2012-04-03 13:22:21

Mali: Tuareg-Aufstände setzen auch der Kirche zu


RealAudioMP3 Die Unabhängigkeitsbestrebungen der Tuareg drohen in Mali auch die kirchliche Hilfsarbeit einzuschränken. So wurde im Zuge der Eroberung der Stadt Gao am Wochenende das lokale Caritas-Büro zerstört, Mitarbeiter mussten fliehen, verbleibende Helfer fürchten um ihr Leben. Das teilte der vatikanische Dachverband Caritas internationalis am Montag in Rom unter Berufung auf lokale Mitarbeiter mit. Ob sich unter die Wut der Rebellen gegen die Zentralregierung auch religiöser Fanatismus mischt, darüber sind widersprüchliche Meldungen zu hören. Der Afrika-Experte der Jesuitenzeitschrift „Popoli“, Enrico Casale, sagt dazu im Interview mit Radio Vatikan:
„Das Ziel der ,Nationalen Befreiungsbewegung von Azawad‘ (MNLA) ist es, einen demokratischen und laizistischen Staat aufzubauen. Auch haben die Tuareg versucht, fundamentalistische Gruppen in Schach zu halten, die es im Norden des Landes gibt. In den vergangenen Jahren haben El Kaida-Milizen aus der islamistischen Maghreb-Region dort ihre Lager aufgeschlagen. Die Tuareg-Rebellen haben sich aber stets gegen eine Vermischung mit diesen Terrorzellen verwehrt, die in der Region auch mit Entführungen für Unruhe sorgten.
Nach der jüngsten Einnahme der Stadt Timbuktu durch die Rebellen war allerdings auch zu hören gewesen, dass dort nun islamistische Extremisten der Gruppe Ansar Eddine regierten; diese wollten die Scharia einführen und unterhielten Verbindungen zum nordafrikanischen Zweig von El Kaida, berichtete afp unter Verweis auf lokale Beobachter. Casale erklärt, woher der Unmut der Rebellen kommt:„Ursache der Revolte in Mali ist eine Grundunzufriedenheit der Tuareg, die schon vor der Unabhängigkeit teil haben wollten an den Institutionen des Landes. Nach der Unabhängigkeit haben sie sich immer wieder gegen die Zentralregierung in Bamako aufgelehnt. Abgesehen von diesem Unmut geht es dieses Mal aber auch um die Libyenkrise: Viele Tuareg, die heute gegen das Militär von Mali vorgehen, sind ehemalige Militärs, die mit Gheddafi kämpften. Als das Regime in Libyen fiel, sind sie mit Waffen beladen in ihr Heimatland zurückgekehrt.“
Nach Angaben des vatikanischen Dachverbands setzt die Caritas in Mali derzeit ihre Hilfsarbeit so gut es geht fort. Man habe Mais, Hirse, Reis und Sorghum sowie Saatgut an 100.000 Menschen verteilt, die von einer wachsenden Nahrungsmittelkrise bedroht sind. Zudem versorge die Organisation Flüchtlinge, die vor dem Konflikt in südliche Landesteile ausweichen. „Wenn die Rebellen ihre Aktivitäten auf den Norden beschränken, kann die Mehrheit unserer Hilfsprogramme wie geplant fortgesetzt werden“, zeigte sich der Generalsekretär der Caritas Mali, Theodore Togo, zuversichtlich. Malis Kirche – Katholiken sind in dem Land absolute Minderheit - versuche standhaft, in dem Konflikt zu vermitteln, erzählt Casale weiter:
„Der Bischof von Bamako hat sich in diesen Tagen für eine Waffenruhe zwischen beiden Konfliktparteien ausgesprochen und eine Vermittlung durch die Kirche angeboten. Die Kirche hatte bereits nach dem Putsch zu vermitteln versucht, damit das alte Regime und die Putschisten sich nicht zu sehr entzweien. Es handelt sich um eine Minderheitenkirche in einem überwiegend islamischen Land.“In dem bitterarmen Subsahara-Staat habe der Konflikt klar auch eine soziale Prägung, fährt der Experte fort:
„Mali ist ein sehr geteiltes Land: die Bevölkerung des Südteils kommt aus der Sahelzone und ist stärker mit der islamisch-arabischen Welt verbunden. Aus wirtschaftlicher Perspektive ist Mali eines der ärmsten Länder Afrikas, die nördlichen Gebiete sind die ärmsten Zonen des Landes. Es gibt also in den aufständischen Gebieten auch den Anspruch, dass in den Norden investiert wird, zum Beispiel in Infrastrukturen, denn es gibt dort praktisch keine asphaltierten Straßen, es gibt außer in größeren Orten keine Schulen, es gibt keine Sanitäranlagen außer einige, die durch ausländische Mitglieder der Tuareg finanziert wurden.“
Die Krise in Mali steht im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen an diesem Dienstag auf der Tagesordnung. Das Interesse des Auslandes an dem westafrikanischen Land sie nicht nur uneigennützig, klärt der Jesuit auf:
„Die westlichen Mächte, vor allem die USA und Frankreich - Frankreich ist für Mali ja die ehemalige Kolonialmacht – haben großes Interesse an den natürlichen Rohstoffen, die es in Mali im Überfluss geben soll. Im Norden gibt es Erdöl, von dem große Mengen entdeckt wurden, und Uran. Man muss sich vor Augen halten, dass im nahen Niger Uranvorkommen abgebaut werden. Die USA und Frankreich wollen verhindern, dass diese Rohstoffe den Chinesen in die Hände fallen, wie es im Niger passiert ist. Abgesehen von den Ansprüchen der Tuareg stehen also auch richtige wirtschaftliche Gründe hinter dem Konflikt.“

(rv/afp/kna 03.04.2012 pr)








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