Die Texte des II.
Vatikanischen Konzils neu lesen, und zwar so, wie Papst Benedikt XVI. das in seiner
berühmten Weihnachtsansprache an die römische Kurie 2005 formuliert hat: in einer
Lesart der Kontinuität und nicht des Bruchs mit dem Vorhergehenden, mit der Tradition.
Das ist gar keine leichte Aufgabe heute, 50 Jahre nach dem Auftakt des Konzils, das
1965 endete. Insgesamt 16 offizielle Dokumente verabschiedete die große Bischofsversammlung,
und sie behandeln sämtliche Kernthemen der katholischen Kirche und ihrer Sendung in
der Welt: von der Liturgie über die Mission, von der Heiligen Schrift über die Aufgabe
der Laien, vom Ökumenismus bis zur Religionsfreiheit und mehr. An diesem Donnerstag
beginnt an der päpstlichen Universität Santa Croce ein internationaler Kongress zum
II. Vatikanischen Konzil, der versucht, eine Gesamtschau der Texte vorzulegen. Der
an Santa Croce lehrende Kirchenhistoriker Johannes Grohe hat den Kongress mitorganisiert.
„Wir möchten damit neu das Interesse für das Konzil als Lehramt, als
feierliches Lehramt der Kirche wachrufen, damit nicht in der Diskussion um die Rezeption
der einzelnen Texte und Textstücke vergessen wird, dass das Konzil Ausdruck des obersten
Lehramtes der Kirche ist vor mittlerweile 50 Jahren; aber für die Rezeption eines
ökumenischen Konzils sind, was ich als Historiker sagen darf, 50 Jahre sehr wenig.“
Papst Benedikt hat ein Jahr des Glaubens ausgerufen und dessen
Beginn am 11. Oktober 2012 angesetzt – das ist der 50. Jahrestag des Beginns des II.
Vatikanums. Er erhofft sich von vielen Elementen des Konzils starke Impulse für das
Glaubensleben heute. Nach Einschätzung von Johannes Grohe harren nicht wenige Aspekte
der Konzilsbeschlüsse noch ihrer Entdeckung:
„Das Konzil hat Großes
vorgelegt über das, was die Kirche selber ist, was das Volk Gottes ist. Wir haben
im Grund noch ungehobene Schätze. Und was mir persönlich naheliegt, ist deutlich zu
machen, dass das Volk Gottes als Ganzes Kirche ist, dass die Laien in der Kirche eine
große Aufgabe und Berufung haben, dass es keine verschiedenen Klassen von Berufung
zur Fülle des christlichen Lebens, oder sagen wir es mit dem theologischen Begriff:
zur Heiligkeit gibt, sondern dass das alle Glieder des Volkes Gottes in gleicher Weise
angeht.“
Der zweitägige Kongress an der Santa Croce-Universität
trägt den Titel „Der permanente Wert einer Reform für die Neuevangelisierung“ und
steht unter der Schirmherrschaft des Erzbischofs von München und Freising, Kardinal
Reinhard Marx. Über die liturgische Konstitution „Sacrosanctum Concilum“ spricht Helmut
Hoping von der Universität Freiburg im Breisgau, über die Pastoralkonstitution „Gaudium
et Spes“ der emeritierte Osnabrücker Sozialwissenschaftler Manfred Spieker.