Bischof Hinder: Solidarität mit junger Kirche im Mittleren Osten
Der in Abu Dhabi residierende
katholische Bischof Paul Hinder bittet die Weltkirche um mehr Solidarität mit den
Christen auf der Arabischen Halbinsel. Entgegen der weit verbreiteten Meinung sei
die katholische Kirche in den Golfstaaten keineswegs eine absterbende, sondern vielmehr
eine „junge, vitale Kirche vor allem von Migranten“. Sie zeichne sich durch eine große
Internationalität und ein hohes Maß an engagierten Laien aus, so Bischof Hinder in
diesen Tagen bei einem Besuch in Wien. „Wir sind eine Kirche von Ausländern für Ausländer.“
Der Bischof rät davon ab, einem Ruf des saudischen Großmuftis nach einer Zerstörung
der Kirchen auf der Arabischen Halbinsel zu viel Bedeutung beizumessen. Großmufti
Scheich Abdul Aziz bin Abdullah hatte sich auf ein Hadith, also eine mündliche Überlieferung
des islamischen Propheten Mohammed berufen, dass es auf der Arabischen Halbinsel nicht
zwei Religionen gleichzeitig geben dürfe. Dazu sagte Hinder, er hege weiterhin Zweifel
daran, ob es sich tatsächlich um eine Fatwa handle oder um Aussagen aus einem Interview.
Die Fatwa habe unter seinen muslimischen Gesprächspartnern ebenfalls für Kopfschütteln
und Unverständnis gesorgt, auch hätten die arabischen Medien sie kaum aufgegriffen.
Allerdings sollte man die Wirkung solcher Sprüche auf die Bevölkerung der Halbinsel
auch wieder nicht unterschätzen. „Wir sollten uns über die Mentalität des wahhabitischen
Islam keine Illusionen machen“, so Hinder.
Gerade in den gegenwärtigen Umbruchsprozessen
und den damit verbundenen Unsicherheiten bräuchten die rund drei Millionen Katholiken
auf der Arabischen Halbinsel die Solidarität durch die Weltkirche. „Niemand weiß,
welche Auswirkungen die Transformationen auf die alten und neuen Christen in diesen
Ländern haben“, so Hinder. Entsprechend seien auch die Vorbehalte etwa der Christen
in Syrien vor einem möglichen Machtwechsel verständlich. Dabei seien die Probleme,
mit denen Christen in der arabischen Welt konfrontiert seien, oftmals hausgemacht:
Viele christliche Kirchen seien „mit ihrer eigenen Struktur befasst, so dass sie nur
langsam auf die Umbrüche reagieren und diese kaum zu einer Revitalisierung nutzen
können“, so Hinder. Außerdem ortete der Bischof gerade auch bei den katholischen Ostkirche
eine „Überbetonung der jeweils eigenen Traditionen“. Dies sei „Teil des Problems und
nicht Teil der Lösung, denn je vielstimmiger die Kirche spricht, desto schwächer ist
ihr Zeugnis und ihre Stellung gegenüber der muslimisch dominierten Mehrheit“.
Von
den westlichen Kirchen werde darüber hinaus oft die Besonderheit der „neuen Kirchenerfahrung“
unterschätzt, die die Arbeitsmigranten in den wirtschaftlich florierenden Ländern
des Golfs machen. Die Internationalität der Migranten sorge zwar für eine „gewisse
Vermischung auch der religiösen Kulturen“, dies sei aber nicht negativ zu beurteilen,
sondern biete auch die „Chance, die ethischen und sprachlichen Grenzen zu überwinden
in eine neue wahrhaft katholische Identität“. Insofern könne die katholische Kirche
der Region durchaus als „Laboratorium für eine Kirche in einem Umfeld betrachtet werden,
wo es nur wenig Struktur und labile politische Sicherheit gibt“ - eine Situation,
die durchaus mit jener der ersten Gemeinden im Urchristentum vergleichbar sei, so
Hinder. Zu den Qualitäten der jungen katholischen Kirche vor Ort zählen laut Hinder
das hohe Laienengagement - angesichts von rund drei Millionen Gläubigen und nur 90
Priestern sei dies unausweichlich -, ein hohes Maß an karitativer Fürsorge - etwa
in Form von katholischen Schulen oder sozialen Diensten, und eine hohen Dialogbereitschaft.
So gebe es einen durchaus funktionierenden „Dialog des Lebens“ mit den Muslimen in
ökonomischen, sozialen und ethischen Fragen. Hier begegne man sich in „gegenseitigem
Respekt“. Eine vollständige „Begegnung auf Augenhöhe“ gebe es jedoch nicht, da das
Christentum von der muslimischen Mehrheit weiterhin als „Religion des Westens“ betrachtet
und diese moralisch-sittlich beargwöhnt werde.