D/Brasilien: „Umweltpolitik im Sinne, nicht auf Kosten der Armen“
Am vergangenen 22. April wurde weltweit der „Tag der Erde“ begangen, der seit 1970
daran erinnern soll, dass die Ressourcen unseres Planeten nicht unerschöpflich sind
und die Menschen weltweit ihr Konsumverhalten überdenken müssen. Rio de Janeiro bereitet
sich unterdessen auf Hochtouren für den in gut zwei Monaten beginnenden Kongress der
Vereinten Nationen Rio+20 vor. Benjamin Luig, Misereor-Referent für Energie und Agrarwirtschaft,
erzählte uns im Interview, was für Ziele das Hilfswerk in Rio verfolgt, und wie er
die heutige Situation einschätzt:
„Wir haben seit dem Riogipfel 1992 die
wichtigsten Themen und Bereiche, die dort beschlossen wurden, weiter verfolgt. Es
geht dabei um die Vermeidung des Klimawandels, um den Erhalt von Bio-Diversität, den
Schutz des Bodens vor Übernutzung, etc. Es sind globale Probleme, die global angegangen
werden müssen, aber natürlich auch konkret mit unseren Partnern vor Ort, die wir versuchen
zu unterstützen und die mit Menschen zusammen arbeiten, die davon direkt betroffen
sind.“
Dabei hat Luig aber trotz aller Aufmerksamkeit, die das Thema in
den Medien erhält, das Gefühl, die Situation bedürfe noch intensiver weiterer Verbesserungen:
„In der Folgekonferenz, die jetzt in zwei Monaten bei Rio+20 anstehen wird,
wird es in der Tat einerseits darum gehen, was in 20 Jahren erreicht wurde – unsere
Sicht darauf ist sehr kritisch, da wir das Gefühl haben, die Probleme verschlimmern
sich eher als dass sie aufgehalten werden. Vieles, was in Rio vor 20 Jahren von Staaten
mit Selbstverpflichtungen versprochen wurde, wurde einfach nicht umgesetzt, so dass
wir jetzt natürlich in Rio vor Ort sein und mit bestimmten Schwerpunkten versuchen
werden, die Politik darauf hinzuweisen, dass die Natur in vielfacher Hinsicht zu schützen
ist.“
Misereor ist es wichtig, einen globalen Dialog zu ermöglichen, an
dem sich möglichst viele Menschen beteiligen. Im Vorfeld von Rio+20 wird Misereor
Partner aus dem Süden nach Deutschland und Brüssel einladen, um Hintergrundgespräche
mit Politikern zu führen und in der Debatte der Perspektive aus dem Süden das nötige
Gewicht zu verleihen.
„In Rio selber gibt es einen offiziellen Gipfel, an
dem Staats- und Regierungschefs beteiligt sind und verhandeln werden – dort werden
wir uns ganz stark äußern, speziell zu dem Thema Landwirtschaft und Klimawandel, aber,
und das ist für uns fast noch wichtiger, es gibt auch noch einen zivilgesellschaftlichen
Parallelgipfel und hier werden wir mit vielen kirchlichen Gruppen aus der ganzen Welt
eine ökumenische Plattform aufmachen in der wir den Dialog der Zivilgesellschaft ermöglichen
wollen. Es kommen Bischöfe aus Asien und Afrika, sowie andere Partner und Bischöfe
von uns aus Brasilien, und da werden wir auch die Themen besprechen, die unseren Partnern
am stärksten auf dem Herzen liegen und am wichtigsten sind.“
Luig ist dabei
bewusst, dass die Erfolgsaussichten einer solchen Intervention immer auch mit den
realen wirtschaftlichen Interessen zu kämpfen haben. So verdienen teilweise gerade
die Industriestaaten daran mit, wenn in entfernten Teilen der Erde Energiesparmaßnahmen
kein Thema sind, oder auch Schwellenländer wie China ihre Produktion auf Kosten der
Natur vorantreiben und damit enorme Wachstumsraten erzielen.
„Es ist deswegen
zu einem großen Teil schwierig, weil viele Staaten in der Welt nicht mehr bereit sind,
sich in dem Maße selbst zu verpflichten, wie noch vor 20 Jahren. Es gibt aber durchaus
Bereiche, in denen es Fortschritte geben kann, wie zum Beispiel die Energiepolitik,
wo es in inzwischen neue Technlogien gibt, wie etwa Solar- oder Windenergie, die,
wenn sie richtig eingesetzt werden, auch eine schonendere Wirtschaft ermöglichen.
Unser starkes Anliegen ist natürlich das, dass solche neuen Technologien auch armen
Menschen weltweit zugute kommen. Vor allem ist es wichtig, dass Umweltpolitik im Sinne
der armen Menschen gemacht wird, und nicht auf Kosten der Armen.“
Hintergrund 1992
kamen in Rio Staats-und Regierungschefs zusammen, um Entwicklungsfragen in einem Kontext
von Umweltschutz und Ressourcenknappheit zu diskutieren. Diese Konferenz gilt als
Meilenstein für die Integration von Umwelt- und Entwicklungsbestrebungen, die wichtige
Ergebnisse wie die Agenda 21, die Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung und Klimaschutzrichtlinien,
nebst einer Reihe von Selbstverpflichtungen der Staaten zum Umweltschutz, hervorgebracht
hat. Zwanzig Jahre danach sollen nun wieder in Rio die Errungenschaften der letzten
Jahre überprüft und neue Weichen gestellt werden.