2012-04-02 11:44:27

Ägypten: Kopten ziehen sich aus Verfassungskommission zurück


RealAudioMP3 Die koptischen Christen ziehen ihre Vertreter aus dem Gremium zurück, das eine neue Verfassung ausarbeiten soll. Das berichtet die staatliche Kairoer Nachrichtenagentur. Die Verfassungskommission werde von Islamisten dominiert und spiegele die Bevölkerungsvielfalt in Ägypten nicht angemessen wider, so die koptisch-orthodoxe Kirche am Sonntag Abend. Damit sei eine weitere Teilnahme an den Beratungen „sinnlos“. Die bisherige Verfassung ist im Februar letzten Jahres kurz nach dem Sturz von Präsident Hosni Mubarak durch den Militärrat außer Kraft gesetzt worden.

Der Verfassungskommission gehören hundert Mitglieder an. Gewählt wurden sie vom Parlament, in dem islamistische Parteien eine absolute Mehrheit der Sitze haben. Die Kopten sind mit rund zehn Prozent die wichtigste Minderheit in Ägypten. Ihrem Entschluss, die Verfassungskommission zu boykottieren, haben alle 20 koptischen Delegierten in der Kommission zugestimmt. Auch mehrere liberale Parteien und sogar die islamische Kairoer al-Azhar-Universität, eine wichtige Autorität im sunnitischen Islam, hatten sich schon zuvor gleichfalls aus dem Gremium zurückgezogen.

Die Menschen in Ägypten brauchen keine religiöse Diktatur, sondern eine zivile demokratische Regierung, die die großen wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes in Angriff nimmt. Das hat der koptisch-katholische Bischof von Minya, Ibrahim Sidrak, betont. Bei einem Besuch in Österreich berichtete der Bischof unlängst, dass immer mehr Menschen erkennen würden, dass Muslimbrüder und Salafisten kein Interesse an Bildungs- und Wirtschaftsprogrammen oder der Entwicklung demokratischer Strukturen hätten. Den Menschen werde klar, dass sie bei den letzten Wahlen die Falschen gewählt hätten. Die islamistischen Parteien hätten „zu viel Geld“ - er wolle nicht sagen, woher dieses Geld komme, aber das könne sich jeder zusammenreimen. Diese Gelder ermöglichten es den Islamisten, die Not der Menschen auszunützen und deren Stimmen - wie bei den letzten Wahlen - zu kaufen, so der Bischof. Wer bei den Parlamentsdebatten in Kairo zuhöre, der sehe, dass es da um alles Mögliche gehe, aber nicht um echte Demokratie.

Die koptisch-katholische Kirche sei nur eine kleine Minderheit innerhalb der christlichen Minderheit im Land. Trotzdem wolle man einen Beitrag für die Zukunft des Landes leisten. Das geschehe beispielsweise durch die eigenen Schulen, die oft auch von fünfzig Prozent oder noch mehr muslimischen Schülern besucht würden. Christliche und muslimische Kinder und Jugendliche würden hier gegenseitigen Respekt lernen, der eine wesentlich Voraussetzung für ein künftiges Zusammenleben sei, so der Bischof. Sogar Eltern, die den Muslimbrüdern oder Salafisten nahestehen, würden ihre Kinder in katholische Schulen schicken.

Die Boykott-Ankündigung der (orthodoxen) Kopten erfolgte, nachdem die Partei der Muslimbrüder am Samstag angekündigt hatte, doch einen eigenen Präsidentschaftskandidaten aufzustellen. Zuvor hatte die Partei immer bekräftigt, sie werde bei den Wahlen vom 23. Mai einen Kandidaten unterstützen, der nicht der Muslimbruderschaft angehöre. Präsidentschaftskandidat wird un Khairat al-Chater, der zweite Mann der Muslimbruderschaft. Diese Nachricht hat die Kopten alarmiert. Seit dem Tod ihres Oberhauptes Papst Schenuda im März fragen sie sich ohnehin, wie sie künftig noch ihre Stimme im sich wandelnden Ägypten hörbar machen sollen.

Die kleine koptisch-katholische Kirche betreibe u.a. zwölf Sozialzentren, berichtete Bischof Sidrak. Ein Schwerpunkt liege auf Alphabetisierungskursen für Frauen und Mädchen, ein anderer auf der Arbeit mit Behinderten. Die Kirche vergebe auch Mikrokredite, damit sich Menschen eine eigene Existenz aufbauen können. Einige kirchliche Initiativen wie die Gefängnisseelsorge habe inzwischen auch bei Muslimen Interesse und Nachahmer gefunden, berichtete der Bischof.

Zur Gewalt gegen Christen und die Zerstörung von Kirchen sagte der Bischof, dass dahinter eine politische Strategie stehe, um Chaos zu schaffen. Zur Frage nach den konkreten Akteuren wollte er keine Antwort geben.

Von den 85 Millionen Ägyptern sind rund zehn Prozent Christen, die meisten koptisch-orthodox. Zur koptisch-katholischen Kirche gehören rund 250.000 Personen. In der Diözese Minya, rund 250 Kilometer südlich von Kairo, leben mit 50.000 Gläubigen die verhältnismäßig meisten Katholiken in Ägypten.

(rv/afp/kap 02.01.2012 sk)








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