Guinea-Bissau: „Alle Zutaten da für einen Konflikt zwischen Leuten und Armee“
Eine knappe Woche
nach dem Militärputsch steht Guinea-Bissau, eines der ärmsten Länder der Welt, immer
noch am Rand eines Kriegs. Die Afrikanische Union hat die Mitgliedschaft des Landes
ausgesetzt, die Bischöfe rufen eindringlich zum Dialog auf. Das erzählt uns unser
Radio-Vatikan-Mitarbeiter Filomeno Lopes, der in Guinea-Bissau als Autor und Liedermacher
bekannt ist und die Tage des Putsches im Land miterlebt hat:
„Schon wieder
ein Militärputsch! Die Bischöfe verurteilen in einer Erklärung den Putsch und beklagen
diese Kette von Staatsstreichen, die die Bevölkerung seit über dreißig Jahren sozusagen
zu Gefangenen des Stillstands macht. Denn nach all diesen Putschen hat sich ja an
der grundlegenden Lage im Land nie etwas geändert. Nie hat man mal einen Weg des Gesprächs
eingeschlagen, um die Probleme, die die Parteien miteinander haben, zu lösen.“
Noch
nie seit der Unabhängigkeit 1974 konnte ein Präsident von Guinea-Bissau eine volle
Amtsperiode von fünf Jahren zu Ende führen. Die Lage ist chronisch instabil:
„Seit
der Unabhängigkeit hat das Land eine politische Klasse, die einfach nicht auf der
Höhe ist. Dafür bezahlen wir. Die Militärs führen zwar immer wieder mal einen Putsch
durch, haben sich aber nie darum bemüht, wirklich die Macht zu übernehmen. Sie handeln
immer –auch diesmal– auf das Anstiften eines Politikers hin, der sich irgendwie im
Parlament nicht durchsetzen kann und deswegen Bekannte im Militär aufhetzt. Nicht
alle Militärs putschen, sondern nur ein Teil, mit einer nur vorgeschobenen Begründung,
die noch nicht einmal ein Kind von fünf Jahren ernst nehmen könnte.“
Diesmal
heißt die Begründung: Der Ministerpräsident Carlos Gomes hätte einen geheimen Pakt
mit Angola geschlossen und das dortige Militär eingeladen, Guinea-Bissau zu überfallen.
Lächerlich, sagt Lopes. In Wirklichkeit wollten einige verhindern, dass der populäre
Gomes zum Präsidenten gewählt wird.
„Der Bischof von Bissau hat zusammen
mit einer Delegation Gespräche mit allen Seiten geführt, damit die Streitigkeiten
überwunden und die Stichwahl um das Präsidentenamt fristgerecht Ende April abgehalten
werden könne. Das Problem ist aber: Es ist ziemlich sicher, dass der derzeitige Ministerpräsident
diese Stichwahl gewonnen hätte und Präsident geworden wäre. Und weil er bislang schon
als Ministerpräsident bei der Polizei für Ordnung gesorgt hat, konnten einige im Heer
befürchten, dass er das als Präsident auch bei ihnen versuchen würde. Dem Premierminister
Gomes ist in seiner Amtszeit einiges gelungen, was ihm großen Respekt bei den Menschen
einbringt: Er hat unter anderem die Gehälter verdoppelt und für ihr pünktliches Auszahlen
gesorgt. Damit sind die Menschen in Guinea-Bissau sehr zufrieden, denn so etwas hat
es in den letzten dreißig Jahren nicht gegeben!“
Außerdem habe der Politiker
auch für ein Wirtschaftswachstum von immerhin fünf Prozent gesorgt. Durch seine Ernsthaftigkeit
habe Gomes zwar die Bevölkerung auf seine Seite gebracht, sich aber auch mächtige
Feinde geschaffen.
„Die Lage ist sehr kompliziert – wirklich sehr auf der
Kippe. Diesmal sind wirklich alle Zutaten da für einen Konflikt zwischen den Leuten
und der Armee. Die Leute sagen: Wir können schon das Wort Militär nicht mehr hören.
Oder: Ja, die haben Waffen, aber uns alle können sie nicht töten, wir werden uns ihnen
entgegenstellen! Die Wut ist jetzt so groß, weil die Leute endlich einmal einen schwachen
Lichtpunkt am Ende des Tunnels gesehen hatten. Aber dann reichte ein Moment, und alles
ging wieder von vorne los…“