2012-03-31 11:30:43

Jüdisch-katholische Gedanken zu einer gerechten Wirtschaftsordnung


„Die Wirtschaftskrise hat verstärkt aufgezeigt, wie sehr die Ethik im wirtschaftlichen Denken fehlt“: das ist die Schlussfolgerung, zu der die bilaterale Kommission des israelischen Großrabbinats und des Heiligen Stuhls für die Beziehungen zwischen den beiden Konfessionen nach ihrer elften Zusammenkunft kommt. Das Thema des Treffens, das vom Rabbiner Shear-Yashuv Cohen und vom Kardinal Peter Turkson moderiert wurde, lautete: „Religiöse Perspektiven in der aktuellen Finanzkrise: Gedanken zu einer gerechten Wirtschaftsordnung“.

„Auch wenn viele Gründe zur Finanzkrise geführt haben, liegt ihr vor allem eine Krise der moralischen Werte zugrunde, in der das raffgierige Besitztum dem Wert des „Seins” den Rang abgelaufen hat“, so benennen die Kommissionsmitglieder das Herzstück der Reflexionen. Das Ziel sei, so wiederholte die Kommission, eine „eine gerechte Wirtschaftsordnung“, die sich der Tatsache bewusst sei, dass Gott die „Reichtümer“ der Welt „für das Gemeinwohl bestimmt“ habe. „Bei finanziellen Aktivitäten fehlt mittlerweile in besorgniserregender Weise der Wert der Wahrheit“, so eine weitere Passage aus der mit deutlichen Worten gespickten Verlautbarung, die von Juden und Katholiken abgegeben wurde. In ihr wird an fundamentale Werte wie „Solidarität und Brüderlichkeit“ oder „Ehrlichkeit und Transparenz“ erinnert, um dann eine „Kultur der Begrenzung“, die zu „Bescheidenheit und Verantwortungsbewusstsein“ führen solle, zu fordern. Dabei wird die Verpflichtung betont, „die menschlichen Grundbedürfnisse wie Schutz des Lebens, Versorgung, Kleidung, Gesundheit, Bildung und Arbeit zu erfüllen“. Ebenso deutlich wird gesagt, dass man dabei vor allem die Schwachen, oder Staaten mit einer geringen Wirtschaftsleistung, berücksichtigen solle. In diesem Zusammenhang hat die Kommission eine klare Einladung ausgesprochen: „So wie man angesichts der Krise nationale und internationale Schulden teilweise erlassen hat, so sollte man es jetzt auch mit Familien und Einzelnen halten, damit sie wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen.“ Es geht also um Werte, aber auch um konkrete Vorschläge, wie dieses Ziel zu erreichen sei. Das gemeinsame Verständnis von Juden und Katholiken wird durch ein tiefes Bewusstsein getragen: „Die religiösen Gemeinschaften sind zusätzlich zu ihrer Weisheit, die sie aus ihrem spirituellen Erbe schöpfen, auch Pfeiler der Gesellschaft, in der sie leben, und müssen zusammen mit politischen und gesellschaftlichen Kräften eine zentrale Rolle bei der Absicherung einer gerechten Sozial- und Wirtschaftsordnung spielen.“

Der Rabbiner Shear-Yashuv Cohen hat die Zusammenkunft eröffnet, indem er Gott für den historischen Wandel in den jüdisch-katholischen Beziehungen seit dem II. Vatikanischen Konzil und die Kommission selbst, die nach dem wichtigen Besuch von Johannes Paul II. in Israel eingerichtet wurde, gedankt hat. Die aus Israel angereisten Gäste trafen sich auch mit dem Schweizer Kuridenkardinal Kurt Koch, der den Päpstlichen Einheitsrat leitet und von Vatikanseite für das Gespräch mit dem Judentum verantwortlich ist.

(rv 31.03.2012 cs)







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