Pacem in terris: Das Schweigen Papst Johannes XXIII.
Die päpstliche Friedensenzyklika
„Pacem in terris“ wird nächstes Jahr 50 Jahre alt. Die päpstliche Akademie für Sozialwissenschaften
beschäftigt sich in ihrer bevorstehenden Vollversammlung bereits zum zweiten Mal mit
diesem herausragenden Lehrschreiben, das Johannes XXIII. zwei Jahre nach der Errichtung
der Berliner Mauer und unter dem Eindruck der Kubakrise schrieb, die die Welt an den
Rand eines Atomkrieges gebracht hatte. Johannes XXIII. hieß darin als erster Papst
ausdrücklich die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UNO von 1948 gut; damit
integrierte er die Auffassung, dass es unveräußerliche Menschenrechte gebe, in die
katholische Soziallehre. Die US-amerikanische Jura-Professorin Mary Ann Glendon ist
Präsidentin der päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften. Sie sagte uns:
„Interessant
ist, wenn man Pacem in terris heute liest, dass da kaum etwas über die große Frage
Krieg und Frieden ausgesagt ist. Man muss sich also fragen, was bedeutet dieses Schweigen
des Papstes? Mir scheint, dass uns Johannes XXIII. da etwas sagen wollte, das wir
heute sogar besser verstehen als damals.“
„Pacem in terris“ richtete sich
als erstes päpstlichen Lehrschreiben überhaupt an alle Menschen guten Willens, unbesehen
ihrer Religion, Kultur oder Nationalität. Das ist bezeichnend für die Botschaft, die
Johannes XXIII. in seiner Enzyklika dann vorträgt, sagt Glendon.
„Der Papst
sagt uns, dass die Kirche nicht bestimmte Programme und Strategien für den Frieden
entwickeln wird; stattdessen rät die Kirche uns, bestimmte allgemeine Prinzipien zu
nehmen und diese umzusetzen, wo und in welcher Gesellschaft immer wir uns auch befinden.
Die Botschaft von Pacem in terris ist also nicht irgendeine neue Theorie internationaler
katholischer Beziehungen oder irgendeine neue internationale Moral; vielmehr fordert
die Enzyklika alle Männer und Frauen guten Willens auf der ganzen Welt dazu auf, in
sich selbst und in ihren eigenen Traditionen nach den Mitteln zu suchen, die Frieden
schaffen.“
Die Vollversammlung der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften
beginnt an diesem Freitag. Sprechen werden unter anderem Kardinal Reinhard Marx, der
ehemalige Bundesbankchef Hans Tietmeyer und weitere Fachleute aus der Finanz, darunter
Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank. Unter den Teilnehmern finden
sich außerdem der österreichische Bischof Egon Kapellari und der honduranische Kardinal
und Caritas-Präsident Oscar Rodriguez Maradiaga.