2012-05-03 15:06:00

Wahl in Frankreich: „Ich sehe gar nicht, wohin das steuern soll“


RealAudioMP3 Am Sonntag geht Frankreich in die zweite Runde der Präsidentenwahlen, und alle Umfragen sprechen dafür, dass der Sozialist Francois Hollande den Konservativen Nicolas Sarkozy aus dem Amt des Staatschefs verdrängen wird. In der ersten Runde haben Frankreichs Katholiken überdurchschnittlich für Sarkozy gestimmt – glaubt die Kirche, dass sie mit dem möglichen Präsidenten Hollande schlechter auskommen wird? Das fragten wir an diesem Donnerstag in Rom den Erzbischof von Dijon, Roland Minnerath.


„Das werden wir am nächsten Sonntag sehen, wer (bei der Wahl als Sieger) herauskommt! Aber egal, wer herauskommt: Wir sind ja ein Rechtsstaat. Da muss man sich an das Recht halten und nicht meinen, dass man der allgemeinen Gesellschaft Normen aufzwingen könnte, die gegen das Empfinden und die Grundrechte sind.“


Mit dieser Bemerkung zielt der ursprünglich aus dem Saarland stammende Erzbischof aus Burgund auf ein Wahlversprechen von Hollande ab. Dieser will die Trennung von Staat und Religion in der Verfassung verankern. Minnerath dazu:


„Erster Punkt: Die Laizität steht ja schon in der Verfassung! Dort heißt es: Die Republik ist ,laique‘, das heißt säkular. Hollande sagt nun, er wolle das Gesetz der Trennung (von Staat und Religion) von 1905 in der Verfassung verankern. Das ist aber nicht möglich, juristisch gesehen, weil dieses Gesetz mindestens vierzigmal in einem Jahrhundert verändert wurde, und in diesem Gesetz haben Sie Normen, die schon längst nicht mehr angewandt werden, die obsolet sind! Also, in die Verfassung kann man nur allgemeine Prinzipien einschreiben, und ich sehe gar nicht, wohin das steuern soll. Dieser Punkt ist nicht umzusetzen!“


Der Erzbischof macht keinen Hehl daraus, dass die französische Kirche das Wahlergebnis mit einer gewissen Unruhe abwartet. Rechts wie links in Frankreichs Gesellschaft gebe es Kreise, die „die Religion ganz vom offenen Markt ausschließen möchten“, so Minnerath. Aber das sei gar nicht möglich.


„Religion kann nicht nur im persönlichen Wohnzimmer gefeiert werden, sondern Religion ist von sich aus für die Öffentlichkeit. Der französische Staat tut sich schwer mit dem Islam – da ist das Problem. Und dadurch möchte mancher allgemeine Normen veranlassen, um die Religion als solche – also alle Religionen – immer mehr aus der Öffentlichkeit zu verdrängen. Das ist auch nicht haltbar! Was wir immer mehr betonen, auf jeden Fall die katholische Kirche: Wir sind alle für Religionsfreiheit, aber die heißt, sich an die Vorschriften z.B. der Europäischen Menschenrechtskonvention, Artikel 9, zu halten. Das ist, was für uns Europäer normativ ist – und da steht mehr drin als im französischen Trennungsgesetz!“


Die Angst vieler Franzosen vor der Überfremdung durch muslimische Zuwanderer zeigte sich immer wieder in diesem Präsidentschaftswahlkampf – ob bei einer Debatte um muslimisches „halal“-Fleisch in Schulkantinen oder beim Streit um die Durchsetzung des neuen Burka-Verbots. Erzbischof Minnerath befürchtet, dass diese Debatten böse Nebenwirkungen für die Sichtbarkeit des Christentums in der französischen Gesellschaft haben.


„Der Staat ist nicht dafür zuständig zu beurteilen, ob dies oder das zur Religion gehört, sondern er ist dafür zuständig, für öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die Rechte von allen anderen zu sorgen – das sind die Befugnisse des Staates in dieser Sache! Schade, dass der Staat manchmal nicht nur aus diesen Befugnissen heraus vorgeht, sondern gegen die Religion allgemein! Wir hatten z.B. nie ein Problem mit kleinen christlichen Zeichen wie etwa einem Kreuz – das war in Frankreich nie ein Problem! Jetzt hat man versucht, alle Zeichen zu verbieten, in der Schule z.B. – weil man das islamische Kopftuch abschaffen wollte.“


Die Republik sollte sich „umschauen, wie diese Probleme anderswo in Europa geregelt werden“, um die Sache „mit etwas mehr Heiterkeit anzugehen“, rät der Erzbischof von Dijon. Und er erinnert an die Wahlprüfsteine, die die Bischofskonferenz zu Beginn des Wahlkampf veröffentlicht hatte: Sie enthalten unter anderem das Nein zur Euthanasie und die Betonung des christlichen Ehe- und Familienbildes. Gerade auf diesen Feldern könnte es Streit zwischen Kirche und Staat geben, sollte der nächste Präsident Frankreichs tatsächlich Francois Hollande heißen. Am Sonntag ist die Stichwahl.

(rv 03.05.2012 sk)








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