Vatikan zum Fall Orlandi: „Einsatz und Transparenz“
Der Vatikan hat auf
Vorwürfe einiger italienischer Medien reagiert, der Heilige Stuhl habe im Fall Emanuela
Orlandi nicht alles ihm Mögliche getan, um dem Verschwinden der Vatikanbürgerin auf
den Grund zu gehen. Am 22. Juni 1983 war die damals 15-jährige Orlandi entführt worden;
sie ist bis heute verschwunden. Der Fall hatte international für Aufmerksamkeit gesorgt,
über einen möglichen politischen Hintergrund kursieren Gerüchte. In jüngster Zeit
wurde in Italien erneut über den Fall spekuliert, „jemand aus dem Vatikan weiß die
Wahrheit“, hieß es in Presseberichten. Es folgte an diesem Samstag die Erklärung des
Vatikans.
An eine detailliierte Überprüfung der Ereignisse sei nach so vielen
Jahren nicht zu denken, schickt Vatikansprecher Pater Federico Lombardi zu Beginn
der dreiseitigen Erklärung vorweg. Es bestand und besteht aber „volle Bereitschaft
zur Zusammenarbeit“ der vatikanischen Verantwortlichen mit den italienischen Behörden,
sagt Lombardi und führt Beispiele an. So hätten die Ermittler damals Zugang zur vatikanischen
Telefonzentrale gehabt, um eingehende Anrufe möglicher Entführer zu hören. Der Vatikan
habe auch das Abhören des Telefons der Familie Orlandi erlaubt. Dank der Zusammenarbeit
zwischen italienischen und vatikanischen Behörden sei es gelungen, Täuschungsversuche
„angeblicher Informanten“ abzuwenden.
Lombardi verweist auf eine ganze Liste
von Vatikan-Erklärungen im Fall Orlandi, die im Kontext der Aufklärungsbemühungen
gegenüber der italienischen Gerichtsbarkeit gemacht worden seien und die bis heute
gültig seien: Die Erklärung des Heiligen Stuhles vom 4. März 1987 (Nr. 187.168) sowie
– in der zweiten Untersuchungsphase zum Fall – die Erklärungen zu drei Befragungen
aus den Jahren 1994 und 1995 (Nr. 346.491 vom 3. Mai 1994; Nr. 369.354 vom 27. April
1995; Nr. 372.117 vom 21. Juni 1995). Die entsprechenden Akten existierten und seien
den Ermittlern nach wie vor zugänglich, so der Vatikansprecher. Es gebe also keine
Grundlage für die Behauptung, der Vatikan verweigere die Zusammenarbeit mit den italienischen
Behörden, folgert Lombardi. Alle Verantwortlichen des Heiligen Stuhls hätten damals
mit „Einsatz und Transparenz“ in allen Phasen der Untersuchung mitgewirkt. Überhaupt
sei es für den Heiligen Stuhl eine normale Praxis, auf internationale Befragungen
zu antworten. Das Gegenteil zu behaupten, sei „ungerecht“, fügt der Pater mit Blick
auf die jüngste Untersuchung im Fall der Vatikanbank IOR an. Und weiter wörtlich:
„Falls die italienischen Ermittler – im Zuge der laufenden Untersuchungen – es für
nützlich oder nötig erachten, vatikanische Verantwortliche erneut nach der üblichen
Praxis Befragungen zu unterziehen, können sie dies in jedem Moment tun.“ Die Kirche
habe auch nichts gegen eine Untersuchung des Sarkophags des Gangster-Bosses Enrico
De Pedis in der römischen Basilika Sant'Apollinare, der manchen Behauptungen zufolge
die Entführung ausgeführt haben soll, stellte der Jesuit klar.
Leider sei
dem Vatikan „kein nützliches Element“ bekannt, das zu einer Lösung des Falles beitragen
könne, bedauert Lombardi, der auch auf die Spur, die Orlandis Verschwinden in angeblichen
Zusammenhang mit dem Papst-Attentäter Ali Agca brachte, eingeht. Aufgrund der damaligen
Informationslage habe der Vatikan die vorherrschende Vermutung geteilt, dass für das
Verschwinden der jungen Frau eine „obskure kriminelle Vereinigung“ verantwortlich
gewesen sei. Nach dem Anruf eines angeblichen Entführers war man damals zunächst der
Möglichkeit nachgegangen, dass Orlandi von der „Antichristlichen Türkischen Befreiungsfront“
entführt worden sei und das Mädchen gegen Freilassung des inhaftierten Papst-Attentäters
Ali Agca wieder frei kommen könnte. Papst Johannes Paul II. hatte mehrfach an die
mutmaßlichen Entführer appelliert, das Mädchen freizulassen. Ali Agca hatte sich geweigert,
auf diese Weise freizukommen. (rv 14.04.2012 pr)