklungen gespielt hat; ohne eine solche Perspektive kranken diese postautoritären Staaten an den Zerwürfnissen und Problemen, die man aktuell in der Ukraine beobachten kann.“

Der Politologe wirft der Politik in gewisser Weise Pflichtversäumnisse vor, denn man habe es wohl mittlerweile mit einer geächteten Regierung in der Ukraine zu tun. Aber:

„Diese Ächtung hätte schon früher erfolgen sollen, da die großen politischen Weichenstellungen wie die Entmachtung der Opposition, die Manipulation des Rechtsstaates, im Grunde schon seit 2010 deutlich zu sehen waren. Und nun kommt mit einiger Verspätung auch die Reaktion aus dem Westen.“

Westliche Politiker, wie erst am Donnerstag Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse gegenüber Radio Vatikan, wehren sich gegen diesen Vorwurf und sehen die Versäumnisse eher bei der Berichterstattung und der öffentlichen Meinung selbst. Diese interessierten sich erst jetzt mit dem Näherrücken der Fußball-EM für die Stellungnahmen, die laut Thierse schon seit längerem abgegeben wurden. Polens politische Führung – das Land richtet das Sportereignis neben der Ukraine aus – zeigte sich über die Behandlung der Oppositionsführerin Julia Timoschenkos derweil „irritiert“, nannte die Boykottforderungen in diesem Ausmaß jedoch „unangemessen“.

(rv 04.05.2012 cs)







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