Reformationsgedenken - Grund zum Feiern oder nicht?
2017 jährt sich zum
500. Mal der sogenannte Wittenberger Thesenanschlag von Martin Luther: Reformationsjubiläum,
Reformationsgedenken? Schon beim Namen setzen Protestanten und Katholiken, naturgemäß,
unterschiedliche Akzente. Der römische Kurienkardinal und Ökumeneverantwortliche Kurt
Koch erhofft sich im Zusammenhang mit der Reformation statt einer Jubiläumsfeier ein
„beidseitiges Schuldbekenntnis“; vor Journalisten sprach er unlängst in Wien mit Blick
auf die Spaltung sogar von Sünde. Das heißt aber nicht, dass die Reformation sozusagen
ein rotes Tuch für Katholiken ist, betonte Wolfgang Thönissen vom Johann-Adam-Möhler-Institut
für Ökumenik aus Paderborn im Gespräch mit dem Kölner domradio.
„Nein,
die Reformation ist nicht mehr ein rotes Tuch. Selbstverständlich ist die sie Anlass
zu einem Gedenken. Dieses Gedenken muss die Frage nach der Spaltung einschließen.
Aber es sind zwei Dinge, die wir sehen müssen: Einmal ist da die Spaltung, die mit
der Reformation einhergegangen ist. Und das andere ist, was die Reformation an Erneuerung
und Herausforderung in der Kirche herbeigeführt hat. Diese beiden Dinge müssen wir
gemeinsam bedenken. Und das ist auch das, was Kardinal Koch gesagt und gemeint hat.
Reformation können wir zwar nicht feiern, wir können ihrer aber gedenken. Und wir
sollten ihr auch gemeinsam gedenken.“
Eine abschließende, amtliche Beurteilung
der Reformation durch die katholische Geschichte – sowas gibt es nicht. Wohl aber
„einen langen Weg der Auseinandersetzung mit der Reformation“.
„Die letzten
60 bis 70 Jahre hat es sicherlich viele Neuerungen gegeben durch das, was wir die
katholische Luther-Forschung nennen, die sehr viel für einen neuen Zugang zur Herausforderung
Reformation getan hat. Deshalb können wir heute sehr viel differenzierter mit dem
Gegenstand Reformation umgehen. Es liegt auch viel gutes Potential in der Reformation
- ohne die Frage nach der Spaltung von vornherein als eine der Hauptfragen zu betrachten.“
Zum
Positiven an der Reformation zählt Thönissen die Ernsthaftigkeit der Gottesfrage,
wie Martin Luther sie stellte; die Betonung der Taufe als „das alleinige Eingangstor
in das Heilswerk Christi“; und „das Leben in und mit der Heiligen Schrift“. Reformen
der Kirche habe es nicht nur in Deutschland gegeben; tragisch sei aber, „dass diese
(lutherische) Erneuerungsbewegung aus der Kirche herausgeführt und zu einer Spaltung
der abendländischen Kirche geführt hat“.
„Das ist ein Aspekt, den wir heute
gemeinsam auch sehr kritisch bedenken müssen, weil es eben nicht ohne Schuld auf beiden
Seiten geschehen ist, wie das Zweite Vatikanische Konzil festgehalten hat. Insoweit
ist die Reformation heute - zumindest für die Christen in Deutschland - eine Herausforderung,
beides zu bedenken: die Erneuerung und die leider nicht zustande gekommene Erneuerung,
weil sie in der Spaltung endete. Diese Spaltung zu beenden, darauf müsste das Hauptaugenmerk
unseres gemeinsamen ökumenischen Tuns gerichtet sein.“
2017 sei, so formuliert
Thönissen, „das erste Reformationsgedenken im ökumenischen Zeitalter“: Da komme „mit
Sicherheit eine gemeinsame Aussage“ der Kirchen zustande.
„Dann haben wir
auf wissenschaftlicher Ebene hier in Deutschland ein gemeinsames Projekt, das sich
um die Frage des Ausgang des Ablassstreites bemüht: Wie ist das damals gewesen? Zum
anderen wird die katholische Kirche einen eigenen Lutherkongress im Augustiner-Kloster
veranstalten. Das sind Anfänge, die zeigen, dass die katholische Kirche die Herausforderung
annimmt.“
Hintergrund Aufgabe des Johann-Adam-Möhler-Instituts
für Ökumenik in Paderborn ist die wissenschaftliche Erforschung und die Darstellung
der Lehre, der Feier der Gottesdienste, der Frömmigkeit sowie aller weiteren Äußerungen
des religiösen Lebens der verschiedenen Konfessionen und Bekenntnisse. Der Schwerpunkt
liegt hier auf den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen und Freikirchen sowie
der Ostkirchenkunde. (rv/domradio 29.04.2012 sk)