ZdK: „Kein Aufruf zum Ungehorsam beim Katholikentag“
Deutschlands Katholiken
treffen sich ab kommenden Mittwoch zum 98. Deutschen Katholikentag in Mannheim. Fünf
Tage lang kommen Zehntausende Christen zusammen, um über kirchliche sowie gesellschaftliche
Fragen zu diskutieren und gemeinsame Gottesdienste zu feiern. Geplant sind mehr als
1.200 Einzelveranstaltungen. Dazu zählen Bibelkreise, Podiumsdiskussionen, Konzerte
oder Ausstellungen. Hunderte katholische Initiativen, Vereine und Verbände stellen
sich und ihre Arbeit vor.
Ein wichtiges Thema ist die Debatte über die Zukunft
der Kirche. Über die Schwerpunkte des Katholikentages und die Erwartungen an die Veranstaltung
hat Stefan Kempis mit dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken
(ZdK), Alois Glück, und mit dem ZdK-Generalsekretär Stefan Vesper gesprochen. Sie
waren vor wenigen Tagen zu Gesprächen im Vatikan, wo sie sich u.a. mit dem deutschen
Kurienkardinal Walter Kasper und mit Kardinal Gianfranco Ravasi vom Päpstlichen Kulturrat
trafen. Was erwartet sich das Zentralkomitee vom Katholikentag, war die erste Frage.
Glück:
„Ich bin sehr zuversichtlich, dass es in Mannheim möglich sein wird, all die Fragen,
die uns als Katholikinnen und Katholiken bewegen (innerkirchliche Fragen in ihrer
Bandbreite, manches auch in seinem Konfliktstoff, wie auch gesellschaftliche Fragen)
in einer guten Diskussionskultur miteinander zu beraten. Mannheim ist allerdings nicht
nur eine Diskussionsveranstaltung: Es ist ein geistliches Erlebnis, und es ist ein
Miteinander-Ringen, Miteinander-Beten, -Feiern, -Diskutieren. Aber ich bin sehr zuversichtlich,
dass uns das auch gerade in dieser Situation unserer Kirche gut gelingen wird!“
Zu
Katholikentagen gehört auch immer ein gewisses Störfeuer – das war in den letzten
Jahren häufig das Thema Interkommunion. Dieses Jahr zeichnet sich ab, dass die österreichische
Pfarrer-Initiative ausgreifen könnte nach Mannheim.
Vesper: „Katholikentage
wollen ein Bild der Realität sein, und in der Realität gibt es immer Diskussionen
und unterschiedliche Wege, die man gehen will. Der Katholikentag ist eine große und,
von der Geschichte her gesehen, auch großartige Chance, miteinander über die richtigen
Wege zu sprechen. Da darf man niemanden von vornherein ausgrenzen, sondern man muss
zum Gespräch zulassen, und man muss gemeinsam gute Wege finden, die für eine bestimmte
Zeit, aber auch für eine bestimmte kirchliche und gesellschaftliche Situation die
richtigen Auswege finden!“
„Auf Katholikentag kein Aufruf zum Ungehorsam“
Glück:
„Ja, aber ich will hinzufügen: Alles, was in Österreich die Menschen bewegt, werden
wir auch diskutieren, aber ohne Aufruf zum Ungehorsam! Sondern wir haben die Möglichkeit,
miteinander diese Dinge zu beraten, und ich denke, das ist eine spezifische Chance,
die wir in Deutschland mit einem Katholikentag haben!“
Der Katholikentag
ist ja ein Teil – eine Station – des Dialogprozesses. Wie läuft der Prozess im Moment,
und wie groß ist die Gefahr, dass bestimmte immer wiederkehrende Forderungen, die
sich aus dem Dialogprozess ergeben könnten, dann irgendwann mal hier von Rom abgeschmettert
werden?
Glück: „Es gibt dabei nicht nur einige der sogenannten Reizthemen,
die wir ja auch nicht isoliert in Deutschland entscheiden können – etwa die Frage
des Zölibats, des Zugangs zum Priesterberuf –, sondern es gibt viele Themen, die innerhalb
des bestehenden Kirchenrechts und als Antwort auf seelsorgliche Themen vorangetrieben
werden können. Im Kern geht es immer um die Frage: Wie können wir als Kirche dem Sendungsauftrag,
dem Menschen unserer Zeit das Evangelium zu vermitteln, besser gerecht werden? Der
große gemeinsame Ruf oder das gemeinsame Fazit der ersten Veranstaltung auf der Bundesebene
in Mannheim war der Ruf nach einer barmherzigen Pastoral. Das ist eine Signalthematik,
denn zunächst sagt dies ja offensichtlich, dass Pastoral heute weithin nicht so empfunden
wird! Wir werden beim Katholikentag beispielsweise in den Vordergrund stellen: Unser
Leitbild ist eine dienende Kirche! Kirche, die nicht Selbstzweck ist. Eine dienende
Kirche für die Menschen in ihren Nöten, in kritischen Lebenssituationen usw.
Es
gibt viele gute Ansätze im Dialogprozess – auch in den Diözesen, nicht nur auf der
Ebene der Veranstaltungen, die federführend von der Bischofskonferenz gestaltet werden.
Es hat aber in sich auch das Risiko des Scheiterns...“
Wie hoch schätzen
Sie dieses Risiko ein? 50-50?
Glück: „Na, momentan sage ich eher: 60-40,
dass es nicht scheitert. Oder 70-30, wer weiß das schon. Aber es ist natürlich immer
enthalten. Ich glaube, das wird auch den Bischöfen immer mehr bewusst, dass es natürlich
jetzt auch Konkretisierungen braucht, dass es Prozesse geben muss, in denen auch das
Ringen um Veränderung spürbar und erlebbar wird. Ansonsten könnten wir dann natürlich
in einigen Jahren eine Gegenbewegung der Frustration, der Enttäuschung, des Auszugs
der Engagierten, die kirchliches Leben im wesentlichen tragen, erleben. Das Risiko
ist mit dabei – aber es geht auch anders!“
„Man braucht einen langen
Atem“
Sie haben schon in Ihrem politischen Leben viele Kämpfe durchgestanden,
und jetzt erleben Sie auch viel Frust bei kirchlich Engagierten in Deutschland. Haben
Sie manchmal die Versuchung, einfach hinzuschmeißen?
Glück: „Nein. Man braucht
ganz einfach einen langen Atem. Und wenn man ein bißchen in die Kirchengeschichte
hineinschaut (ich hatte erst kürzlich beim Lesen wieder so ein Erlebnis), dann denke
ich: Mein Gott, eigentlich ist der ganze Weg der Kirche ein Weg des Konflikts, des
Ringens um den richtigen Weg, auch tiefer Krisen, und daraus ist Neues entstanden.
Natürlich gibt es Situationen der Entmutigung und des Moments, wo man sagt: Ja, lohnt
das dafür? Aber wir engagieren uns ja nicht um der Institution willen oder um der
Bischöfe willen – und es gibt ja viele positive Erlebnisse, es gibt viele Menschen,
die darauf warten, dass wir uns engagieren und dass wir auch etwas bewegen. Aber es
ist ein eher mühsameres Geschäft als in der Politik.“
Vesper: „Im Zentralkomitee
sitzen Menschen, die stark in ihrem Glauben verwurzelt sind, in ihren verschiedenen
Lebensverhältnissen, und die sich deswegen sehr stark engagieren. Da bringt einen
so schnell nichts aus der Bahn. Ich glaube, das Evangelium ist immer stärker als Momente
der Resignation, und die Grundfragen, die z.B. im Konzil in „Nostra Aetate“ behandelt
worden sind (Was ist der Mensch? Was ist der Sinn des Lebens? Was ist gut, was ist
böse?), das bewegt uns doch alle, und wir wollen in der Gesellschaft und in der Kirche
mitgestalten, um gemeinsam das Evangelium Frucht werden zu lassen für unsere Zeit!
Da muss man mutig und tapfer und auch fröhlich durchs Leben gehen.“
Sie
haben im Moment Gespräche hier in Rom – wie reagieren die Römer auf Sie, wie reagiert
die Kurie? Welche Fragen werden da gestellt, und was überrascht Sie am ehesten?
„Deutsche
Kirche wird in Rom manchmal schwer verstanden“
Glück: „Generell scheint
es so zu sein, dass die katholische Kirche in Deutschland in ihren Bedingungen manchmal
schwer verstanden wird. Insbesondere auch ein relativ selbstständiger Laienkatholizismus,
den es so weltkirchlich ja nicht gibt, der sich aus der deutschen Geschichte entwickelt
hat. Ich erlebe aber auch viel offenes Interesse, und wenn man Zusammenhänge deutlich
macht, auch ein neues Verständnis. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir vielleicht
noch mehr hier präsent sind und selbst authentisch informieren, was wir tun, wie wir
Dinge sehen. Ich erlebe hier auch viele Zerrbilder der katholischen Kirche Deutschlands.“
Wo
denn zum Beispiel?
Glück: „Ja – etwa dass das eine reiche, selbstgefällige
Kirche sei, der es ja materiell gut geht im Vergleich zu anderen Bereichen. Oder,
dass das alles prinzipiell nur romkritisch wäre, was da stattfindet (was ja auch nicht
stimmt!). Wir sehen uns als Teil der Weltkirche, und von daher ist es in vielen Fällen
ein Informationsdefizit. Auf der anderen Seite ist es auch so, dass gelegentlich der
Informationsfluss aus Deutschland etwas einseitig ist, was hierher transportiert wird.
Es gibt sicher innerhalb unserer Kirche unterschiedliche theologische Positionen,
unterschiedliche Bewertungen von Entwicklungen. Das ist soweit auch ganz verständlich,
und zunächst ist es auch eine Anfrage an uns selbst, dass wir vielleicht noch mehr
tun im Sinne von Information und Gespräch. Die Gesprächssituation war durchweg gut.
Konstruktiv.“
Vesper: „Ich glaube, wir haben als Katholiken in Deutschland
auch eine Bringschuld: Wir müssen unsere Positionen in Rom öfter vertreten. Darum
sind solche Besuche wertvoll und für beide Seiten immer sehr interessant. Darum werden
wir sicher auch wiederkommen!“
Heißt das: Von jetzt an alle zwei, alle
vier, alle fünf Jahre ein ZdK-Besuch in Rom?
Vesper: „Mindestens alle zwei
Jahre! Wir sind öfter als alle zwei Jahre hier, weil wir auch andere Anlässe haben,
um an Delegationen teilzunehmen oder Gespräche zu führen. Das ist für uns sehr wichtig.“
Der
Papstbesuch im Rückblick – eher ein Bremsklotz am Bein des Dialogprozesses, oder eine
Ermutigung?
Glück: „Ganz gewiß kein Bremsklotz! Viele haben allerdings gesagt:
Ja, es wäre doch auch ganz gut gewesen, wenn der Heilige Vater auch den Dialogprozess
angesprochen hätte. Ich glaube, es war ganz wichtig, dass er dem Raum läßt, nichts
eingrenzt, nichts begrenzt für den Dialogprozess. Und so ist es. Von daher ist es
für sich schon einmal eine positive Weichenstellung. Er hat sich sehr gut informiert
im Vorfeld seines Besuches; der Papstbesuch war sicher eine starke Präsenz der katholischen
Kirche und des Glaubens, nicht nur des Papstamtes, in Deutschland, mit großen geistlichen
Ereignissen. Er hat inhaltlich Spuren hinterlassen – von der Rede im Bundestag bis
hin zur berühmten Freiburger Rede im Zusammenhang mit dem Thema Entweltlichung. Das
heißt: Er hat auch Aufgaben hinterlassen, über die zu beraten ist. Von daher ist auch
mein Gesamteindruck, dass nach einer eher kritischen Phase Papst Benedikt in Deutschland
wieder präsenter ist.“
Wie entweltlicht ist denn jetzt zum Beispiel der
Mannheimer Katholikentag?
Vesper: „Darauf gibt es keine kurze Antwort, weil
ja gerade das Stichwort Entweltlichung etwas ist, das zum langen Gespräch und langen
Erklären herausfordert. Der Katholikentag ist gleichzeitig ein großes Glaubensfest
mit Hunderten von Gottesdiensten und Gebeten, und ein Ort der Debatte, wie wir unsere
Kirche und unsere Gesellschaft im Sinne des Evangeliums weiter gestalten können –
und wie wir einen neuen Aufbruch wagen können!“