Erzbischof Fisichella: Die Gefahren der Politikverdrossenheit
Beunruhigt über den
wachsenden Vertrauensverlust in Italien gegenüber Politik und Institutionen ist der
Präsident des Päpstlichen Rates für Neuevangelisierung. Erzbischof Rino Fisichella
ruft die Bürger im Interview mit Radio Vatikan zu Weitsicht auf: dass „objektive Fakten“
die politische Klasse derzeit in Misskredit stürzten, sei wahr. Jedoch dürfe man daraus
nicht eine allgemeine Unfähigkeit der Politik ableiten, warnt der Geistliche. Vor
wenigen Tage war in Italien ein weiterer Korruptionsskandal bekannt geworden, diesmal
in den Reihen der Partei „Lega Nord“.
„Das Leben einer demokratischen
Gesellschaft entwickelt sich über das Leben der Parteien; diese außer Gefecht zu setzen
bedeutet, keine demokratische Entsprechung mehr zu haben. Die Ersetzung von Parteien
in der Politik bedeutet, zu einer Oligarchie oder gar Tyrannei zu gelangen, das ist
undenkbar, vor allem in einer Situation wie in Italien und generell in Europa. Es
kann also nicht das Ziel sein, die Parteien handlungsunfähig zu machen.“ Der Erzbischof sieht auch die Kirche in der Pflicht, gegen die wachsende Politikverdrossenheit
anzugehen und zum notwendigen Schutz des Gemeinwohls aufzurufen. Doch auch an die
Politiker richtet der Erzbischof einen klaren Appell: Die Parteien müssten dringend
neu das Vertrauen der Wähler zurückgewinnen, so der Erzbischof, viel Zeit bleibe dafür
freilich nicht. Nach einer aktuellen Umfrage plant die Hälfte der italienischen Bevölkerung
derzeit, bei den kommenden Wahlen in 2013 keine Stimme abzugeben. Dazu Erzbischof
Fisichella:
„Ich verstehe das ja. Aber die Parteien und die Institutionen
allgemein müssen in diesem Jahr, bzw. in diesem gut einem Jahr bis zu den Wahlen,
alles geben! Sie müssen konstruktiv sein, neue Wege finden, um den Bürgern Vertrauen
einzuflößen. Und wir, wir müssen verdeutlichen, dass eine fehlende Beteiligung am
öffentlichen Leben einem Selbstausschluss gleichkommt. Dieser Ausschluss führt unaufhaltsam
dazu, dass das politische und soziale Leben letztlich in die Hände nur weniger Gruppen
oder Personen gerät.“