2012-04-18 15:06:54

Guinea-Bissau: „Alle Zutaten da für einen Konflikt zwischen Leuten und Armee“


RealAudioMP3 Eine knappe Woche nach dem Militärputsch steht Guinea-Bissau, eines der ärmsten Länder der Welt, immer noch am Rand eines Kriegs. Die Afrikanische Union hat die Mitgliedschaft des Landes ausgesetzt, die Bischöfe rufen eindringlich zum Dialog auf. Das erzählt uns unser Radio-Vatikan-Mitarbeiter Filomeno Lopes, der in Guinea-Bissau als Autor und Liedermacher bekannt ist und die Tage des Putsches im Land miterlebt hat:

„Schon wieder ein Militärputsch! Die Bischöfe verurteilen in einer Erklärung den Putsch und beklagen diese Kette von Staatsstreichen, die die Bevölkerung seit über dreißig Jahren sozusagen zu Gefangenen des Stillstands macht. Denn nach all diesen Putschen hat sich ja an der grundlegenden Lage im Land nie etwas geändert. Nie hat man mal einen Weg des Gesprächs eingeschlagen, um die Probleme, die die Parteien miteinander haben, zu lösen.“

Noch nie seit der Unabhängigkeit 1974 konnte ein Präsident von Guinea-Bissau eine volle Amtsperiode von fünf Jahren zu Ende führen. Die Lage ist chronisch instabil:

„Seit der Unabhängigkeit hat das Land eine politische Klasse, die einfach nicht auf der Höhe ist. Dafür bezahlen wir. Die Militärs führen zwar immer wieder mal einen Putsch durch, haben sich aber nie darum bemüht, wirklich die Macht zu übernehmen. Sie handeln immer –auch diesmal– auf das Anstiften eines Politikers hin, der sich irgendwie im Parlament nicht durchsetzen kann und deswegen Bekannte im Militär aufhetzt. Nicht alle Militärs putschen, sondern nur ein Teil, mit einer nur vorgeschobenen Begründung, die noch nicht einmal ein Kind von fünf Jahren ernst nehmen könnte.“

Diesmal heißt die Begründung: Der Ministerpräsident Carlos Gomes hätte einen geheimen Pakt mit Angola geschlossen und das dortige Militär eingeladen, Guinea-Bissau zu überfallen. Lächerlich, sagt Lopes. In Wirklichkeit wollten einige verhindern, dass der populäre Gomes zum Präsidenten gewählt wird.

„Der Bischof von Bissau hat zusammen mit einer Delegation Gespräche mit allen Seiten geführt, damit die Streitigkeiten überwunden und die Stichwahl um das Präsidentenamt fristgerecht Ende April abgehalten werden könne. Das Problem ist aber: Es ist ziemlich sicher, dass der derzeitige Ministerpräsident diese Stichwahl gewonnen hätte und Präsident geworden wäre. Und weil er bislang schon als Ministerpräsident bei der Polizei für Ordnung gesorgt hat, konnten einige im Heer befürchten, dass er das als Präsident auch bei ihnen versuchen würde. Dem Premierminister Gomes ist in seiner Amtszeit einiges gelungen, was ihm großen Respekt bei den Menschen einbringt: Er hat unter anderem die Gehälter verdoppelt und für ihr pünktliches Auszahlen gesorgt. Damit sind die Menschen in Guinea-Bissau sehr zufrieden, denn so etwas hat es in den letzten dreißig Jahren nicht gegeben!“

Außerdem habe der Politiker auch für ein Wirtschaftswachstum von immerhin fünf Prozent gesorgt. Durch seine Ernsthaftigkeit habe Gomes zwar die Bevölkerung auf seine Seite gebracht, sich aber auch mächtige Feinde geschaffen.

„Die Lage ist sehr kompliziert – wirklich sehr auf der Kippe. Diesmal sind wirklich alle Zutaten da für einen Konflikt zwischen den Leuten und der Armee. Die Leute sagen: Wir können schon das Wort Militär nicht mehr hören. Oder: Ja, die haben Waffen, aber uns alle können sie nicht töten, wir werden uns ihnen entgegenstellen! Die Wut ist jetzt so groß, weil die Leute endlich einmal einen schwachen Lichtpunkt am Ende des Tunnels gesehen hatten. Aber dann reichte ein Moment, und alles ging wieder von vorne los…“

(rv 18.04.2012 sk)








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