Sieben Jahre Benedikt XVI.: Aldo Parmeggiani blickt zurück
„Annuntio vobis
gaudium magnum. Habemus Papam: Eminentissimum ac Reverendissimum Dominum, Dominum
Iosephum, Sanctae Romanae Ecclesiae Cardinalem Ratzinger, qui sibi nomen imposuit
Benedicti Decimi Sexti.“
Übersetzt: „Ich verkünde euch große Freude: Wir
haben einen Papst, und zwar Seine Eminenz, den hochwürdigsten Herrn Joseph, der Heiligen
Römischen Kirche Kardinal Ratzinger, der sich den Namen Benedikt der Sechzehnte gegeben
hat.“
„Als langsam der Gang der Abstimmungen mich erkennen ließ, dass sozusagen
das Fallbeil auf mich herabfallen würde, war mir ganz schwindlig zumute. Ich hatte
nämlich geglaubt, mein Lebenswerk getan zu haben und jetzt auf einen ruhigen Ausklang
meiner Tage hoffen zu dürfen. Deswegen habe ich mit tiefer Überzeugung zum Herrn gesagt:
Tu mir das nicht an, Du hast Jüngere und Bessere, die mit ganz anderem Elan und mit
ganz anderer Kraft an diese Aufgabe herantreten können”.
Mit diesen Gefühlen
beginnt Joseph Alois Ratzinger am 19.April 2005 als erster Deutscher Papst seit 482
Jahren und als 265. Nachfolger Petri das höchste Amt in der katholischen Kirche. Noch
steht er im Schatten seines Vorgängers, noch trägt er den Stempel eines strengen Glaubenshüters.
Doch nach sieben Jahren Pontifikat ist längst deutlich geworden, dass Benedikt XVI.
mit eigenem Stil und eigenem Profil regiert. Er ist nicht der Medienstar und Charismatiker
wie sein Vorgänger, aber er führt die Kirche mit theologischer Gradlinigkeit, akademischer
Brillanz und bescheidener Freundlichkeit durch die Wirrnisse unserer Zeit. Obwohl
seine physischen Kräfte nachlassen, absolviert er ein enormes Arbeitspensum. ‚Ich
bin alt, kann aber meinen Pflichten noch nachkommen’ sagt das 85-jährige Kirchenoberhaupt
zum Abschluss seiner Kubareise dem gleichaltrigen Fidel Castro. Und wischte damit
Spekulationen eines möglichen Rücktritts vom Tisch. Er begeistert Millionen von Menschen,
auch Nichtkatholiken, weltweit - auf seinen vielen Reisen und jeden Mittwoch bei den
Generalaudienzen auf dem Petersplatz.
Im Folgenden bringen wir Höhen aber auch
Rückschläge der bisherigen sieben Pontifikatsjahre in der gebotenen Kürze und beginnen
mit der ersten Reise 2005 zum Weltjugendtag nach Köln. Mit rund einer Million Menschen
feiert er den bisher meistbesuchten Gottesdienst auf deutschem Boden.
„Liebe
Jugendliche, ich freue mich, Euch hier in Köln am Rheinufer zu treffen!
Als Pilger in der Gefolgschaft der Heiligen Drei Könige seid Ihr aus verschiedenen
Teilen Deutschlands, Europas und der Welt gekommen. Indem Ihr ihren Spuren folgt,
wollt Ihr Jesus entdecken. Ihr wart bereit, Euch auf den Weg zu machen, um selber
ebenfalls dahin zu gelangen, persönlich und zugleich gemeinschaftlich das Angesicht
Gottes zu betrachten, das sich in dem Kind in der Krippe offenbart. Wie Ihr habe auch
ich mich auf den Weg gemacht, um zusammen mit Euch niederzuknien vor der weißen Hostie,
in der die Augen des Glaubens die reale Gegenwart des Erlösers der Welt erkennen.
Gemeinsam werden wir dann über das Thema dieses Weltjugendtags »Wir sind gekommen,
um ihn anzubeten.”
Anfang 2006 legt Benedikt XVI. mit ‘Deus caritas est’
seine erste Enzyklika vor. Sie beschäftigt sich mit der Liebe Gottes zum Menschen
und der Antwort des Menschen darauf sowie mit der Liebe zwischen den Menschen, deren
Hochform die eheliche Liebe ist. Die zweite Auslandsreise führt Benedikt in die Heimat
von Johannes Paul II. Den dramatisch - bewegenden Höhepunkt bildet dabei das symbolträchtige
Gedenken des ‘deutschen Papstes’ an die Opfer des Nationalsozialismus im ehemaligen
Konzentrationslager Birkenau-Auschwitz.
„An diesem Ort des Grauens, einer
Anhäufung von Verbrechen gegen Gott und den Menschen ohne Parallele in der Geschichte,
zu sprechen, ist fast unmöglich – ist besonders schwer und bedrückend für einen Christen,
einen Papst, der aus Deutschland kommt. An diesem Ort versagen die Worte, kann eigentlich
nur erschütterndes Schweigen stehen, - Schweigen, das ein inwendiges Schreien zu Gott
ist. Warum hast du geschwiegen? Warum konntest du dies alles dulden? In solchem Schweigen
verbeugen wir uns inwendig vor der ungezählten Schar derer, die hier gelitten haben
und zu Tode gebracht worden sind. Dieses Schweigen wird dann doch zur lauten Bitte
um Vergebung und Versöhnung, zu einem Ruf an den lebendigen Gott, dass er solches
nie wieder geschehen lasse”.
Im Herbst 2006 besucht das Kirchenoberhaupt
seine – wie er selbst sagt geliebte - bayerische Heimat. Unter anderem löst dabei
ein in einem Vortrag unter Anführungszeichen stehendes Zitat über den Propheten Mohammed
in der Regensburger Universität einen längeren weltweiten Disput aus. Der Vatikan
startet darauf eine umfassende, letztendlich erfolgreiche Krisendiplomatie mit dem
Islam. Ende des Jahres reist Benedikt unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen in die
Türkei. Weltweite Beachtung findet dabei seine Versöhnungsgeste gegenüber dem Islam:
der Besuch in der Blauen Moschee in Istanbul. Am 80. Geburtstag des Papstes erscheint
2007 sein erstes Buch, ein theologisches Grundsatzwerk über ‘Jesus von Nazareth’.
Ein Welterfolg. - Die Reform der Karfreitags-Fürbitte im vorkonziliaren Messritus
ruft 2008 Proteste und Verstimmung in der jüdischen Welt hervor. Seine achte
Auslandsreise führt den Papst im selben Jahr in die USA. Dabei sind seine Rede vor
den Vereinten Nationen sowie der Besuch am ‚Ground Zero’ in New York die absoluten
Höhepunkte.
„Durch die Vereinten Nationen haben die Staaten universale
Ziele aufgestellt, die, auch wenn sie nicht mit dem Gemeinwohl der Menschheitsfamilie
in seiner Gesamtheit zusammenfallen, zumindest einen entscheidenden Teil von ihm darstellen.
Die Gründungsprinzipien der Organisation – das Streben nach Frieden, der Sinn für
Gerechtigkeit, die Achtung der Menschenwürde, die humanitäre Zusammenarbeit und Hilfeleistung
– sind Ausdruck der richtigen Bestrebungen des menschlichen Geistes und stellen die
Ideale dar, die den internationales Beziehungen zugrunde liegen sollten. Wie meine
Vorgänger Paul VI. und Johannes Paul II. von diesem Rednerpult aus angemerkt haben,
gehört all dies zu den Wirklichkeiten, welche die katholische Kirche und der Heilige
Stuhl mit Aufmerksamkeit und Interesse verfolgen, weil sie in ihrer Tätigkeit ein
Beispiel dafür sehen, wie die Probleme und Konflikte, die die Weltgemeinschaft betreffen,
in den Genuss einer gemeinsamen Regelung kommen können”.
2009 nimmt Benedikt
die Exkommunikation für vier Bischöfe der traditionalistischen Priesterbruderschaft
Pius X. aus dem Jahr 1988 zurück. Er versteht es als Versöhnungsgeste. Fast zeitgleich
wird ein Interview veröffentlicht, in dem einer der vier den Holocaust leugnet. Dadurch
wird ein Proteststurm, vor allem in Deutschland, ausgelöst. - Im Mai desselben Jahres
folgt die Pilgerfahrt ins Heilige Land. Die Reise nach Israel und in die Palästinensergebiete
wird ein diplomatischer Erfolg.- Im Juni veröffentlicht Benedikt XVI. seine erste
Sozialenzyklika ‘Caritas in veritate’ - Sie befasst sich mit den ethischen Aspekten
der Globalisierung und der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. 2010erreichen
die Skandale um sexuellen Missbrauch nach den USA und Irland auch Deutschland und
Österreich. Monatelange dramatische Debatten und eine Welle von Kirchenaustritten
sind die Folge. Die katholische Kirche beginnt darauf eine beispiellose Aufklärkampagne
– angeführt von Benedikt XVI. – die nach wie vor anhält. - Die Reise nach Schottland
und England im September ist der erste Besuch eines Papstes in Großbritannien überhaupt.
Mit seiner Rede in Westminster Hall gelingt Benedikt XVI. ein spektakulärer positiver
Meinungstrend der Briten gegenüber dem Vatikan:
„Die Monarchen Englands
und Schottlands sind seit frühester Zeit Christen gewesen und schließen herausragende
Heilige wie Eduard den Bekenner und Margareta von Schottland ein. Wie sie wissen,
haben viele von ihnen ihre Pflichten als Souverän bewußt im Geiste des Evangeliums
ausgeübt und auf diese Weise das Land durch und durch zu seinem Wohl geprägt. Als
Ergebnis ist die christliche Botschaft über einen Zeitraum von mehr als tausend Jahren
ein wesentlicher Bestandteil von Sprache,Gedanken und Kultur der Britischen Inseln
geworden. Die Achtung Ihrer Vorfahren für Wahrheit und Gerechtigkeit, für Barmherzigkeit
und Nächstenliebe erben sie von einem Glauben, der eine starke Kraft zum Guten in
Ihrem Königreich zum Nutzen für Christen ebenso wie für Nichtchristen bleiben wird”.
2011
legt der Papst den zweiten Band seiner Trilogie ‘Jesus von Nazareth’ vor. Er wird,
wie der erste Teil zu einem literarischen Welterfolg. Nach dem erfolgreichen Weltjugendtag
in Madrid im August folgt im September die dritte Deutschlandreise Benedikt XVI. Es
ist zugleich der erste Staatsbesuch des Papstes in seiner Heimat. Die Rede im Deutschen
Bundestag wird von den meisten Beobachtern als absoluter Erfolg gewertet.
„Es
ist mir Ehre und Freude, vor diesem Hohen Haus zu sprechen – vor dem Parlament meines
deutschen Vaterlandes, das als demokratisch gewählte Volksvertretung hier zusammenkommt,
um zum Wohl der Bundesrepublik Deutschland zu arbeiten. Dem Herrn Bundestagspräsidenten
möchte ich für seine Einladung zu dieser Rede ebenso danken wie für die freundlichen
Worte der Begrüßung und Wertschätzung, mit denen er mich empfangen hat. In dieser
Stunde wende ich mich an Sie, verehrte Damen und Herren – gewiss auch als Landsmann,
der sich lebenslang seiner Herkunft verbunden weiß und die Geschicke der deutschen
Heimat mit Anteilnahme verfolgt. Aber die Einladung zu dieser Rede gilt mir als Papst,
als Bischof von Rom, der die oberste Verantwortung für die katholische Christenheit
trägt. Sie anerkennen damit die Rolle, die dem Heiligen Stuhl als Partner innerhalb
der Völker- und Staatengemeinschaft zukommt. Von dieser meiner internationalen Verantwortung
her möchte ich Ihnen einige Gedanken über die Grundlagen des freiheitlichen Rechtsstaats
vorlegen.Lassen Sie mich meine Überlegungen über die Grundlagen des Rechts
mit einer kleinen Geschichte aus der Heiligen Schrift beginnen. Im ersten Buch der
Könige wird erzählt, dass Gott dem jungen König Salomon bei seiner Thronbesteigung
eine Bitte freistellte. Was wird sich der junge Herrscher in diesem wichtigen Augenblick
erbitten? Erfolg - Reichtum - langes Leben - Vernichtung der Feinde? Nicht um diese
Dinge bittet er. Er bittet: „Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein
Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht" (1 Kön 3,9). Die
Bibel will uns mit dieser Erzählung sagen, worauf es für einen Politiker letztlich
ankommen muss. Sein letzter Maßstab und der Grund für seine Arbeit als Politiker darf
nicht der Erfolg und schon gar nicht materieller Gewinn sein. Die Politik muss Mühen
um Gerechtigkeit sein und so die Grundvoraussetzung für Friede schaffen.”
Die
Reise des Papstes im März 2012 nach Mexiko und Kuba wird als eine der wichtigsten
dieses Pontifikats bezeichnet. Der Papst wendet sich in Mexiko gegen die Drogenkriminalität
und fordert auf Kuba mehr Freiheit für die Kirche ein. Benedikt XVI. hat bis jetzt
23. Auslandsreisen und weit über 30 Reisen innerhalb Italiens unternommen: Er führt
die Weltjugendtage weiter und ladet zu einem interreligiösen Friedensgipfel nach Assisi
ein; starke Akzente setzt er in die Ökumene und in die Beziehungen zu China Und Moskau.
Gefestigt und ausgebaut hat Benedikt XVI. die ökumenischen und interreligiösen Kontakte.
Ein zentrales Programm ist für ihn die ’Neuevangelisierung’. Mit ihr will er den müde
gewordenen Christen in Europa neuen Elan vermitteln. Aber nicht nur Christen ruft
er auf den Plan: mit der Einrichtung des ‘Vorhofes der Völker’ wirbt das katholische
Kirchenoberhaupt um das Gespräch auch mit den Nichtglaubenden, den Agnostikern und
Atheisten. Das ist nicht nur absolut neu in der Geschichte der römischen Kirche, sondern
geradezu sensationell und viel versprechend.
Am Tag seines 85. Geburtstages
– am 16. April 2012 – spricht der Papst zu einem kleinen Kreis von Kardinälen, Bischöfen
und Priestern in freier Rede unter anderem folgende bewegende Worte:
„Ich
stehe vor der letzten Wegstrecke meines Lebens und weiß nicht, was mir verhängt sein
wird. Aber ich weiß, dass das Licht Gottes da ist, dass er auferstanden ist, dass
sein Licht stärker ist als alles Dunkel; dass Gottes Güte stärker ist als alles Böse
dieser Welt. Und das lässt mich in Gewissheit weitergehen. Das lässt uns weitergehen,
und allen, die dieses ‘Ja’ Gottes immer wieder durch ihren Glauben auch mir gewiss
machen, danke ich von ganzem Herzen in dieser Stunde.”