Wir dokumentieren hier im Wortlaut die Osterbotschaft Papst Benedikt XVI. in der offiziellen
deutschen Übersetzung.
Liebe Brüder und Schwestern aus Rom und der ganzen
Welt!
» Surrexit Christus, spes mea « - » Auferstanden ist Christus,
meine Hoffnung « (Ostersequenz).
Möge euch alle die jubelnde Stimme der Kirche
erreichen, mit den Worten, die der alte Hymnus Maria Magdalena in den Mund legt, der
ersten, die dem auferstandenen Jesus begegnete. Sie eilte zu den anderen Jüngern,
und während ihr das Herz im Halse schlug, verkündete sie ihnen: „Ich habe den Herrn
gesehen!“ (Joh 20,18). Auch wir, die wir die Wüste der Fastenzeit und die schmerzlichen
Tage der Passion durchlebt haben, geben heute dem Siegesruf Raum: „Er ist auferstanden!
Er ist wahrhaft auferstanden!“
Für jeden Christen wiederholt sich die Erfahrung,
die Maria Magdalena machte. Es ist eine Begegnung, die das Leben verwandelt: die Begegnung
mit einem einzigartigen Menschen, der uns die ganze Güte und Wahrheit Gottes spüren
läßt, der uns nicht oberflächlich und vorübergehend, sondern tiefgreifend vom Bösen
befreit, uns völlig heilt und uns unsere Würde zurückgibt. Das ist es, warum Maria
Magdalena Jesus „meine Hoffnung“ nennt: weil er es war, der sie zu neuem Leben erweckte,
ihr eine neue Zukunft schenkte, ein gutes Leben, frei vom Bösen. „Christus, meine
Hoffnung“ bedeutet, daß all meine Sehnsucht nach dem Guten in ihm eine reale Möglichkeit
findet: Mit ihm kann ich hoffen, daß mein Leben gut sei, daß es erfüllt und ewig sei,
denn Gott selbst ist uns so nahegekommen, daß er sich in unser Menschsein hineinbegeben
hat.
Doch Maria Magdalena hat wie die anderen Jünger mit ansehen müssen, wie
Jesus von den führenden Männern des Volkes abgelehnt wurde, gefangengenommen, gegeißelt,
zum Tode verurteilt und gekreuzigt wurde. Es muß unerträglich gewesen sein zu sehen,
wie die Güte in Person der menschlichen Schlechtigkeit unterworfen wurde, die Wahrheit
von der Lüge verhöhnt und die Barmherzigkeit von der Rache geschmäht wurde. Mit dem
Tod Jesu schien die Hoffnung aller, die auf ihn vertrauten, zu scheitern. Doch gänzlich
verlöschte jener Glaube nie: Vor allem im Herzen der Jungfrau Maria, der Mutter Jesu,
brannte das Flämmchen auch im Dunkel der Nacht lebendig weiter. Die Hoffnung muß in
dieser Welt unweigerlich mit der Härte des Bösen rechnen. Nicht nur die Mauer des
Todes steht ihr im Weg, mehr noch behindern sie die spitzen Stiche von Neid, Hochmut,
Lüge und Gewalt. Jesus hat dieses tödliche Flechtwerk durchquert, um uns den Weg in
das Reich des Lebens zu bahnen. Einen Moment gab es, in dem er besiegt zu sein schien:
Finsternis war über die Welt hereingebrochen, Gott hatte sich völlig in Schweigen
gehüllt, Hoffnung schien nur noch ein leeres Wort zu sein.
Aber siehe da, im
Morgengrauen des Tages nach dem Sabbat ist das Grab leer. Und dann zeigt sich Jesus
der Maria Magdalena, den anderen Frauen und den Jüngern. Da flammt der Glaube wieder
auf, lebendiger und stärker denn je, jetzt unbezwingbar, denn er gründet sich auf
eine ausschlaggebende Erfahrung: » Tod und Leben rangen / in wundersamem Zweikampf.
/ Der Fürst des Lebens starb, / als Lebender herrscht er jetzt. « Die Zeichen der
Auferstehung bestätigen den Sieg des Lebens über den Tod, der Liebe über den Haß,
der Barmherzigkeit über die Rache: » das Grab des auferstandenen Christus / die Herrlichkeit
des Auferstandenen / und die Engel als Zeugen, / das Schweißtuch und die Leinentücher
«.
Liebe Brüder und Schwestern! Wenn Jesus auferstanden ist, dann – und nur
dann – ist etwas wirklich Neues geschehen, das die Lage des Menschen und der Welt
verändert. Dann ist er – Jesus – jemand, dem wir unumschränkt vertrauen können, nicht
nur seiner Botschaft, sondern ihm selbst, denn der Auferstandene gehört nicht
der Vergangenheit an, sondern er ist gegenwärtig, heute, und lebt. Christus
ist Hoffnung und Ermutigung besonders für die christlichen Gemeinschaften, die aufgrund
des Glaubens am meisten unter Diskriminierung und Verfolgung zu leiden haben. Und
als Kraft der Hoffnung ist er durch seine Kirche gegenwärtig, ist er jeder menschlichen
Situation von Leid und Ungerechtigkeit nahe.
Möge der auferstandene Christus
dem Mittleren Osten Hoffnung geben, damit alle ethnischen, kulturellen und religiösen
Gemeinschaften jener Region für das Gemeinwohl und für die Achtung der Menschenrechte
zusammenarbeiten. Besonders in Syrien sollte das Blutvergießen enden und unverzüglich
der Weg der Achtung, des Dialogs und der Versöhnung eingeschlagen werden, was auch
dem Wunsch der Internationalen Gemeinschaft entspricht. Mögen die zahlreichen Flüchtlinge,
die aus jenem Land kommen und humanitärer Hilfe bedürfen, die Aufnahme und die Solidarität
erfahren, die imstande sind, ihre schmerzlichen Leiden zu mindern. Der österliche
Sieg ermutige das irakische Volk, keine Anstrengung zu scheuen, um auf dem Weg der
Stabilität und der Entwicklung voranzuschreiten. Im Heiligen Land mögen Israeliten
und Palästinenser mutig den Friedensprozeß wieder aufnehmen.
Der Herr, der
über das Böse und den Tod gesiegt hat, stehe den christlichen Gemeinschaften des afrikanischen
Kontinents bei, er schenke ihnen Hoffnung, um die Schwierigkeiten zu bewältigen, mache
sie zu Friedensstiftern und lasse sie entscheidend zur Entwicklung der Gesellschaften
beitragen, denen sie angehören.
Der auferstandene Jesus stärke die leidenden
Bevölkerungen am Horn von Afrika und begünstige ihre Versöhnung; er helfe der Region
der ostafrikanischen Seen, dem Sudan und dem Süd-Sudan, indem er den jeweiligen Einwohnern
die Kraft zum Verzeihen schenke. Dem Staat Mali, der einen politisch heiklen Moment
erlebt, schenke der glorreiche Christus Frieden und Stabilität. Nigeria war in letzter
Zeit Schauplatz blutiger terroristischer Überfälle; möge die österliche Freude ihm
die nötigen Energien spenden, um den Aufbau einer friedlichen Gesellschaft wieder
aufzunehmen, die die Religionsfreiheit ihrer Bürger respektiert.