Ungehorsam und Nachfolge: „Machen wir es uns nicht zu leicht“
Ist der Aufruf zum
Ungehorsam, wie er in Österreich veröffentlicht wurde, ein Weg des Priesters heute?
Und wenn nein, wie ist der Gehorsam heute zu leben? Es war ein nachdenklicher und
fast zögernder Papst, der an diesem Donnerstag zu diesen Fragen in Sankt Peter zu
hören war. Ein Papst der leisen und fragenden Töne, der in seiner Predigt über das
Priestertum sprach. Die Chrisam-Messe ist traditionell der Ort, an dem einmal im Jahr
die Priester ihre Weiheversprechen erneuern, unter anderem das des Gehorsams.
Es
gehe „notwendig um ein Überschreiten unserer selbst, um den Verzicht auf das bloß
Eigene, auf die viel beschworene Selbstverwirklichung. Es geht darum, dass wir, dass
ich mein Leben gerade nicht für mich selbst beanspruche, sondern es einem anderen
– Christus – zur Verfügung stelle. Dass ich nicht frage: Was habe ich davon, sondern
frage: Was kann ich für ihn und so für die anderen geben? Oder noch konkreter: Wie
muss diese Gleichgestaltung mit Christus, der nicht herrscht, sondern dient; der nicht
nimmt, sondern gibt – wie muss sie in der oft dramatischen Situation der Kirche von
heute aussehen?“
Beim Stichwort Gehorsam ging der Papst auf den „Aufruf
zum Ungehorsam“ in Österreich ein und er nannte das Stichwort Frauenordination. Aber
Benedikt XVI. urteilte nicht, er gestand den Unterzeichnern erst einmal den guten
Willen zu:
„Ist Ungehorsam ein Weg, um die Kirche zu erneuern? Wir wollen
den Autoren dieses Aufrufs glauben, dass sie die Sorge um die Kirche umtreibt; dass
sie überzeugt sind, der Trägheit der Institutionen mit drastischen Mitteln begegnen
zu müssen, um neue Wege zu öffnen – die Kirche wieder auf die Höhe des Heute zu bringen.
Aber ist Ungehorsam wirklich ein Weg?“
"Aber machen wir es uns nicht zu
leicht", fährt der Papst fort. Auch Jesus selbst habe menschliche Traditionen in Frage
gestellt, „die das Wort und den Willen Gottes zu überwuchern drohten“. Aber dieser
Widerspruch Jesu, so Benedikt sinngemäß, richtete sich eben gegen Menschenwerk, nicht
gegen den Willen Gottes, im Gegenteil. Die Antwort müsse im „Dein Wille geschehe“
des Vaterunsers liegen, des Gebetes Jesu. Aber auch hier ist Papst Benedikt noch nicht
bei einer endgültigen Antwort angekommen:
„Lassen wir uns noch einmal fragen:
Wird mit solchen Erwägungen nicht doch der Immobilismus, die Erstarrung der Traditionen
verteidigt? Nein. Wer auf die Geschichte der Nachkonzilszeit hinschaut, der kann die
Dynamik der wahren Erneuerung erkennen, die in lebendigen Bewegungen oft unerwartete
Gestalten angenommen hat und die unerschöpfliche Lebendigkeit der heiligen Kirche,
die Anwesenheit und die Wirksamkeit des Heiligen Geistes geradezu greifbar werden
lässt.“
Gerade mit Blick auf die Heiligen werde klar, dass zu neuer Fruchtbarkeit
auch "das Erfülltsein von der Freude des Glaubens und "die Radikalität des Gehorsams"
gehöre. Voraussetzung und Grund aller Erneuerung sei das Gleichwerden mit Christus,
nur von dorther käme die Kraft. Im fragenden und fast tastenden Ton seiner Gedanken
bleibend, stellte der Papst auch hier die Frage, wie das heute sein könne und ob das
nicht ein verschreckender Gedanke sei:
„Aber vielleicht erscheint uns manchmal
die Gestalt Jesu Christi zu hoch und zu groß, als dass wir wagen könnten, daran Maß
zu nehmen. Der Herr weiß das. Deshalb hat er für Übersetzungen in Größenordnungen
gesorgt, die uns zugänglicher und näher sind.“
Gemeint waren natürlich
die Heiligen: von Paulus bis zum "Pfarrer von Ars" Jean Marie Vianney, von Ambrosius
und Augustinus über Ignatius von Loyola bis zu Johannes Paul II..
„Die
Heiligen zeigen uns, wie Erneuerung geht und wie wir ihr dienen können. Und sie lassen
uns auch wissen, dass Gott nicht auf die große Zahl und auf die äußeren Erfolge schaut,
sondern seine Siege im demütigen Zeichen des Senfkorns erringt.“
Priestersein
konkret: Nicht sich verkünden, sich selber geben Ganz konkret hingegen ging
der Papst auf besonders zwei Aufgaben des Priesters heute ein, die sich aus den Weiheversprechen
ergäben: auf die Sorge um den ganzen Menschen und auf die Aufgabe des Lehrens, der
Weitergabe von Glaubenswissen:
„In der Begegnung der Kardinäle anlässlich
des jüngsten Konsistoriums haben mehrere der Hirten der Kirche aus ihrer Erfahrung
von einem religiösen Analphabetismus gesprochen, der sich mitten in unserer gescheiten
Gesellschaft ausbreitet. Die Grundlagen des Glaubens, die früher jedes Kind wusste,
werden immer weniger gekannt. Aber damit wir unseren Glauben leben und lieben können,
damit wir Gott lieben können und damit recht auf ihn zu hören fähig werden, müssen
wir wissen, was Gott uns gesagt hat; muss unser Verstand und unser Herz von seinem
Wort berührt werden.“
Priester verkündeten keine privaten Theorien und
Meinungen, sondern den Glauben der Kirche, deren Diener sie seien. Das verlange gleichzeitig
auch, dass der Priester „mit seinem ganzen Ich“ hinter dieser Lehre steht.
„Ich
gehöre nicht mir selbst, und ich werde ich selber gerade dadurch, daß ich mich überschreite
und durch die Überschreitung meiner selbst in Christus und in seinen Leib, die Kirche,
hineinfinde. Wenn wir nicht uns selbst verkündigen und wenn wir inwendig ganz eins
geworden sind mit dem, der uns gerufen hat als seine Botschafter, so daß wir vom Glauben
geformt sind und ihn leben, dann wird unsere Predigt glaubhaft werden. Ich werbe nicht
für mich selbst, sondern ich gebe mich selbst."
Die zweite Aufgabe schloss
sich an den Begriff Seele an: Priestern müsse es um den ganzen Menschen gehen.
„Natürlich
sorgen wir uns als Priester um den ganzen Menschen, gerade auch um dessen leibliche
Nöte – um die Hungernden, um die Kranken, um die Obdachlosen. Aber wir sorgen uns
nicht nur um den Leib, sondern gerade auch um die seelischen Nöte des Menschen: um
die Menschen, die unter der Zerstörung des Rechts oder unter zerstörter Liebe leiden;
um die Menschen, die sich im Wahrheitsdunkel befinden; die unter der Abwesenheit von
Wahrheit und Liebe leiden. Wir sorgen uns um das Heil der Menschen an Leib und Seele.
Und als Priester Jesu Christi tun wir es mit Eifer.“