2012-04-01 16:16:18

Österreich: Homosexueller Laie ist „am richtigen Platz"


Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn hat beschlossen, einen offen homosexuellen Pfarrgemeinderat zu seinem Ehrenamt zuzulassen. „Wir halten an der Regel fest, aber wir schauen auch auf die Situation des einzelnen Menschen“, begründete Schönborn in der „ORF-Pressestunde" an diesem Palmsonntag seine Entscheidung. Der 26-jährige Florian Stangl lebt in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und war bei den jüngsten Pfarrgemeinderatswahlen mit 90 Prozent der Stimmen gewählt worden. Danach wurde ihm nahegelegt, seine Wahl nicht anzunehmen.

Gleichgeschlechtliche Partnerschaft seien von der Bibel her immer mit einem Fragezeichen zu versehen, erklärte Schönborn nun. In dem Stützenhofener Pfarrgemeinderat Florian Stangl habe er aber einen „gläubigen, engagierten, liebenswürdigen Menschen" kennengelernt, der sich als Caritas-Mitarbeiter für Behinderte einsetze und ein feines Gespür für die Menschen habe. Daher habe er die „persönliche Entscheidung" getroffen, die Wahl anzuerkennen, auch wenn es von der „Regel" her ein Problem gebe. Kardinal Schönborn: „Florian Stangl ist am richtigen Platz".

Die Kirche halte auch die Ehe als eine Grundzelle der Gesellschaft „unermüdlich hoch", aber sie wisse, dass es „Brüche" gibt. Darauf habe er auch beim Requiem für den früheren Bundespräsidenten Thomas Klestil hingewiesen. Er appelliere an die Seelsorger, auf jeden einzelnen Fall von wiederverheirateten Geschiedenen konkret „hinzuschauen", betonte der Wiener Erzbischof.

Kardinal Schönborn äußerte sich in der Fernsehsendung zu einer Reihe weiterer Themen, etwa zur Missbrauchskrise. Dem Präsidenten der österreichischen Bischofskonferenz zufolge hat sich die Kirche in der Alpenrepublik der Krise gestellt. Allerdings seien sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft die „strukturellen Gründe“ für das „Vertuschen und Verdrängen“ noch nicht aufgearbeitet, betonte Schönborn. Der Wiener Erzbischof verwies in diesem Zusammenhang auch auf die „schwarze Pädagogik“. Er selbst habe als
Schüler erlebt, wie sein Direktor und alle Eltern weggeschaut hätten, als ein Lehrer Kinder krankenhausreif geprügelt habe. Bei der Aufarbeitung dieser Phänomene dürfe es nicht um Ausreden gehen. Es müsse alles getan werden, damit solche Dinge „nicht wieder passieren“.

Scharfe Kritik äußerte Schönborn am Umgang Österreichs mit Asylbewerbern. Die Praxis der Abschiebehaft sei ein „Schandfleck“, auch wenn sich „die Beamten der Exekutive redlich bemühen“. Im Asylbereich sei vieles „verbesserungsfähig“. Es sei bedauerlich, dass es in Österreich keine Immigrationspolitik gebe wie etwa in Australien oder Kanada.

Schönborn verwies auch auf die Situation im Nahen Osten, wo es für die religiösen Minderheiten «eng» werde. Der „Arabische Frühling“ habe sich als „Winter für die Christen“ erwiesen. Niemand habe Interesse daran, die religiösen Minderheiten aus ihrer angestammten Heimat wegzulocken, aber es müsse die Möglichkeit zum „resettlement“ geben, wenn die Situation unerträglich werde.

Deutliche Worte fand Kardinal Schönborn zur Korruption im öffentlichen Raum. „Der Genierer“ sei abhandengekommen, dass man gewisse Dinge nicht tun dürfe. Schönborn verwies auf Italien, wo es Mario Monti als Ministerpräsident gelungen sei, eine „beeindruckende“ klimatische Änderung herbeizuführen, aber auch auf die Antrittsrede des neuen deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck. Der „Berlusconismus“ - dem auch von kirchlicher Seite bestürzend lange „zugeschaut“ worden sei - habe mit der Überzeugung „mit Geld kannst du alles machen“ in katastrophaler Weise die Substanz des menschlichen Miteinanders zerstört. Vertrauen sei aber die Basis einer guten Gesellschaft.

(kap 01.04.2012 gs)








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