Irak: Neues Kloster für interreligiöse Begegnungen
Im Nordirak entsteht
ein neues Kloster, das Stätte der Begegnung und des Gebets für Christen und Muslime
sein soll. Vorbild ist das syrische Kloster Mar Moussa. Ein Mönch der Klostergemeinschaft,
der Schweizer Jens Petzold, befindet sich bereits seit zwei Monaten vor Ort; in den
kommenden Tagen sollen ein weiterer Mitbruder sowie zwei Schwestern folgen, sagte
Petzold der Agentur „Kathpress“ in Süleymaniye, jener nordirakischen Stadt, in der
das Kloster entsteht.
Die Initiative zu diesem Projekt geht sowohl vom
chaldäischen Erzbischof Louis Sako von Kirkuk als auch von der Gemeinschaft von Mar
Moussa selbst aus. Erzbischof Sako lud die Gemeinschaft des Klosters in Syrien ein,
die alte Marienkirche in Süleymaniye wiederzubeleben und entsprechend den Klosteranforderungen
umzugestalten.
Wie Bruder Jens sagte, habe die Gemeinschaft schon länger
eine Erweiterung ihrer Aktivitäten im Osten angestrebt. So habe man bereits Gemeinschaften
im Iran und in Pakistan angedacht, in beiden Ländern sei eine Umsetzung derzeit aber
nicht möglich.
Auch der Irak sei immer wieder zur Diskussion gestanden. Die
Konstellation einer christlichen Minderheit in einem muslimischen Land sei für die
Gemeinschaft von Mar Mousa höchst interessant. Petzold: „Wir wollen für die christliche
Minderheit da sein und zugleich durch unsere Präsenz mit dem Islam in Dialog treten.“
„Wir wollen sicher nicht nur Mönche ins Land importieren“
Für
die Christen in der Stadt will Petzold spirituelle Angebote entwickeln. Er könne sich
jedenfalls gut vorstellen, dass die kontemplative Spiritualität von Mar Moussa auch
im Irak Christen anspricht. Zugleich wird der Mönch Imame, Scheichs und Moscheen aufsuchen,
um „gute nachbarschaftliche Beziehungen“ aufzubauen.
Die Marienkirche in
Süleymaniye ist die alte, bereits seit vielen Jahren ungenutzte Pfarrkirche der Stadt.
Gemäß den Sitten und Bräuchen des orientalischen Christentums und des Islams sollen
die Kirchenbänke entfernt und stattdessen Gebetsteppiche ausgelegt werden. So soll
die Begegnungsstätte Gläubige beider Religionen ansprechen und als Ort des Dialogs
und des gemeinsamen Gebetes neue Perspektiven aufzeigen. Auf lange Sicht hofft Petzold
auf heimischen Klosternachwuchs: „Wir wollen sicher nicht auf Dauer Mönche in den
Irak importieren.“
Vorbild ist Kloster Mar Moussa in Syrien
Das
syrisch-katholische Kloster Mar Moussa war zuletzt Ende Februar diesen Jahres in die
Schlagzeilen geraten, als es von 30 schwer bewaffneten und maskierten Männern überfallen
und nach Waffen und Geld durchsucht wurde. Die im Kloster anwesenden Mönche und Gäste
befanden sich stundenlang in der Gewalt der Bewaffneten; Verletzte gab es nicht. Ob
es sich bei den Tätern um Regimegegner, Geheimpolizisten oder „gewöhnliche Kriminelle“
handelte, ist umstritten. Bruder Jens wollte sich zu den Vorkommnissen nicht öffentlich
äußern, obwohl man durchaus Verdachtsmomente und mögliche Motive kenne.
Das
vom italienischen Jesuiten Pater Paolo Dall'Oglio revitalisierte Kloster ist ein wichtiges
Zentrum des interreligiösen Dialogs in Syrien. Auch hat sich Pater Dall'Oglio mit
seiner Gemeinschaft entschieden für demokratische Reformen in Syrien ausgesprochen,
ohne mit den militanten Gegnern von Präsident Assad gemeinsame Sache zu machen. Zum
Zeitpunkt des Überfalls hielt sich Dall'Oglio in Damaskus auf.
Die Tradition
von Mar Moussa reicht in das 5./6. Jahrhundert zurück. Der volle Name des Klosters
lautet „Mar Moussa el-Habashi“, übersetzt „Heiliger Moses, der Abessinier“ und bezieht
sich auf einen aus Äthiopien stammenden Heiligen aus hocharistokratischem Geschlecht,
der Vermögen, Familie und Karriere in der Heimat zurückließ, um in Syrien als schlichter
Einsiedler zu leben. Die heutige Kirche des Klosters stammt aus dem Jahr 1058. Mehr
als 300 Jahre war das Kloster verlassen, bis es Pater Dall'Oglio revitalisierte.