Es stimmt nicht, dass Papst Johannes XXIII. seinerzeit Fidel Castro exkommunizierte.
Das sagte nun der langjährige Sekretär des italienischen Papstes, Erzbischof Loris
Capovilla, der italienischen Tageszeitung „Corriere della Sera“. Das Wort Exkommunikation
habe es „im Vokabular des Johannes-Papstes nicht gegeben“, so der 96-jährige Erzbischof.
Er äußerte Unverständnis darüber, dass immer wieder über einen angeblichen Kirchenausschluss
am 3. Januar 1962 berichtet werde. Dafür habe es nicht einmal einen Grund gegeben:
Eine Exkommunikation ergebe nur für Menschen einen Sinn, die innerhalb der katholischen
Kirche stehen. Bereits 1949 habe Papst Pius XII. ein Dekret veröffentlicht, wonach
jeder, der einer kommunistischen Partei beitritt, exkommuniziert sei.
Capovilla
erklärt weiter, dass der Heilige Stuhl „nie die Initiative“ ergreife, um diplomatische
Beziehungen zu zerbrechen. Sogar die Ausweisung des Weihbischofs in Havanna und von
131 Priestern aus Kuba im September 1961 habe Johannes XXIII. bei einer Generalaudienz
lediglich in „gemäßigter Form“ angesprochen.
Viele Fragen Papst
Benedikt hatte sich am Mittwoch mit Fidel Castro in der Nuntiatur in Havanna getroffen.
Dabei habe sich Castro, seinerzeit Zögling eines Jesuiten-Kollegs, zunächst nach den
liturgischen Neuerungen in der Kirche erkundigt. Weitere Fragen des Revolutionsführers
an den Papst galten „aktuellen politischen, kulturellen, religiösen und wissenschaftlichen
Themen“, berichtete Papstsprecher Federico Lombardi. Benedikt ging in der Unterhaltung
unter anderem auf das Thema der Abwesenheit Gottes und auf die wichtige Beziehung
zwischen Glaube und Vernunft ein.
Fidel Castro hatte Kuba nach der Revolution
zunächst als atheistischen Staat definiert. Er ließ Anfang der 1960er-Jahre alle kirchlichen
Schulen schließen und ordnete die Verbannung von Ordensfrauen und Priestern an. Höhepunkt
war die Ausweisung des Weihbischofs Eduardo Roza Masvidal und 131 weiterer Priester.
Die meisten von ihnen stammten, wie Castros unehelicher Vater, aus Spanien. Insgesamt
mussten in den 1960er- Jahren rund 2.500 Priester und Ordensleute die Karibikinsel
verlassen.
Zeitungsbericht Die „New York Times“ berichtete
damals, der Revolutionsführer sei exkommuniziert worden. Quelle war ein Vatikanbeamter,
der erklärt hatte, wer einem Bischof Gewalt antue oder dies unterstütze, sei automatisch
von den Sakramenten ausgeschlossen.
Ob sich Fidel Castro und sein ebenfalls
katholisch getaufter Bruder Raul tatsächlich die höchste Kirchenstrafe zugezogen haben,
blieb jedoch wie vieles an der kubanischen Revolution ungeklärt. Als 1974 der Architekt
der „vatikanischen Ostpolitik“, Erzbischof Agostino Casaroli, auf Kuba freundlich
empfangen wurde, zeigte sich, dass der Gesprächsfaden doch nicht ganz abgerissen war.
Auch die diplomatischen Vertretungen in Rom und in Havanna blieben bestehen.
Auffallend
ist, dass Fidel Castro seit dem Untergang des Ostblock-Sozialismus eine vorsichtige
Annäherung an die katholische Kirche suchte. 1996 traf er in Rom Johannes Paul II.
Zwei Jahre später besuchte der polnische Papst den marxistisch-leninistischen Diktator
in Havanna. Statt in Kämpfer-Uniform begrüßte der „Maximo lider" den Pontifex Maximus
damals im dunklen Zweireiher und ließ kaum eine Gelegenheit aus, sich bei Papstreden
in der ersten Reihe zu zeigen. Zur Kommunion ging er freilich nie. Als Geschenk für
den Gast aus Rom hatte er den Weihnachtsfeiertag auf Kuba wieder eingeführt und der
Freilassung von politischen Gefangenen zugestimmt.
Annäherung Seither
ging die Annäherung in kleinen Schritten weiter. Eine Diözesanzeitung wurde wieder
zugelassen, Prozessionen wurden erlaubt, ein Kloster und ein Priesterseminar eröffnet.
Der jüngere Bruder Raul Castro, der seit 2006 die Führung übernommen hat, setzt diese
Politik fort. Er akzeptiert auch die Rolle des Kardinals von Havanna, Jaime Ortega
y Alamino, als Vermittler zu politischen Häftlingen, von denen einige aufgrund dieses
Einsatzes in die Freiheit gelangten.
Im persönlichen Gespräch mit Raul Castro
verlangte Benedikt XVI. am Dienstag mehr gesellschaftliche Mitwirkungsmöglichkeiten
für die Kirche. Zuvor hatte er kirchliche Hilfe für die Entwicklung eines neuen Gesellschaftsmodells
angeboten. Der klassische Marxismus liefere keine Antworten auf heutige Fragen, betonte
der Papst, der als Theologe und als vatikanischer Glaubenshüter den Marxismus bereits
seit mehr als einem halben Jahrhundert immer wieder scharf kritisiert hat.