2012-04-01 15:11:46

D: „Die Armen sitzen nicht am Tisch der G8"


RealAudioMP3 Fast 15 Jahre lang leitete er das größte katholische Entwicklungshilfswerk der Weltkirche, misereor: Prälat Josef Sayer. Vor einer Woche trat er in den Ruhestand, sein Nachfolger Pirmin Spiegel übernahm. Christine Seuss hielt gemeinsam mit Josef Sayer Rückschau auf seine Zeit bei misereor und wollte von dem tatkräftigen Priester zunächst wissen, was für seinen Weg als Misereor-Chef bestimmend war.

„Für mich war das entscheidende, als ich in Lateinamerika war, in Peru, wo ich in Elendsvierteln gelebt und gearbeitet habe und auch in den Anden Perus in den Campesinos-Gemeinden. Ohne diese Glaubensschule, ohne diese Lebensschule, ohne dessen Erfahrung der Armen, wie sie leben und sich durchfristen müssen, wie sie ihren Glauben in schwierigen Situationen gestalten, hätte ich meine Arbeit nicht machen können.“

Misereor gilt als das weltweit größte kirchliche Entwicklungshilfswerk. Wofür steht Misereor, was ist sein Grundanliegen?

„Als erstes kommt es darauf an, dass die Menschen zu essen haben. Das tägliche Brot darf nicht auf den Tischen der Armen fehlen, das hat Johannes Paul II. bei seinem Besuch in Lima vor den Elendsviertelbewohner ausgedrückt. Der Hunger nach Gott soll wachsen, aber es muss alles getan werden, dass der Hunger auch verschwinde, den die Menschen haben, dadurch, dass sie kein trägliches Brot haben. Und das hat er gesagt: das ist ein göttliches Recht, das wir im Vaterunser bekennen. Ich glaube mein Einsatz ging eben darum, mit zu arbeiten in den vielen misereor-Projekten, das sowohl in Afrika als auch in Lateinamerika und in Asien eine Landwirtschaft möglich ist, dass sich die Menschen selber ernähren können. Es ist auch ein unglaublicher Skandal, dass dort, wo die Nahrungsmittel produziert werden, dass man dort am meisten hungert. Genauso ist es mit dem Tinkwasser oder mit der Gesundheitsversorgung. Wenn wir überlegen, dass in Subsahara Afrika jede 19. Frau stirbt während der Schwangerschaft oder bei der Geburt, das ist doch ein Skandal! Wenn wir überlegen, dass wir die Milleniumsentwicklungsziele verabschiedet haben.“

Misereor als katholisches Werk ist auch ganz vorne mit dabei, in Entwicklungsländern grundlegende Menschenrechte zu verteidigen und die Sensibilität für die Würde jedes Menschen zu erhöhen. Mit welchen Mitteln kann man das?

„Benedikt XVI. hat eine wunderbare Rede gehalten zum Jubiläum der UN. Und hat da eben nochmal die Menschenrechte eingefordert und hat eben auch von der Schutzpflicht der Regierungen für die Armen gesprochen, und das ist mir so eingegangen. Während dieser Zeit war die Wahrheits- und Versöhnungskommission in verschiedenen Ländern Lateinamerikas oder Afrikas, wenn Menschen gelitten haben während Kriegsphasen wo es furchtbar zugegangen ist. Ich selber habe eine Kriegsphase mitbekommen und wo man merkt, hier wird überhaupt kein Recht eingehalten und dass dann die Regierungen die Schutzpflicht verletzen, weil sie selber terroristische Gewalt anwenden, da setzt sich misereor ein und arbeitet mit Stützkommissionen, damit Versöhnung möglich werde, gerade nach solchen traumatischen Erfahrungen wie Kriege. Da konnte ich dann also während dieser Phase sehr viel machen, sei es in Liberia, sei es in Ruanda, Burundi im Kongo vorallem. Und das war dann auch so eine Sache, wo wir voran gekommen sind im Kongo, wo wir versucht haben die Bischofskonferenz dort zu stützen, bei der Begleitung der Wahl. Wenn wir überlegen, dass von 1997 bis 2002 vier Millionen Menschen ums Leben gekommen sind in diesen kriegerischen Auseinandersetzungen, das ist furchtbar. Wir haben geholfen, dass 50.000 Wahlhelfer bei der ersten Wahl dabei waren. Bei der zweiten Wahl 30.0000 Wahlhelfer.“

Misereor hat nicht weniger als 2.600 Partnerorganisationen auf den Südkontinenten, ein beeindruckendes Netzwerk. Warum ist es so entscheidend, dass der Norden den Süden nicht aus dem Blick verliert?

„Die Armen sitzen nicht am Tisch der G7, der G8 oder der G20. Deshalb habe ich versucht eben mit den kontinentalen Zusammenschlüssen der Bischofskonferenz von Afrika, Asien, Lateinamerika, der Pazifikregion so etwas wie ein Süd-Süd-Dialog über herausfordernde Fragen anzustreben, wie zum Beispiel Klimawandel, dass dann die Kirche diese Stimme der Armen einbringt bei den Politikern im Norden und aber auch in die Kirchen im Norden, damit man Rücksicht nimmt, damit alle wirklich Mensch sein können.“

Hintergrund:
„misereor“ ist ein Hilfswerk der katholischen Kirche seit 1958, das Hilft den Ärmsten der Armen. Gemeinsam mit einheimischen Partnern unterstützt „misereor“ Menschen jeden Glaubens, jeder Kultur, jeder Hautfarbe, in 100.000 Projekten - in Afrika, Asien, Ozeanien und Lateinamerika. Ihr Motto lautet: . Das Motiv ist Nächstenliebe, aber auch ein politischer Ansatz, der sagt: Es darf nicht so bleiben, wie es ist, sondern es müssen sich grundsätzliche Dinge ändern.
(rv 01.04.2012 cs)








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