2012-04-30 13:47:51

D/Türkei: Mor Gabriel und die Religionsfreiheit


Es ist eines der ältesten Klöster der Christenheit überhaupt: Mor Gabriel. 397 nach Christus wurde es gegründet. Es liegt in Kleinasien, genauer: In der Türkei. Seit Ende vergangenen Jahres laufen nun Gerichtsverfahren gegen das Kloster, es geht um Enteignung von Klostergrund der syrisch-orthodoxen Abtei. Das hat in der vergangenen Woche auch den deutschen Bundestag auf den Plan gerufen: Die Parlamentarier riefen in einer Aussprache zum Erhalt des Klosters auf. David Gehlen ist Rechtsanwalt und Mitglied der „Initiative Mor Gabriel.“ Er berichtet von den Vorwürfen gegen das Kloster.


„Es gibt verschiedene Vorwürfe, von den umliegenden Dörfern, also von den kurdischen und muslimischen Dorfbewohnern, und auch von staatlichen Behörden. Es fängt an damit, dass gesagt wird, das Kloster habe zum Beten zu viel Land, so viel braucht man nicht. Dann wird dem Kloster Missionierung vorgeworfen. Im Kloster wird die aramäische Sprache und syrisch-orthodoxe Religion unterrichtet, das sei illegal. Kinder werden dort – angeblich illegal – ausgebildet. Man wirft den Klosterbewohnern vor, dass sie das Land erobert, eine Moschee zerstört und das Kloster darauf gebaut hätten. Das Kloster soll in ein Museum umgewandelt werden.“


Bis in die 60er Jahre hinein lebten in der Region um das Kloster noch 200.000 Aramäer, heute ist es nur noch ein Bruchteil, etwa 2.500. Gehlen berichtet, wie die Situation im Kloster heute ist.


„Zur Zeit ist die Lage sehr angespannt. Die Leute, die im Kloster leben – etwa 70 – trauen sich kaum mehr in die benachbarten Städte und gehen wirklich nur noch aus dem Kloster heraus, wenn sie müssen. Das Klosterleben ist durchweg geprägt von diesen Gerichtsverhandlungen, und ständig ist da Trubel. Auch der im Kloster residierende Erzbischof ist sehr angespannt. Es ist eine Situation der Angst und Einschüchterung.“


Das Kloster stehe in seiner Geschichte nicht allein, es sei quasi ein Symbol für den Umgang mit Religionsfreiheit und mit den Christen in der Türkei, so Gehlen. Dass es nur noch so wenige aramäische Christen gebe, habe mit der Vertreibung zu tun, die schon 1915 begonnen habe.


„Diese Politik muss aufhören. Und zwar hört sie dann auf, wenn ein tatsächliches und umfängliches Umdenken in der Gesellschaft und auch in der Politik stattfindet. In der Türkei ist eine neue Verfassung im Gespräch, und diese neue Verfassung muss europäischen Standards genügen. Dann hat sich die Türkei so verändert, dass auch aramäisches Leben dort möglich ist.“


Hilfestellung könne Deutschland etwa bei den Beitrittsverhandlungen zur EU leisten. Zum Umgang mit dem Kloster Mor Gabriel war David Gehlen, Mitglied der Förderinitiative für das Kloster, als Berater dabei.


(domradio 30.04.2012 ord)








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