2012-04-29 09:54:30

Papstpredigt bei Priesterweihe


Benedikt XVI. hat am Sonntag acht Männer aus seinem Bistum Rom und einem Seminaristen aus Vietnam im Petersdom zu Priestern geweiht. Wir dokumentieren hier seine Predigt in einer eigenen Übersetzung. Die offizielle Übersetzung ins Deutsche wird in Kürze vom deutschsprachigen „Osservatore Romano“ und auf vatican.va veröffentlicht.

„Verehrte Mitbrüder, liebe Weihekandidaten, liebe Schwestern und Brüder,
die römische Tradition, die Priesterweihen am IV. Sonntag der Ostersonntag, dem „Guten-Hirten-Sonntag“ zu spenden, birgt ein einen großen und bedeutungsvollen Reichtum. Er ist verknüpft mit dem Zusammentreffen von Wort Gottes, liturgischem Ritus und der Osterzeit, in die ihre Feier fällt. Besonders die Gestalt des Hirten, die so wichtig ist in der Heiligen Schrift und natürlich sehr wichtig für das Selbstverständnis des Priesters, gewinnt ihre volle Wahrheit und Klarheit im Antlitz Christi, im Licht des Geheimnisses von Tod und Auferstehung. Von diesem Reichtum könnt auch ihr, liebe Weihekandidaten, immer schöpfen, jeden Tag eures Lebens, und so wird euer Priestertum immer wieder erneuert werden.

In diesem Jahr ist die Lesung ein zentraler Abschnitt aus dem 10. Kapitel des Johannesvangeliums, und er beginnt mit eben dieser Feststellung Jesu: „Ich bin der gute Hirt“. Dem folgt sogleich die erste grundlegende Charakteristik: „Der gute Hirte gibt sein eigenes Leben für die Schafe“ (Joh 10,11). Wir werden hier also sofort in die Mitte geführt, zum Höhepunkt der Offenbarung Gottes als dem Hirten seines Volkes; diese Mitte und dieserHöhepunkt ist Jesus, genauer jener Jesus, der am Kreuz stirbt und aus dem Grab am dritten Tag wiederaufersteht; aufersteht mit seiner ganzen Menschheit; und auf diese Weise nimmt er uns und jeden Menschen mit hinein in seinen Übergang vom Tod zum Leben. Dieses Ereignis – das Pascha Christi, des Gesalbten – in dem sich vollkommen und in endgültiger Weise das Hirtenwerk Gottes verwirklicht, ist das Ereignis eines Opfers: Deswegen fallen in der Person Jesu die Gestalt des Guten Hirten und des Hohenpriesters zusammen, denn er hat sein Leben für uns hingegeben.

Doch werfen wir auch kurz einen Blick auf die beiden ersten Lesungen und den Antwortpsalm (Psalm 118). Der Abschnitt aus der Apostelgeschichte (4,8-12) stellt uns das Zeugnis des heiligen Petrus vor den Führern des Volkes und der Ältesten von Jerusalem nach der wundersamen Heilung des Krüppel vor Augen. Petrus sagt mit großem Freimut, dass „Jesus der Stein ist, der von euch Bauleuten verworfen wurde, der aber zum Eckstein geworden ist.“ Und er fügt hinzu: „Und in keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen.“ (Vv. 11-12) Der Apostel interpretiert dann im Licht des österlichen Geheimnisses Christi den Psalm 118, in dem der Beter Gott dankt, weil er auf seinen Hilferuf geantwortet und ihn gerettet hat. In dem Psalm heißt es: „Der Stein, den die Bauleute verwarfen, / er ist zum Eckstein geworden. / Das hat der Herr vollbracht, / vor unseren Augen geschah dieses Wunder.“ (Ps 118,22-23). Christus hat genau diese Erfahrung gemacht: Von den Herrschenden seines Volkes verworfen und von Gott wieder rehabilitiert worden zu sein, und zum Grundstein eines neuen Tempels gesetzt, für ein neues Volk, das dem Herrn mit Früchten der Gerechtigkeit Lob darbringen wird (vgl. Mt 21,42-43). Die erste Lesung und der Antwortpsalm, der eben dieser Psalm 118 ist, erinnern ganz stark an den österlichen Zusammenhang; und mit diesem Bild vom verworfenen und wieder rehabilitierten Stein lenken sie unsern Blick auf Jesus, der gestorben und auferstanden ist.

Die zweite Lesung aus dem ersten Johannesbrief (3,1-2) hingegen spricht zu uns von der Frucht des Pascha Christi: dass wir zu Kindern Gottes geworden sind. In den Worten des Johannes spürt man noch das Staunen über dieses Geschenk: Wir werden nicht Kinder Gottes genannt, „wir sind es tatsächlich“ (v. 1). Und in der Tat ist die Kindschaft des Menschen ein Frucht des Heilshandelns Jesu: Mit seiner Inkarnation, durch seinen Tod und seine Auferstehung und die Gabe des Heiligen Geistes hat Er den Menschen in eine neue Beziehung mit Gott geführt, in seine eigene mit dem Vater. Deswegen sagt der auferstandene Jesus: „Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“ (Joh 20,17). Dies ist eine völlig reale Beziehung, die aber noch nicht vollkommen offenbar ist: Sie wird es am Ende sein, wenn wir – so Gott will – sein Angesicht unverhüllt sehen werden.

Liebe Weihekandidaten, dahin möchte uns der gute Hirte führen! Dahin sollen die Priester die ihm anvertrauten Gläubigen führen: Zum wahren Leben, dem Leben „in Fülle“ (Joh 10,10). Kehren wir also zum Evangelium zurück, und zum Gleichnis von Hirten. „Der Hirte gibt sein eigenes Leben für die Schafe“ (Joh 10,11). Jesus betont diese wesentliche Charakteristik des wahren Hirten, der Er selber ist: dass er „sein eigenes Leben hingibt“. Er wiederholt es dreimal, und am Ende sagt er: „Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen. Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen. Diesen Auftrag habe ich von meinem Vater empfangen.“ (Joh 10,17-18). Das ist ganz offensichtlich das entscheidende Merkmal des Hirten, so wie ihn Jesus selbst versteht, gemäß dem Willen des Vaters, der ihn gesandt hat. Die biblische Gestalt des König-Hirten, dessen Hauptaufgabe es ist, das Volk Gottes zu lenken, es zu einen und zu führen, all diese königliche Funktionen, realisiert sich in Fülle in Jesus Christus in der Dimension des Opfers, in der Lebenshingabe. Sie verwirklicht sich in einem Wort im Geheimnis des Kreuzes, also im höchsten Akt der Demut und der Liebeshingabe. Abt Theodor Studites sagt: „Durch das Kreuz werden wir Schafe Christi zusammengeführt in einer einer Herde und sind bestimmt für die ewigen Wohnungen“ (Predigt über die Anbetung des Kreuzes: PG 99, 699).

Dahin lenken die Formeln des Ritus' der Priesterweihe, die wir gerade feiern, unsern Blick. Zum Beispiel heißt es in der letzten der Fragen, die die „Verpflichtungen der Erwählten“ betreffen und die gewissermaßen Höhepunkt und Zusammenfassung darstellt: „Seid ihr bereit, euch mit Christus dem Hohenpriester, der sich für uns dem Vater als Opfer hingegeben hat, enger zu verbinden und mit ihm zu einer Opfergabe zur Ehre Gottes und zum Heil der Menschen zu werden?“ Der Priester ist nämlich in der Tat derjenige, der in besonderer Weise in das Geheimnis des Opfers Christi eingeschrieben ist durch eine persönliche Verbindung mit ihm, um sein Heilswerk weiterzuführen. Diese Verbindung, die im Weihesakrament geschenkt wird, verlangt danach, immer enger zu werden, um großherzig dem Priester selbst zu entsprechen. Daher werdet ihr, liebe Weihekandidaten, in Kürze auf diese Frage antworten: „Ja, mit der Hilfe Gottes, ich will es.“ Danach spricht der Zelebrant bei den ausdeutenden Riten während der Chrisamsalbung: „Unser Herr Jesus Christus, den der Vater mit dem Heiligen Geist und mit Kraft gesalbt hat, behüte und stärke dich in deiner Aufgabe, das Volk Gottes zu heiligen und Gott das Opfer darzubringen.“ Und dann bei der Überreichung von Brot und Wein: „Nimm hin die Gaben des Volkes für die Feier des Opfers. Bedenke, was du tust, ahme nach, was du vollziehst, und lass dein Leben gleichgestaltet sein dem Geheimnis des Kreuzes Christi des Herrn.“ Es wird deutlich, dass die tägliche Feier der Heiligen Messe nicht die Ausführung einer rituellen Funktion bedeutet, sondern die Erfüllung einer Mission, die die Existenz ganzheitlich und zutiefst einschließt, in Gemeinschaft mit dem auferstandenen Herrn, der in seiner Kirche das Heilsopfer weiterhin vollzieht.

Diese eucharistische Opferfunktion ist untrennbar verbunden mit der pastoralen und stellt ihren Wahrheitskern und ihre rettende Kraft dar, von der die Effizienz jeglichen Wirkens abhängt. Natürlich sprechen wir nicht von der Effizienz allein auf einer psychologischen oder sozialen Ebene, sondern von der lebenspendenden Fruchtbarkeit der Gegenwart Gottes auf zutiefst menschlicher Ebene. Die Predigt, die Werke, das Handeln der Kirche in ihren vielfältigen Initiativen, verlören ihre heilbringende Fruchtbarkeit, wenn die Feier des Opfers Christi fehlen würde. Und diese ist den geweihten Priestern anvertraut. Der Priester ist dazu berufen, in seiner Person das zu leben, was Christus selber erfahren hat, das heißt sich ganz der Predigt zu widmen und der Heilung des Menschen von allen körperlichen und seelischen Leiden, und dann, am Ende, alles zusammenzufassen in der höchsten Handlung, „sein Leben zu geben“ für die Menschen, eine Handlung, die ihren sakramentalen Ausdruck findet in der Eucharistie, ewige Gedächtnisfeier des Paschageheimnisses Jesu. Nur durch diese „Tür“ des österlichen Opfers können die Männer und Frauen aller Zeiten und Orte in das Ewige Leben eintreten; dieser „heilige Weg“ ist es, durch den sie den Exodus vollziehen können, der sie in das „gelobte Land“ der wahren Freiheit führt, zu den „grünen Auen“ des Friedens und der Freude ohne Ende (vgl. Joh 10,7.9; Ps 77,14.20-21; Ps 23,2).

Liebe Weihekandidaten, diese Wort Gottes erleuchte euer ganzes Leben. Und wenn die Last des Kreuzes größer wird, dann wisst, dass dies die kostbarsten Stunden sind, für euch und die euch anvertrauten Menschen: Wenn ihr mit Glaube und Liebe euer „Ja, mit der Hilfe Gottes, ich will es“ erneuert, werdet ihr mit Christus zusammenwirken, dem Hohenpriester und Guten Hirten, und seine Schafe weiden – vielleicht nur das eine, das verloren gegangen war, aber über das große Freude im Himmel herrscht! Die Jungfrau Maria, Salus Populi Romani, wache über jeden von euch und über euren Weg!“

(rv 29.04.2012 sk)








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