Nepal: „Religionsfreiheit in neuer Verfassung verankern“
Nepals neue Verfassung
muss Religionsfreiheit garantieren. Das hat der apostolische Vikar für das Land, Bischof
Anthony Sharma, im Gespräch mit dem vatikanischen Fides-Dienst gefordert: „Wir wollen
einen laizistischen Staat, der Freiheit und individuelle Rechte schützt und alle religiösen
Gemeinschaften anerkennt. Wir hoffen auf eine Verfassung, die den Frauen gleiche Rechte
zugesteht und die definitiv das Kastensystem überwindet“, bekräftigte Bischof Sharma,
der zugleich an den „guten Willen“ und das „Verantwortungsbewusstsein“ aller politischen
Kräfte appellierte. Die Arbeit an der neuen nepalesischen Verfassung, die bis zum
27. Mai fertig sein muss, war wegen politischer Unstimmigkeiten ins Stocken geraten.
Auf dem Spiel steht nicht nur die Demokratisierung des Landes, sondern auch die Zukunft
der Religionen. Im überwiegend hinduistischen Nepal gibt es 15 Prozent Buddhisten,
3 Prozent Muslime und nur zwei Prozent Christen, es herrscht striktes Missionierungsverbot.
Das wird nach Ansicht des ehemaligen Caritas-Präsidenten des Landes, Pater Silas Bogati,
auch mit der neuen Verfassung nicht fallen:
„Selbst wenn die neue Verfassung
kommt, wird sie keine Fortschritte bei der Religionsfreiheit garantieren. Das ist
bereits aus dem Verfassungsentwurf, den wir gesehen haben, ersichtlich, und auch im
Strafgesetz wird es die Religionsfreiheit nicht geben. Es wird eine Klausel geben,
die Evangelisierung verhindern und kriminalisieren wird. Dies ist bereits im Verfassungsentwurf,
den wir selbst gesehen haben, geschrieben. Und es wird wohl nicht mehr geändert werden.“
Dabei
ist es noch nicht einmal sicher, ob die Politiker es schaffen werden, die Verfassung
bis zum erwarteten Datum abzugeben. Pater Bogati setzt dennoch auf eben jenen „guten
Willen“, den sich auch der apostolische Vikar von der politischen Führung des Landes
erhofft:
„Die Politiker scheinen zusammen zu arbeiten, um ihre Differenzen
zu überwinden und die neue Verfassung zu verabschieden. Der 27. Mai ist der Stichtag,
und es heißt, sie werden eine neue formelle Verfassung vorstellen, vielleicht ein
wenig in Eile, aber sie versuchen, Konsens zu erreichen. Und einige Probleme, die
sie haben, zu lösen, wie zum Beispiel den Föderalismus unter ethnischen und geographischen
Gesichtspunkten und auch die Struktur der Regierung. Sie scheinen der Lösung von einigen
dieser Probleme näher zu kommen und wir können uns wohl etwas zum Stichtag erwarten.“
Zwar
werde die neue Verfassung bei der Stabilisierung des Landes helfen, zeigt sich der
Pater hoffnungsvoll. Die religiösen Minderheiten aber schienen darin kaum berücksichtigt
zu werden, merkt er weiter an. Überhaupt sieht der Geistliche auf Seiten der Politiker
wenig Bereitschaft, mehr für die Religionen zu tun:
„Auch im vorläufigen
Entwurf der Verfassung, der bereits kursierte, haben die Politiker im Grunde dieselben
Regeln beibehalten, die auch in der Verfassung davor enthalten waren. Sie scheinen
sich mehr Sorgen um die aktuellen politischen Probleme zu machen und darum, die Differenzen
zwischen den Parteien auszuräumen. Religionsfreiheit scheint auf der Prioritätenliste
ganz unten gelandet zu sein.“
Was kann die christliche Minderheit tun,
um gegen diese Tendenz anzugehen? Dazu Pater Bogati:
„Ich denke, wir müssen
weiterhin Lobby- und Aufklärungsarbeit betreiben, um Rechte für alle religiösen Minderheiten
zu bekommen. Wir müssen immer weiter an diesem Thema arbeiten.“
Die Nichtregierungsorganisation
„Christian Solidarity Worldwide“ hat unterdessen in einer Verlautbarung gefordert,
dass die Internationale Gemeinschaft Druck auf die verfassungsgebende Versammlung
ausüben solle. Auch sie weist darauf hin, dass der Schutz grundlegender Menschenrechte
der nepalesischen Bürger, vor allem das Recht auf Religionsfreiheit, garantiert sein
müsse. Es gelte die nepalesische „Kultur des religiösen Pluralismus“ zu erhalten.
Hintergrund:
Der
nepalesische Premierminister hat am Mittwoch Abend sein Kabinett aufgelöst und bekannt
gegeben, dass er eine neue Regierungskoalition gründen wolle, die auch Mitglieder
der Oppositionsparteien einschließe. Die wichtigsten beiden Oppositionsparteien haben
bereits angekündigt, dass sie seiner neuen Regierung beitreten wollen. Sollte dieses
Übereinkommen Wirklichkeit werden, könnte es der neuen Verfassung den Weg ebnen. Nepals
Höchstes Gericht hatte die Verfassungsgebende Versammlung, die 2008 gewählt worden
war, verpflichtet, die Verfassung bis zum 27. Mai 2012 geschrieben zu haben. Diese
neue Verfassung ist ein Schlüsselfaktor im Friedensprozess, der 2006 in Gang gesetzt
wurde, als maoistische Rebellen ihren bewaffneten Widerstand aufgegeben hatten und
in die Politik eingetreten sind.