Österreich: Homosexueller Laie ist „am richtigen Platz"
Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn hat beschlossen, einen offen homosexuellen
Pfarrgemeinderat zu seinem Ehrenamt zuzulassen. „Wir halten an der Regel fest, aber
wir schauen auch auf die Situation des einzelnen Menschen“, begründete Schönborn in
der „ORF-Pressestunde" an diesem Palmsonntag seine Entscheidung. Der 26-jährige Florian
Stangl lebt in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und war bei den jüngsten Pfarrgemeinderatswahlen
mit 90 Prozent der Stimmen gewählt worden. Danach wurde ihm nahegelegt, seine Wahl
nicht anzunehmen.
Gleichgeschlechtliche Partnerschaft seien von der Bibel her
immer mit einem Fragezeichen zu versehen, erklärte Schönborn nun. In dem Stützenhofener
Pfarrgemeinderat Florian Stangl habe er aber einen „gläubigen, engagierten, liebenswürdigen
Menschen" kennengelernt, der sich als Caritas-Mitarbeiter für Behinderte einsetze
und ein feines Gespür für die Menschen habe. Daher habe er die „persönliche Entscheidung"
getroffen, die Wahl anzuerkennen, auch wenn es von der „Regel" her ein Problem gebe.
Kardinal Schönborn: „Florian Stangl ist am richtigen Platz".
Die Kirche halte
auch die Ehe als eine Grundzelle der Gesellschaft „unermüdlich hoch", aber sie wisse,
dass es „Brüche" gibt. Darauf habe er auch beim Requiem für den früheren Bundespräsidenten
Thomas Klestil hingewiesen. Er appelliere an die Seelsorger, auf jeden einzelnen Fall
von wiederverheirateten Geschiedenen konkret „hinzuschauen", betonte der Wiener Erzbischof.
Kardinal Schönborn äußerte sich in der Fernsehsendung zu einer Reihe weiterer
Themen, etwa zur Missbrauchskrise. Dem Präsidenten der österreichischen Bischofskonferenz
zufolge hat sich die Kirche in der Alpenrepublik der Krise gestellt. Allerdings seien
sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft die „strukturellen Gründe“ für das
„Vertuschen und Verdrängen“ noch nicht aufgearbeitet, betonte Schönborn. Der Wiener
Erzbischof verwies in diesem Zusammenhang auch auf die „schwarze Pädagogik“. Er selbst
habe als Schüler erlebt, wie sein Direktor und alle Eltern weggeschaut hätten,
als ein Lehrer Kinder krankenhausreif geprügelt habe. Bei der Aufarbeitung dieser
Phänomene dürfe es nicht um Ausreden gehen. Es müsse alles getan werden, damit solche
Dinge „nicht wieder passieren“.
Scharfe Kritik äußerte Schönborn am Umgang
Österreichs mit Asylbewerbern. Die Praxis der Abschiebehaft sei ein „Schandfleck“,
auch wenn sich „die Beamten der Exekutive redlich bemühen“. Im Asylbereich sei vieles
„verbesserungsfähig“. Es sei bedauerlich, dass es in Österreich keine Immigrationspolitik
gebe wie etwa in Australien oder Kanada.
Schönborn verwies auch auf die Situation
im Nahen Osten, wo es für die religiösen Minderheiten «eng» werde. Der „Arabische
Frühling“ habe sich als „Winter für die Christen“ erwiesen. Niemand habe Interesse
daran, die religiösen Minderheiten aus ihrer angestammten Heimat wegzulocken, aber
es müsse die Möglichkeit zum „resettlement“ geben, wenn die Situation unerträglich
werde.
Deutliche Worte fand Kardinal Schönborn zur Korruption im öffentlichen
Raum. „Der Genierer“ sei abhandengekommen, dass man gewisse Dinge nicht tun dürfe.
Schönborn verwies auf Italien, wo es Mario Monti als Ministerpräsident gelungen sei,
eine „beeindruckende“ klimatische Änderung herbeizuführen, aber auch auf die Antrittsrede
des neuen deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck. Der „Berlusconismus“ - dem auch
von kirchlicher Seite bestürzend lange „zugeschaut“ worden sei - habe mit der Überzeugung
„mit Geld kannst du alles machen“ in katastrophaler Weise die Substanz des menschlichen
Miteinanders zerstört. Vertrauen sei aber die Basis einer guten Gesellschaft.