2012-04-27 14:20:13

Schweiz/Kongo: Hilfswerke gegen Ausbeutung in Entwicklungsländern


RealAudioMP3 Die beiden Schweizer Hilfswerke „Brot für alle“ und „Fastenopfer“ kritisieren die Tätigkeiten des multinationalen Rohstoffkonzerns Glencore in der Demokratischen Republik Kongo. Das in der Schweiz ansässige Unternehmen kaufe Kupfer von Zwischenhändlern, das unter „sehr prekären Bedingungen und von Kindern abgebaut wurde“, schreiben die Hilfswerke in einer Pressemeldung. Sie bezieht sich auf eine von beiden Hilfswerken durchgeführte aktuelle Studie, in die auch Beobachtungen der kongolesischen Bischofskonferenz (CERN-Kommission) mit einflossen. Glencore hatte die Anschuldigungen unmittelbar nach ihrem Bekanntwerden als „unzutreffend“ dementiert.

In ihrem Bericht beziehen sich die Hilfswerke explizit auf die Tilwezembe-Mine: Mehr als ein Drittel minderjähriger Arbeiter seien in der Mine tätig, deren Konzession im Besitz der Glencore-Tochter Kamoto Copper Company (KCC) sei. Matthias Dörnenburg von Fastenopfer sagte dazu im Interview mit Radio Vatikan:

„Die Rede ist von rund 1.600 informellen Bergleuten, man nimmt an, dass zirka 700 Kinder und Jugendliche unter 17 Jahren darunter sind. Die Arbeitsbedingungen sind wirklich prekär, das sind von Hand, also mit Pickeln geschlagene Löcher im Boden, dort klettern die Arbeiter hinein und bauen per Hand das Erz ab. Sie fördern teilweise bis zu einer Tonne Gestein pro Tag aus diesen Löchern und tragen es auf ihren Schultern zu Stellen, wo es gewaschen wird. Wir haben an anderen Orten festgestellt, dass das Waschen von Roherz gerade von Kindern durchgeführt wird.“


„Glencore trägt Mitverantwortung“

Die Arbeiter seien auf dem Minengelände zwar „informell“ und „auf eigene Faust“ tätig. Jedoch gelange „ein Teil der Rohstoffe, die auf dem Minengelände abgebaut werden, über verschiedene Zwischenhändler in den Besitz von Glencore“, schreiben die Hilfswerke. Sie sehen deshalb auf Seiten des Konzerns eine „Mitverantwortung für die menschenunwürdigen Zustände in den Minen“. Die Firma Glencore selbst dementiert diese Berichte: Das Transportsystem vor Ort stelle sicher, dass solche Rohstoffe nicht abgenommen würden, gab Glencore an diesem Freitag gegenüber Radio Vatikan an. Das Unternehmen profitiere nicht von Kinderarbeit, und die angeführten Minderjährigen seien nicht für Glencore tätig, heißt es in der Stellungnahme weiter, Glencore habe zudem gegenüber den Hilfswerken bereits ausführlich zu den Vorwürfen Stellung genommen. Auf der Internetseite von „Glencore International“ ist dann auch unter den Prinzipien des Unternehmens nachzulesen:

„Wir tolerieren keinerlei Art von Schikanierung oder Diskriminierung und unterstützen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen, die Zwangsarbeit oder Kinderarbeit verbietet. Eines unserer obersten Ziele ist, die Gesundheit und Sicherheit unserer Angestellten und Lieferanten zu garantieren.“

Die Hilfswerke Fastenopfer und Brot für alle gehen ebenfalls auf die Lebensbedingungen der umliegenden Gemeinden im Kongo ein; diese hätten sich aufgrund der Tätigkeiten von Glencore in den Jahren „massiv verschlechtert“. Sie erwähnen ebenfalls „massive Umweltschäden“, die durch Glencore mit verursacht würden. Dazu sagte uns Dörnenburg von Fastenopfer:

„Wir haben verschiedene Probleme festgestellt, zum Beispiel in Luilu, dort wird der Fluss verschmutzt. Dort werden Abwässer, teilweise ungereinigt, direkt in den Fluss abgelassen. Das scheint im Moment gerade ausgesetzt zu sein, wurde uns berichtet, oder besser gesagt, das sagt Glencore. Wir haben aber auch in der letzten Zeit Bilder gehabt und es gab auch Studien, die aussagen, dass der PH-Wert sehr niedrig war. Solche Bedingungen würden in Europa nie gedulded werden!“

Auch diesen Vorwurf dementierte Glencore gegenüber Radio Vatikan. Glencore sei erst 2009 auf dem Gebiet am Luilu-Fluss aktiv geworden, die Verschmutzung rühre jedoch aus den vergangenen 50 Jahren her, heißt es in der Stellungnahme des Unternehmens. Zudem habe man „Millionen von Dollar“ investiert, um etwas gegen das Problem zu unternehmen. Derzeit bestehe kein Ausfluss schädlicher Stoffe in den Fluss.

Nicht zuletzt sprechen die Hilfswerke von „Steuervermeidungspraktiken“ des Unternehmens: Glencore leiste im Kongo zwar rechtmäßig Abgaben in Form von Lizenzgebühren und Import / Exporttaxen. Indem es aber erzielte Gewinne über interne Verrechnungen zwischen seinen Tochterfirmen in Steueroasen verlagere, entgingen dem kongolesischen Staat Millionen, schreiben Fastenopfer und Brot für alle. Laut Berechnungen der Hilfswerke sind das in den vergangenen zwei Jahren Verluste in Höhe von rund 196 Millionen US-Dollar.


„Wertschöpfung muss auch Land selbst zugute kommen“

„Steuervermeidung“ sei bei vielen in Entwicklungsländern tätigen, transnationalen Konzernen anzutreffen, merkt Dörnenburg im Interview mit Radio Vatikan an:

„Wir sehen immer mehr, dass über transnationale Konzerne ein neoliberales und neokoloniales System aufgebaut wird, wo aus einem Land wie dem Kongo enorme Reichtümer abgebaut werden, aber die Wertschöpfung nicht im Land bleibt, da man durch interne Verrechnungspraktiken die Gewinne nachher in Steuerparadiesen versteuert. Das ist eine allgemeine Tendenz, da ist Glencore sicher nicht die einzige Firma.“

Der Kongo sei ein „unermesslich reiches Land“ – davon müsse auch die kongolesische Bevölkerung profitieren können, so Dörnenburg. Um hier Ungerechtigkeiten zu vermeiden, sei Transparenz unerlässlich, fährt er fort. Hier müssten die entsprechenden Unternehmen konkrete Fragen beantworten:

„Man soll sehen, welche Versprechungen gemacht werden, ob eine Referenz zum lokalen Gesetzesrahmen gemacht wurde, wie die Rückzahlungen aussehen, wenn zum Beispiel Ländereien enteignet werden, was vorgesehen ist an Dialog mit Anrainer-Gemeinden usw. Das ist ein enorm wichtiger Teil, dass dort Transparenz hineinkommt. Man muss auch zum Beispiel Korruption verhindern, damit nicht Zahlungen eines Konzerns nachher in die privaten Taschen irgendwelcher Gouverneuere fließen, sondern damit das Geld zum Beispiel für Infrastrukturen und Wasserversorgung verwendet wird.“

Was Glencore betrifft, fordern die Hilfswerke vom Schweizer Rohstoffkonzern eine Anerkennung und Lösung der im Bericht angeführten Probleme sowie die Sicherung von Steuertransparenz.


„Schweizer Gesetzgebung nachbessern“

Doch auch bei der Schweizer Gesetzgebung sehen Fastenopfer und Brot für alle Nachbesserungsbedarf: Es brauche dringend „gesetzliche Grundlagen, damit Schweizer Konzerne für ihre Tätigkeiten, ihre Tochterfirmen und Zulieferer vorsorglich Maßnahmen (Sorgfaltspflicht) treffen müssen, um Menschenrechtsverletzungen und Umweltvergehen zu verhindern“. Zweitens müsse es die Möglichkeit für Menschen geben, „die durch die Tätigkeiten Schweizer Konzerne, ihrer Tochterfirmen und Zulieferer Schaden erleiden“, Klage einzureichen und Wiedergutmachung verlangen zu können.


(rv/fastenopfer/brot für alle/glencore 26.04.2012 pr)









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